Tatort auf ARD

Berichte, Dokus, Artikel und ja: auch Talkshows zum Thema Sexarbeit werden hier diskutiert
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Tilopa
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RE: Tatort auf ARD

Beitrag von Tilopa »

SPON hypt die Sendung nochmal in einem weiteren Beitrag

Schönstens Zitat:
"Gibt's einen gesellschaftspolitischen Auftrag? -- Natürlich. Wie muss eine Gesellschaft beschaffen sein, in der immer mehr Migranten ohne Papiere für immer weniger Geld Triebabfuhrhilfe erledigen? Wien ist in diesem 'Tatort' ein einziger großer Sex-Discounter."
...und um die Relevanz nochmal zu unterstreichen und die Grenzen zwischen Fiktion und Realität vollends zu verwischen:
"Arno Frank kommentiert für uns den 'Tatort' am Sonntag live auf Twitter." :003

http://www.spiegel.de/kultur/tv/der-neu ... 21294.html

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Marc of Frankfurt
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Re: Gesellschaftlicher Auftrag

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wiener Tatort-Krimi macht Stimmung für "Freierkriminalisierung" - Regisseurin Derflinger & Medien formulieren "Frauen kaufen ist nicht OK"


Die Kunden der ausländischen Sexarbeiterinnen kommen nur am Rande vor. Angeblich sollen es auch "echte" Kunden sein, die bei der Produktion durchs Bild laufen.

Nachdem der Verbrennungsanschlag auf die ausgestiegene Sexarbeiterin passiert ist, kommt es zur Razzia im Arbeitsappartment, just in dem Moment, als eine dort auch wohnende Sexarbeiterin ihren Kunden bedient, den sie zuvor aus der Tischmädchen-Bar mitgebracht hatte.

Der Plot hat sein Vorbild in dem Fall von 2009, indem die Rumänische Sexarbeiterin Florentina Mihai (35) von Bogdan M. aka Cretu zur Zahlung von 3.000 Euro Schutzgeld erpresst worden war und auf der Linzer Straße angezündet wurde, nachdem sie von der Polizei nicht geschützt wurde trotz ihrer vorangegangenen Anzeige.

Über den Kunden in der Filmszene erfahren wir nichts weiteres, als dass wir seine Festname beim Geschlechtsverkehr gezeigt bekommen. Dennoch wird seine Verhaftung mit dem Sondereinsatzkommando martialisch inszeniert und genau diese Einstellung als eines der wenigen ausgewählten Vorschau- oder Promofotos für diesen Wien-Tatort in den üblichen Kampagnen-Medien verbreitet (Foto).

Der gezeigte Typ Prostitutionskunde, der von niedrigen Preisen profitiert (Sexworkerjargon: "Butterbrotfreier"), weil die migrantischen, illegalisierten Sexworker ausgebeutetet und prekarisiert sind, wird als Täter inszeniert (Freierkriminalisierung), obwohl er in der Film-Handlung gar keine Rolle mehr spielt. Ihm wird auch keine Tat nachgewiesen, sondern sie ist ihm bereits als selbstverständlich unterstellt, nach der fragwürdigen moralisch-prostitutionsfeindlichen Logik, es gibt die verabscheuenswürdige Armutsprostitution, also sind die Täter die nachfrageerzeugenden Prostitutionskunden.

Dass die Sexworker auch nachfragen (Geld), und sich die Kunden suchen um ihre Interessen zu verfolgen (Einkommenserzielung) wird ausgeblendet, indem man nur schwache junge weibliche Opfermigrantinnen wahrnimmt.

Was aber ist von diesem Täterbild zu halten, wenn schon das zugehörige Opferbild der sog. "Zwangsprostituierten" eine sehr umstrittene medial-aufgeblasene Konstruktion ist? - www.sexworker.at/migration - Eine Prostituierte wie im Film gezeigt steht als erstes unter Zwängen, weil sie vom Staat weder als legale Bürgerin noch als berechtigte Gewerbetreibende anerkannt wird und nicht die Rechte anderer Bürger und Sexworker hat. Alle anderen Ausbeutungselemente können als eine logische Folge dieser defizitären Rechtslage abgeleitet werden. Auch die Tatsache dass ihre Kunden entsprechend aus armen sozialen Schichten angelockt werden. Aber sind arme oder ausländische Menschen und Freier deshalb schon Täter, nur weil sie Sex billig einkaufen oder gar drum feilschen? Sind dann nicht alle Täter, die billige Schokolade, Geflügel, Jeans, Handies, Bücher, Lieferservice... kaufen!!!

Zwar macht die Kommissarin eine coole Aufklärungs-Lektion mit einem der Kunden und belehrt ihn, nachdem sie sich in Zivilkleidung als vermeintliche Sexarbeiterin hat anbaggern lassen, um das ganze Verhaltensrepertoir eines Freiers schonungslos bloszustellen, dass statt 30 Euro gerechterweise 150 Euro für Sex zu zahlen seien. Das ist zwar gut gemeint und ein filmisch nett inzeniertes Engagement für die Sache der Sexworker, aber gleichzeitig auch weltfremd, weil in Milieus wie dem gezeigten das zu zahlen wohl keiner bereit ist, und letztlich auch der Service den Preisen längst angepasst wurde.

Doch diese von Frauen geleitete Tatort-Produktion und ihre Vermarktung spielen sich hier als moralische Instanz auf, indem sie einer feministisch-schwedischen Freierkriminalisierung bildgewaltig das Wort reden.

Mit Hilfe einer anderern Filmstelle in der Tischmädchen-Bar läßt sich zeigen, dass die Realität von Sexwork komplexer oder ambivalenter ist. Dort setzt sich eine Sexarbeiterin neben einen potentiellen Kunden und legt ihren Arm um ihn. Sie will ihn unterhalten, sie kennt ihn möglicherweise als Stammgast der Bar, kennt ihn evt. als ihren Stammkunden, sie will ihn zum Sexdienstleistungskauf annimieren. Das ist sowohl eine selbstbewußte, kaufmännische Handlungsweise als auch gleichzeitig freundschaftlich-kollegiale Geste zwischen Menschen, die in diesem Milieu zu leben sich eingerichtet haben.

Darf eine Filmproduktion oder darf die Öffentlichkeit Gruppen von Sexarbeitern absprechen sich ihre Kunden selbst auszusuchen oder selbst zu entscheiden welche Kunden angenommen werden? Die Diskriminierung von Sexarbeit beginnt bereits da, wo ein abwertend-negatives Bild vom Kunden gezeichnet wird, z.B. indem mit drastischer Bildsprache unattraktive Männlichkeit oder ärmliche Lebensverhältnisse inszeniert werden. Dort wo Lebensweisenverurteilung an die Stelle von Lebensweisenakzeptanz getreten ist.

Doch hier liegt das grundsätzliche Mißverständnis bezüglich Prostitution, was zugleich den dauerhaften gesellschaftlichen Wertekonflikt mit ihr begründet. Bei der Prostitution treffen sich Menschen nämlich nicht notwendigerweise nach ästethischen Maßstäben, genausowenig wie das am Operationstisch oder der Krankenhausaufnahme eine Rolle spielt. Als Sexworker suchen wir uns nämlich nicht den schönsten, sondern den, mit dem sich ein Geschäft gut abwickeln läßt. Das ist zwischen den Geschlechtern im sexuellen Kontext zweifelsohne ein Konflikt für einen uninformiert, beobachtenden Außenstehenden, was dann die reflexartige Falschinterpretation nach sich zieht, Sexworker seien Opfer, als Kind mißbraucht, ohne Alternativen oder gezwungen... Dieses kollektiv-mediale Konzept der sog. Zwangsprostitution gilt es zu entlarven als das was es ist, eine reine Abwehrreaktion gegen die Unterschiedlichkeit oder Unverständlichkeit von Prostitution zu den internalisierten Mainstreamnormen und Wunschbildern von romantischer Liebe oder sexueller Begierde.

Solange die einzigartige Arbeit nicht gewürdigt werden kann, werden die Sexworker zu Außenseiten gemacht, d.h. diskriminiert. Damit ist der Betrachter oder Filmemacher der Täter! Aus gutmeinender Aufklärung und Unterhaltung wird Demagogie und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF).





Sammelthema "Zwangs-Freier-Kriminalisierung":
viewtopic.php?t=985

1. Hilfe bei Verbrennungsüberfall
viewtopic.php?p=81003#81003

Sexworker brauchen Lebensweisenakzeptanz und Rechte!
Den Rest machen Sexworker dann selbst. Solche Aufklärungsfilmchen re-stigmatisieren. Das ist das letzte was Sexworker gebrauchen können.
Dateianhänge
Quelle: SPON
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lust4fun
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RE: Tatort auf ARD

Beitrag von lust4fun »

Herzlichen Dank, Marc, für deinen Kommentar.
Er hilft mir sehr, meine Eindrücke beim Fernsehen zu sortieren.

Dein Blick auf die (fehlende) Lebensweisenakzeptanz und auf die Logik der "verabscheuungswürdigen Armutsprostitution", die über die Schiene der Freierkriminalsierung bzw. der drastisch negativen Freierdarstellung inszeniert wird - das ist wunderbar beschrieben.

Jetzt ist mir auch klar, warum mir im Nachhinein die Szene von der Sexarbeiterin in der Bar, die sich zu ihrem potentiellen Kunden setzt, am lebendigsten in Erinnerung bleibt: "Das ist sowohl eine selbstbewußte, kaufmännische Handlungsweise als auch gleichzeitig freundschaftlich-kollegiale Geste zwischen Menschen, die in diesem Milieu zu leben sich eingerichtet haben." Ob die Filmemacher sich dessen bewusst sind, wie stark diese kleine Szene ist? Der Kontrast zwischen der martialischen Inszenierung der Staatsgewalt und der Ahnung von selbstregulierender Lebenswelt...

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Marc of Frankfurt
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Die Realität ist komplex und nicht schwarz-weiß

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Krimi der mal eine andere behörden-kritische Sicht zeigt:


Die Geschworene
2007


ORF, NDR
mit Christiane Hörbiger in der Rolle der Hausfrau und Geschworenen Hanni Winter
Regie Filmemacher Nikolaus Leytner
Drehbuch von TV- und Filmautorin Susanne Freund
Produktionsfirma: Allegro Film
Erstausstrahlung: 8.7.2009 Quote: 4,62 Mio. Zuschauer (15,6% Marktanteil)

Nach dem Roman "Die Geschworene" von Katharina Zara, einer unter diesem Pseudonym publizierenden Wiener Rechtsanwältin

Schildert, angelehnt an einen authentischen Fall (welcher?), die Geschichte eines österreichischen Justizskandals der achtziger Jahre.


Bild
Hausfrau ermittelt auf einge Faust im Milieu


Ein Betreiber/Zuhälter wird verurteilt
Aber der Prozess war manipuliert und die Geschworenen nicht über ihre Rechte und alle Polizeierkenntnisse aufgeklärt
Zeugen wurden vermtl. mit Gewalt von der Polizei beeinflußt
Die Justiz scheint nicht genau hinschauen zu wollen
Es gibt eine kollektive Stimmung den Sexbiz-Unternehmer und Zuhälter als Täter wegzusperren

Doch nach dem Urteil kommen Zweifel auf
Die Geschworene macht sich auf gegen alle Widerstände von Mitgeschworenen, Richter, Medien, im Rotlichtmilieu, beim Verurteilten, seinen Eltern, ihren Nachbarn...
Sie wird zur streitbaren Aktivistin
Langsam dreht sich die Lage
Sie organisiert die Befreiung und Flucht des fälschlich Verurteilten.


www.3sat.de/page/?source=/specials/142733/index.html
DVD www.amazon.de/dp/B000XHESQM
www.imdb.com/title/tt0991102/

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Marc of Frankfurt
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Borgen - gefährliche Seilschaften

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Borgen 3. Forge - Episode 25: 'Thou Shalt Not Commit Adultery'


Auch bei der sehr spannend inszinierten Dänischen Serie "Borgen - Gefährliche Seilschaften" werden Sexworker und unser Beruf und Kampf um Anerkennung positiv dargestellt:


In Folge 25 der 3. Staffel -läuft gerade- geht es um Sexworker, um die politischen Diskurse pro und contra, die raffiniert und gut in die Handlung der Polit-Soap eingearbeitet wurden.

Die Heldin Birgitte Nyborg Christensen (Sidse Babett Knudsen) ehemalige Ministerpräsidentin und neue Parteigründerin, hört sich persönlich den Standpunkt der Sexworker an und tritt öffentlich für ein Gesetz für die Rechte Sexworker ein.

Bild
Anhörung der Sexarbeiterin (mitte)

Leider findet das Gesetz nicht die Unterstützung des amtierenden Regierungschefs.





SEXARBEITERINNEN
Die Befreiung dreier Zwangsprostituierter in Kopenhagen löst eine politische Kontroverse über den Handel mit dem Liebesakt aus. Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen. Doch Birgitte zögert und trotzt dem Widerstand ihrer Mitstreiter.

Nach der Rettung dreier rumänischer Mädchen aus einem Kopenhagener Keller, in dem sie zur Prostitution gezwungen worden waren, geht ein Aufschrei der Empörung durch das liberale Dänemark. Die Vertreter der Oppositionsparteien verbünden sich, um gemeinsam über einen Gesetzesvorschlag abzustimmen, der den Kauf von sexuellen Dienstleistungen verbieten soll. 'Die Neuen Demokraten' schließen sich der Gruppe zunächst an und es scheint, als hätten sie damit die einmalige Gelegenheit, ein Gesetz gegen die Regierung zu beschließen und Lars Hesselboe damit eine empfindliche Niederlage zu bereiten. Doch Birgitte bittet um Bedenkzeit, um nähere Nachforschungen anstellen zu können, wofür sie von den Medien und den anderen Oppositionsparteien hart kritisiert wird. Tatsächlich stehen kriminelle Machenschaften wie Frauenhandel und Zwangsprostitution schon längst unter Strafe und 'Die Neuen Demokraten' werfen die Frage auf, ob den Prostituierten wirklich geholfen wäre, wenn Freier strafrechtlich verfolgt und sie damit erneut als Opfer stigmatisiert würden. Haben sie nicht auch das Recht auf berufliche Anerkennung, wenn sie genau wie alle anderen Steuern zahlen müssen?. Nach einem Gespräch mit der Beauftragten einer Organisation, die sich für bessere Arbeitsbedingungen der sogenannten Sexarbeiterinnen einsetzt, müssen Birgitte und Katrine ihre Vorurteile revidieren und erkennen, dass sich über das Schicksal der betroffenen Frauen nur entscheiden lässt, wenn man ihnen auch Gehör schenkt. Zu einer öffentlichen Anhörung mit Experten zum Thema Prostitution sollen auch betroffene Frauen geladen werden, die den Beruf aus freien Stücken gewählt haben und für eine Anerkennung ihres Berufsstandes werben. Wird es Birgitte und ihrer Partei trotz heftigen Widerstands der anderen Parteien gelingen, legitime Rechte für Prostituierte zu erreichen? (Senderinfo)
www.tvtoday.de/programm/detail/?format= ... 1329&idx=1

Bei der Anhörung wird auch eine Opfer-Prostituierte präsentiert und es werden gefälschte Zahlen vom Hilfsprojekt vorgetragen. Der Sexarbeiterin wird falsches Bewußtsein und Stockholmsyndrom unterstellt. Sie fühlt sich nachher elend mißbraucht wie nie zuvor in der Sexarbeit.

Donnerstag, 17. Oktober um 21:00 Uhr (59 Min.)
www.arte.tv/guide/de/049279-005/borgen-25-30

www.de.wikipedia.org/wiki/Borgen_%E2%80 ... ilschaften





Kommentar von Dr. Belle de Jour of Bristol aka Brooke Magnanti

"While Birgitte in Borgen eventually came to realise that the politically expedient and consequence-free prostitution ban she envisioned was nothing of the sort and had to eat her words, I wonder whether her equivalents in British politics ever realise the same thing?"

"Sadly, the biggest fiction in Borgen was the bit when the politician found herself impressed and moved by the voices of sex work activists who feared their safety would be the true casualty of the proposed law. To date, frighteningly few people in power have been willing to listen to the stakeholders with the single biggest stake in this game: the most at risk, and those with the most to lose. "

www.telegraph.co.uk/women/sex/10487706/ ... r-sex.html


Kommentar von Dr. Laura Agustín of Malmö

"Borgen included a scene in which the non-sexworker experts on a Copenhagen panel discussion of prostitution interrupt and scoff at the sole sexworker participant, demonstrating how well-known the mechanism of disqualification has become. Refusal to believe in the consent of women who sell sex also contradicts widespread anti-rape campaigning that puts consent at the core of sexual relationships."
www.lauraagustin.com/what-does-the-fren ... of-consent
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 05.12.2013, 03:53, insgesamt 5-mal geändert.

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Positive Darstellung von Sexwork und Sexarbeiterinnen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Vergangener Tatort Kalter Engel vom MDR (Regie und Buch: Thomas Bohn) hatte eine Nebenhandlung Studentinnensexwork/Escortagentur, was positiv dargestellt wurde.

www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tato ... l-102.html






Nachtrag:

Dieser Tatort wurde ausgezeichnet mit dem diesjährigen Sauren Gurke Negativpreis für frauenfeindliche Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beim 36. Herbsttreffens der Medienfrauen von ARD, ZDF und ORF, das in diesem Jahr gemeinsam vom Deutschlandradio und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg organisiert wurde.

"Wir treffen auf Frauenrollen, die wir in 40 Jahren Tatort kennen und lieben gelernt haben: die Heilige, die Hure, die herrische Vorgesetzte und ein Mordopfer, das selbst schuld ist. ... Auch ein 'junger' Tatort kann ziemlich gestrig sein!"
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 10.11.2013, 23:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Seelenmassage für Deutsche Fernsehvolk

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Morgen zur besten Sendezeit kommt wieder ein Propaganda Doppelpack aus Krimi-Fiction und Polit-Talk:


1.) 20:15 ARD Schimanski: Loverboy
14jährige Mädchen werden vermißt,
Schimanski fahndet am Strich in der Vulkanstrasse und in Rotterdam
Buch: Jürgen Werner
Regie: Kaspar Heidelbach
http://programm.daserste.de/pages/progr ... CB5BA408FD

Mehr über Sexwork in Laufhäusern in Duisburg Vulkanstrasse
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=129757#129757
Sammelthema Mythos und Realität Loverboy
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4920



2.) dannach Günther Jauch Talk "Großbordell Deutschland – muss Prostitution verboten werden?"
u.a. mit Sexarbeiterin Lena vom Bundesverband
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136284#136284

und der Oberbürgermeisterin Charlotte Britz aus Saarbrücken, die bereits in der ZDF-Sendung Login eine bewußte Falschaussage verbreitet hat: "Möglichkeiten für Polizeikontrollen bestehen soweit mir bekannt nicht mehr"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136228#136228
Wir dokumentieren die Möglichkeiten der Polizeikontrollen im Razzia Blog und Dona Carmens Razzien Spiegel
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1062





Wir dürfen gespannt sein und wohl bis auf den St. Nimmerleinstag warten, bis die anderen politischen Themen so aufwendig medial aufbereitet werden...

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Perfekte Propaganda

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Der Krimi beleuchtet die extremsten Seiten der Milieukriminalität und Loverboy Masche. Einer der besten Deutschen Schauspieler mußte selbst nach Pensionierung nochmal ran, damit der Fernsehnation diese perfide Variante in der Prostitution glaubhaft erklärt werden kann. Diese Form der Kinderprostitution wird als das ultimative Argument der Prostitutionsgegner aufgebaut, um Gesetze gegen Prostitution, zur Prostitutionseindämmung und -kontrolle durchsetzen zu können. Der anschließende Politik-Talk bei Jauch soll das ganze dann als Realität in den Hirnen der Nation verankern.

Interessant war aber der Plot, der die Rolle der Mörderin ausgerechnet der Frau zugewiesen hat, die das Hilfsprojekt gegen Loverboys organisiert, weil sie selbst betroffene Mutter ist, der die eigene Tocher in der Phase ihrer Pupertät und ersten Liebe entglitten war. In einem Akt von Selbstjustiz hatte sie zuvor den Loverboy, Dealer und Zuhälter, der ihr die Tochter genommen hatte, gerächt und erschossen. Das aufzuklären waren Schimanskis Ex-Kollegen bei der Polizei beschäftigt, während Schimanski privat beauftragt eine andere Minderjährige suchen sollte.

Weil die Frau damit in einer extrem ambivalenten Rolle steckt, scheint es auch erlaubt, dass Schimanski als privat beauftragter Ermittler ein rechtsnormenverletzende Rolle im Drehbuch bekommt. Er deckt die Mörderin und läßt das Beweismittel, die Tatwaffe in der Schmelze des Stahlofen verschwinden. Er konnte den Mordfall noch vor der zuständigen Polizei durchschauen, weil er mit der Mörderin als Aktivistin einer Hilfsorganisations gegen Loverboys gemeinsam seine Auftragssuche nach der anderen in die Prostitution verführten Minderjährigen aufnimmt. Sie suchen gemeinsam in den schäbigen Bereichen der Rotlichtviertel von Duisburg und Rotterdam, wo die Mörderin auch ihrer Tochter wieder begegnet. Gleichzeitig ist das gesuchte Mädchen die Tochter einer Rotlichtgröße, der im Knast sitzt...

Weil die Charaktere hier so gut und auch widersprüchlich gezeigt werden, der Krimi gut gemacht und durchgängig spannend ist, ist das Thema der Loverboys um so platter und eindimensionaler, fast schulmeisterlich. Die pädagogische Massen-Indoktrination kommt also aufs raffinierteste verpackt daher.

Propaganda at its best.





2005 erschien eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel “Loverboys: The Media Construction of a New Crime”. Die Autoren weisen nach, wie der Begriff seit Ende der Neunziger eine steile Karriere in den holländischen Medien nimmt: Meldungen überbieten sich gegenseitig mit Opferzahlen, die sich aber stets nur auf Aussagen von Hilfsorganisationen und Betroffenen stützen. Verlässliche Statistiken seien nicht vorhanden. Die Autoren sprechen deswegen von einer “Moral Panic.” Auch das Phänomen, dass manche Zuhälter Mädchen mittels “romantischer Manipulation” in die Prostitution locken, sei Jahrhunderte alt. Das medial verbreitete Stereotyp, junger ausländische Männer, die noch jüngere holländische Mädchen in die Prostitution treiben, ist Wasser auf die Mühlen derer, die von gescheiterter Integrationspolitik und “Überfremdung” sprechen.

Loverboys: the Media Construction of a New Crime. Content Analysis of Dutch News Coverage (1995-2005)
Johannes Peter Burger, Leiden U, THE NETHERLANDS
Willem M. Koetsenruijter, U of Leiden, THE NETHERLANDS
http://citation.allacademic.com/meta/p_ ... index.html
http://citation.allacademic.com//meta/p ... 1861-1.php

Am 9.5.2010 wurde Maria Mosterd, angebliches Loverboy-Opfer, vom Fernsehjournalisten Peter R. de Vries des Betrugs überführt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=80541#80541

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Arum
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Re: Perfekte Propaganda

Beitrag von Arum »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:
Propaganda at its best.
Man fragt sich, wie die das schaffen... Ich meine, der Film ist ja schon vor Monaten gedreht worden, kommt aber daher, als hätte man ihn genau für diese Gelegenheit gemacht, wie eine beabsichtigte Erläuterung zum Schwarzer-Appell.. Da wird man schon fast paranoid, als ob man sich da unter einander abgesprochen hätte ...
Am 9.5.2010 wurde Maria Mosterd, angebliches Loverboy-Opfer, vom Fernsehjournalisten Peter R. de Vries des Betrugs überführt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=80541#80541
Ja, genau: seitdem ist bei uns die Loverboy-Hysterie fast komplett abgeflaut. Ja, fast als ob sich die Loverboys in Luft aufgelöst hätten.

Nachher hat's bei uns übrigens noch die Enttarnung als Lügnerin der Patricia Perquin gegeben. Sie war, als angebliche Ex-Wallen-Prostituierte, die offizielle Rotlichtberaterin der Stadt Amsterdam, hat auch Kolumnen für die städtische Tageszeitung Het Parool verfasst, und natürlich auch ein Buch veröffentlicht, voller Schreckensgeschichten der üblichen übelsten Sorte (Anscheinend, ich hab's ne gelesen). Es hat sich dann aber herausgestellt, die Frau sei eine pathologische Schwindlerin, die unter eigenem Namen (Valerie Lempereur) schon eine beachtliche Betrugskarriere hinter sich gebracht hatte und zu jener Zeit, als sie angeblich auf den Wallen arbeitete, tatsächlich in Antwerpen einen selbst gegründeten Verlag führte.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Marc of Frankfurt
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Re: Propaganda

Beitrag von Marc of Frankfurt »

der Film ist ja schon vor Monaten gedreht worden, kommt aber daher, als hätte man ihn genau für diese Gelegenheit gemacht, wie eine beabsichtigte Erläuterung zum Schwarzer-Appell.
Das ist für mich ein Beleg, mit welcher gut geölter Unterhaltungsproduktionsmaschine die Sendungen hergestellt werden, und welche politiknahe Administration in den Sendehäusern sitzt, so dass ein derartiges Timing aus deren Produktionskapazitäten möglich wird. (Haben nicht die Parteien und Kirchen den größen Vertretung-Anteil in den Medien-Räten?)

Dass sie in der Politik-Talksendung einen Einspieler aus einem Krimi verwenden um die Diskussion anzustacheln oder gar zu belegen, dass sollte uns alle als Indiz und Warnung dienen was schief läuft und was noch für Gefahren drohen...





Danke für die Erinnerung an den Fall Patricia Perquin aka Valerie Lempereur in Amsterdam.

:009 Liste von enttarnten Prostitutions-Lügen :009
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=96534#96534

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Veröffentlichte Meinungen der Printmedien

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Pressenachlese

zu einem Thema was die Prostitutionsgegner mit diesen Worten transportiert wissen wollen: "Loverboys verraten Seelen und verhökern Körper".




http://www.sueddeutsche.de/medien/schim ... -1.1814038

Die Geschichte wird vom routinierten Regisseur Kaspar Heidelbach eher konventionell runtererzählt, das Motiv der großäugigen und verschleppten Kindfrau scheint sehr überstrapaziert im deutschen Kriminalfilm.


http://www.zeit.de/kultur/film/2013-11/ ... i-duisburg

Trüge die Hölle bürgerlicher Verlustängste einen Ortsnamen – es wäre wohl Duisburg.

In der Folge Loverboy ging es also nur augenscheinlich um Zuhälter, die junge Mädchen mit falschem Charme und vermeintlicher Zuneigung Richtung Prostitution locken. Sondern darum, den Exbullen Schimmi als alternden Privatdetektiv auf seine nahende Überflüssigkeit vorzubereiten.
Die ARD gibt sich also selbstreferenziell, indem sie unablässig die Berührungsängste ihres Stammpublikums mit der Gegenwart thematisiert. Schimmis Welt, das sind auch 2013 noch immer die zweiradmotorisierten Kuttenrocker, auch wenn er ihnen heutzutage nicht mehr stets aufs Mett haut, sondern hilft, die uneheliche Tochter aus den Klauen süßer Zuhälter zu holen.


http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... sehen.html

Schimanski versuchte dem Opfer, Vernunft und Moral beizubiegen, aber auch das gelingt nicht. Ein gut 70-jähriger Mann, der Scheiße sagt, eignet sich wohl nicht ganz so gut als Moralprediger.

Jessica indes will nicht von ihrer Liebe lassen und flüchtet wieder. Das ist ein bisschen zweifelhaft, denn erstens war sie da schon misstrauisch, weil Nils manchmal so brutal und gar nicht zärtlich ist. Und zweitens eignet sich der ölige Nils so sehr zum Verführer wie die Kuh zum Eierlegen. Aber da müssen wir durch, sonst käme Schimanski nie nach Amsterdam. Dorthin entführt der Ölige die Gangstertochter. Das ist die schlimmste Zeit des Films, der kein ganz gutes Ende nimmt.


http://www.focus.de/kultur/kino_tv/focu ... 52061.html

ein Krimi-Märchen ... Aber so schön, dass die Versuchung groß ist, es zu glauben.

„Loverboy“ heißt der Krimi, der später noch „Günther Jauch“ sein Quasselthema liefern wird.

Dass die Mutter, die Schimanski bei der Suche hilft, ihre ins Milieu abgedriftete Tochter rein zufällig in Rotterdam an der Pufftür trifft? Geschenkt. Dass der leibliche Vater, der Schimanski sein Mädchen suchen lässt, selbst Zuhälter war? Naja.

Und am Ende schreibt er seiner Frau schwarz auf weiß „Ich liebe dich“ auf die neuen Polstermöbel. Sie findet das gut. Märchen eben.


http://www.freitag.de/autoren/mdell/gut-gut-gut-gut

Schimanski Der Titelheld (Götz George) ist immerhin nicht der einzige Zombie, der sich durch das Bauerntheater namens "Loverboy" schnauft. Die jungen Zwangsprostituierten halten mit.

Selbstreferentialität - Aufmerksame Zuschauer haben spätestens hier realisiert, dass wir im 1A-Bauerntheater sind.

Anna Loosens sitzt als engagierte Mutter im Auto vor einem verdächtigen Spot in Rotterdam – an dem, damit Oma Krause, die es an den Augen hat, das mitbekommt, viermal groß "Sex" steht, weil das bei Undergroundpuffs ja so üblich ist, man muss am Markt präsent sein, Werbung ist alles – und guckt natürlich ganz angestrengt weg, damit sie dann überrascht aufschauen kann, wenn die eigene Tochter paralysiert vorgeführt wird. Aaaarrrgh! Man sollte Kaspar Heidelbach alle in Deutschland verfügbaren Regie-Auszeichnungen zukommen lassen, das ist wirklich die ganz feine Klinge. Alternativ könnte man sich auch für .. den Gesichtsausdruck des Mädchens beim unfreiwilligen Analverkehr – das ist, zumal zur Prime Time, noch nie so einfühlsam und subtil dargestellt worden.

Das "Thema" ist sehr gut herausgearbeitet, würde der Deutschlehrer unter den Erörterungsaufsatz schreiben. Es geht also um Loverboys, die Mädchen abhängig machen mit Liebe, um sie dann auf den Strich zu schicken. Wissenswerte Statistiken können eingesprochen werden: "Hier im Ruhrgebiet wächst die Loverboyszene ständig." Weil aus irgendwelchen Gründen nicht gezeigt werden kann, wie das ist, wenn ein Mädchen sich in einen älteren Mann hoffnungslos verliebt, wenn Gefühle am Start sind, die manipuliert werden können, müssen die Girlz die ganze Zeit wie Zombies durch den Film laufen, am Ende aber doch nicht nach Hause können.





Einschaltquoten

8,21 Millionen = 22,1% Marktanteil - Schimanski: Loverboy

5,01 Millionen = 16,5% Marktanteil - Günther Jauch

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Betrug & Ehrungen im Film-Biz

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fernseh Tratsch

Nachwuchsschauspielerin Emilia Schüle 20, die 2012 das Wegwerfmädchen im gleichnamigen Tatort gespielt hatte, wurde jetzt im wirklichen Leben beinahe Opfer eines Betrügers in der Filmbranche, der mit ihr einen Film drehen wollte. Hochstapler, Möchtegern-Regisseur und Stalker Agnip Basu 24 Jahre versprach ihr eine Hauptrolle in einer 50 Millionen Produktion mit Brad Pitt und versuchte später sie zu gewinnen mit dem Versprechen ihr ein Pferd für 75.000 Euro zu schenken...

http://www.bild.de/unterhaltung/tv/tato ... .bild.html
http://www.focus.de/kultur/kino_tv/emil ... 19722.html





Bambi - Fernsehpreis der Hubert Burda Media, Offenburg:

Schauspielerin Nadja Uhl (2012 in Operation Zucker) bekam den Bambi in der Kategorie "Beste Schauspielerin".

Die Schauspieler der "Tatort"-Krimireihe und ihr "Chef": Der "Tatort"-Erfinder Gunther Witte erhielt den "Ehrenpreis der Jury".

http://de.wikipedia.org/wiki/Bambi_%28Auszeichnung%29

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Sexwork Wirtschaftsbild in der Fernsehunterhaltung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Serien und TV-Filme sind für die Meinungsbildung und Entstehung von Vorurteilen durch Stereotypisierungen ebenso wichtig sind wie Nachrichten und Magazine."



Quelle:
Pilotstudie „Wirtschaftsbilder in der Fernsehunterhaltung – Eine Analyse der Langzeitreihen deutscher Fiction: ‚Tatort‘ und ‚Gute Zeiten, schlechte Zeiten‘ “

Zusammenhänge zwischen Fernsehunterhaltung, Inszenierung von Wirtschaft und Wertevermittlung wurden untersucht.

Gerne greift der Tatort Skandale auf und nimmt eine kritisch-investigative Position zu Missständen ein.

70 "Tatort"-Folgen aus den vergangenen 10 Jahren analysiert.

Nur in jeder 5. ausgewerteten Episode (20%) geht es um Wirtschaftsthemen - und wenn, dann meist eher als Nebenthema.

140 Unternehmen fanden die Auswerter, die Branchen sind von Gastronomie über den Bau bis zu Finanzunternehmen breit gestreut.

Vor Konzernen schrecken die "Tatort"-Macher eher zurück, gezeigt werden gern Kleinbetriebe.

Geht es um das Personalwesen in den Unternehmen, fallen am ehesten Schlagwörter wie Intrige, Lohn-Dumping oder Mitarbeitermanipulation.

Klassische Wirtschaftskriminalität taucht als Handlungsstrang kaum auf. Nur gelegentlich wird unterschlagen, bestochen oder korrumpiert.

In der Darstellung der Wirtschaftselite wird hingegen gern in die Klischeekiste gegriffen: Anzug, Schlips, Luxuswagen, Nobelapartment.





Analyse vom Forschungs- und Kompetenzzentrum Audiovisuelle Produktion der Hamburg Media School (HMS) unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Castendyk und von IFEM Institut für empirische Medienforschung (Köln) unter der Leitung von Dr. Udo Michael Krüger im Auftrag des Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft durchgeführt.

Die Studie verknüpft eine quantitative Inhaltsanalyse (hier steht wie das geht) mit einer qualitativen Fallanalyse und Interviews mit Produzenten und Wirtschaftsexperten.

erscheint am 23. Oktober im Tectumverlag 34,95€.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-117180388.html

http://www.hamburgmediaschool.com/kommunikation/




Sexarbeit als Beruf oder Branche wurde vmtl. in der Studie nichteinmal erwähnt?
Ob das Thema Sexwork bei GZSZ vorkommt?

Beim Tatort haben wir es hier im Thema selbst analysiert. Als tatortfüllendes Hauptthema kommen nur Menschenhandel und Zwangsprostitution vor. Selbstbestimmte Sexworker erleben wir nur als Nebenhandlungen...

Nachtrag: Hier jetzt die Zusammenfassung der Studie...
Dateianhänge
Studie Wirtschaftsbilder_Zusammenfassung kommentiert.pdf
Studie Wirtschaftsbilder in der Fernsehunterhaltung - Was wir über Sexwork und Medienarbeit daraus lernen können
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 03.01.2014, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bechdel Test for Women in Movies

seit 1985



- Kamen darin mindestens 2 Frauen vor?
- Hatten sie Namen?
- Und haben sie miteinander über etwas anderes als Männer gesprochen?


Dann hat dieser Film den Bechdel-Test bestanden. Tatsächlich erfüllen nur wenige Filme diese drei einfachen Kriterien, die prüfen, ob Frauen als ernstzunehmende Charaktere auftauchen!

www.en.wikipedia.org/wiki/Bechdel_test


The Oscars and The Bechdel Test
www.youtube.com/watch?v=PH8JuizIXw8



Sowas sollte es auch für Sexworker für Sexwork geben.

Bei "Sexworker & Filme" ist ein schöner Indischer Film-Clip verlinkt, der ironisch zeigt wie schlecht Sexworker in Bollywood-Produktionen dargestellt werden (famme fatal cliche etc).

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=54956#54956
(in www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=737 )

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ich konnte eine Zusammenfassung der "Tatort-Studie" bekommen. Sie ist recht aufschlußreich was deren und auch unsere Medienarbeit betrifft.

Das was wir Stigma, Tabu und Kriminalisierung bezeichnen, wird in der Studie "soziale Distanz" genannt und als Ursache für klischeehafte Darstellung erkannt.

Dass falsch "verdichtete Realitätselemente" eine verzerrende Realitätsverfälschung bedeuten können wird in der Zusammenfassung der Studie nicht ausgesprochen, ist aus unserer Sicht aber für Prostitution kennzeichnent und zwar aus den von mir beschriebenen Gründen des sog. "Sittengesetzes", was man schwerlich irgendwo nachlesen kann (Ausn. Katechismus), was aber durch Tatortsendungen mitgeschrieben wird.

Sexarbeit wurde in der Studie nicht explizit untersucht und quantitativ nur als "Prostitutionskriminalität" oder Sex kodiert, eine tragisch-einseitige Engführung wie ich finde.

Den Auftraggebern ging es vielmehr um das Bild wie Konzerne medial dargestellt werden. Auch wieder typisch, oder?


www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1369 PDF
(Ergänzt hochgeladen beim Posting weiter oben).

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Arum
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Beitrag von Arum »

Heute Abend ist es mal wieder so weit: Jetzt hat auch der Münchener Tatort die rumänische Armutsprostitution für sich entdeckt. Und dafür sogar als Thema des Jubiläums-Tatort, damit die Herren Batic und Leytmayr um so definitiver als Saubermänner geehrt werden können.


ARD-Sonntagskrimi: Der Münchner Jubiläums-"Tatort" im Schnellcheck

Von Christian Buß

ARD-Sonntagskrimi: Der neue "Tatort" im SchnellcheckFotos
BR/ Regina Recht
Alles sauber in München? Eher nicht. Zum 25. Dienstjubiläum lernen die "Tatort"-Kommissare Batic und Leitmayr, wie es osteuropäischen Prostituierten in ihrer Heimatstadt ergehen kann.


'Kann' ist gut.

Wie es vielleicht auch sein könnte, wird irgendwie nie vom Tatort thematisiert, und wenn überhaupt, dann betrifft es blonde Germaninnen, wie vor einiger Zeit im Kieler Tatort der Fall.


Das Szenario:

Der Mord an einer rumänischen Prostituierten konfrontiert Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) mit der neuen Realität im Münchner Rotlichtmilieu: Während die alten Bosse ihre Laufhäuser inzwischen als Immobilienmanager verwalten, lenken Zuhälter von Bukarest aus die jungen Frauen per Computer durch Europa. Eine zweite Prostituierte konnte sich dem Zugriff der Zuhälter entziehen - die müssen Batic und Leitmayr nun finden, um den Fall aufzuklären.

Die brutalste Szene:

Die Massenvergewaltigung einer jungen Prostituierten durch eine Horde besoffener Studenten.

Der gesellschaftspolitische Auftrag:

Alles sauber in München? Wie Batic und Leitmayr bei ihren Ermittlungen erfahren, geht dort alles seinen behördlichen Gang: Junge Prostituierte aus den EU-Staaten Osteuropas werden registriert und beraten - und dann als "freie Unternehmerinnen" in den Raubtierrotlichtkapitalismus geschickt.


Ach, mehr ist da nicht? Kein Medien- oder Politwirbel irgendwie je da gewesen?


Der grausamste Satz:

"Dann geht es auf Europa-Tournee. Zehn Jahre lang, jeden Tag ficken". Kommissar Batic über das Leben der jungen Rumäninnen, nachdem sie in München ins Geschäft eingeführt worden sind.

Der grausamste Song:

"Murder Me Rachael". Das Stück der New Yorker Aggro-Melancholiker The National, zu finden auf dem Album "Sad Songs for Dirty Lovers" von 2003, erklingt hier prominent am Anfang und am Ende. So sehr uns die unkonventionelle Soundtrackauswahl gefällt - sie führt zu einer zweifelhaften Emotionalisierung. Dass die rumänische Prostituierte zum National-Song auf den Rachefeldzug gegen ihre Peiniger geht, ist eher ein Traum mittelalter, indierockgeschulter deutscher Filmemacher.

Der Plausibilitätsfaktor:

Nicht allzu hoch. Zwar werden klug die Widersprüche im politischen Umgang mit der Prostitution aufgezeigt - die traurige Geschichte der Rumänin auf der Flucht aber ist wirr inszeniert.

Die Bewertung:

5 von 10 Punkten. Trotz Patzer im Plot: Nemec und Wachtveitl als Batic und Leitmayr kämpfen sich zum 25. Dienstjubiläum aufrecht auch durch diesen Fall.


http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort- ... 84792.html
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Einziger 'positiv' deutlicher Fakt:
Morgens polizeiliche Registrierung und Beratung - abends trotzdem Tod.

Soviel Tatort-medienoffiziell zum Schutz ....

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fraences
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RE: Tatort auf ARD

Beitrag von fraences »

Tatortsicherung zum Münchner „Tatort“

Tausende Rumäninnen in München?
Ein eigentlich abgeschlossener Fall sorgt für mächtig Wirbel im Münchner„Tatort“. Hier werden Opfer zu Tätern und umgekehrt. Wie realistisch wird das Rotlichtmilieu dabei dargestellt?
von Anne Heigel


Die Ermittlungen führen in den Münchner Nachtclub „3001“, in dem viele Prostituierte aus Rumänien beschäftigt sind.


Eine Leiche, ein Tatverdächtiger und ein Gericht, das den Angeklagten wegen eindeutiger Beweise für schuldig spricht: Für Kommissare sollte solch eine Sachlage eigentlich mehr als zufriedenstellend sein. Es sei denn, die Auflösung erscheint zu glatt. Dieses Gefühl plagt Kommissar Batic (Miroslav Nemec) und veranlasst ihn, die ganze Sache neu aufzurollen. Die wiederaufgenommenen Ermittlungen bestätigen seine Zweifel.

Im neuen Münchner „Tatort“, einer Art Jubiläumsfolge, ermitteln die Kommissare Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl) in der Münchner Prostituierten-Szene. Genauer: in der Szene der rumänischen Prostituierten. Sie ist im Fernsehen ungeahnt ausgeprägt, bis zu dreitausend Rumäninnen sollen jährlich am Münchner Hauptbahnhof ankommen. Aber stimmen diese Zahlen - und wie ist die Szene organisiert? Wir haben nachgefragt.

Frage 1: Angeblich kommen jährlich zwei- bis dreitausend Prostituierte aus Rumänien nach München, um dort für ein paar Wochen zu bleiben und Geld zu verdienen. Stimmt dieser Zahl?


Antwort von Kriminalhauptkommissar Werner Kraus (Pressestelle des Münchner Polzieipräsidiums, früher Ermittler im Rotlichtmilieu):

Die Zahl ist der Wahnsinn. Als Hintergrund: Neben den registrierten Prostituierten gibt es natürlich auch immer einen kleinen illegalen Bereich, aber dazu gehören in der Regel nicht sehr viele. Im Jahr 2015 gab es circa 2700 Prostituierte, die insgesamt hier in München gearbeitet haben, also mit allen möglichen Staatsangehörigkeiten. Der Anteil der Rumäninnen war mit 900 Prostituierten im Jahr 2015 am höchsten. An zweiter Stelle kommen die deutschen Prostituierten, 400 im letzten Jahr. Aus Ungarn kamen zur selben Zeit circa 370.

***

Frage 2: Das Prozedere bei neu ankommenden Prostituierten sei „das Übliche“, heißt es im Film: Mietvertrag, Bankanmeldung, Aidstest, Beratungsgespräch und die Meldung bei der Polizei. Stimmt das so?


Antwort von Kriminalhauptkommissar Werner Kraus:

Also zu einem Aidstest gibt es momentan keine Vorschriften, die gab es früher einmal. In München gibt es die Regelung, dass Prostituierte, die neu ankommen, zur „Sitte“ gehen, also zum Kommissariat 35, das für die Bekämpfung der Rotlichtkriminalität zuständig ist, um sich dort anzumelden. Das ist aber auch kein Muss, sondern lediglich eine Vereinfachung für die Betreiber von Bordellbetrieben. Wenn eine unregistrierte Dame in einem Club oder ähnlichem angetroffen wird, müssen ihre Personalien aufgenommen werden, es wird mit ihr gesprochen, dann muss eventuell ein Dolmetscher geholt werden, all das stört den Geschäftsablauf erheblich. Deswegen sind die Bordell-Betreiber selbst daran interessiert, dass ihre Damen selbst zur Personalienerhebung zur „Sitte“ gehen. Dort werden sie auch darüber aufgeklärt, was in München erlaubt ist, was der Sperrbezirk ist, dass man sich bei der Steuer anmelden muss und so weiter. All diese Hinweise gibt es auf der Dienststelle.

***

Frage 3: Harry (Robert Palfrader) ist im Münchner „Tatort“ ein Vermittler, der die Prostituierten nur an Kunden vermittelt, die Prostituierten hätten aber noch eigene Manager, heißt es. Entspricht das der Realität?

Antwort von Kriminalhauptkommissar Werner Kraus:

Der Begriff „Manager“ ist jetzt nicht unbedingt normal. Im Endeffekt sind das einfach die Zuhälter der jeweiligen Damen, das ist der Polizeijargon dazu. Wenn eine Dame der Prostitution nachgeht, und dahinter jemand steht, der das Geld einkassiert, dann ist das der Zuhälter und nichts anderes. „Manager“ wäre ein neusprachlicher Umgang, der das ganze ein bisschen beschönigt. Natürlich sprechen die Damen selbst nicht unbedingt von einem Zuhälter, sondern sie sprechen von einem Freund oder ihrem Mann, oder sagen eben gar nichts dazu. Diese Personen sitzen meistens in Rumänien und vermitteln die Damen nach Deutschland. Wenn die entsprechende Dame in einem Bordellbetrieb arbeitet, regelt diese Person auch die Kundenzuführung. Der Betreiber eines Etablissements stellt in der Regel nur die Räumlichkeiten zur Verfügung.

***

Frage 4: Die Putzfrau erstickt im Münchner „Tatort“ an einem Handkantenschlag gegen den Kehlkopf. Es heißt, so etwas könne durch unglückliche Umstände zum Tod führen. Stimmt das?


Antwort von Prof. Dr. Oliver Peschel (Oberarzt am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München):

Schläge gegen den Kehlkopf können tödlich sein, allerdings nur selten im Sinne dessen, was üblicherweise als Ersticken bezeichnet wird. Hier können auch vaskuläre und reflektorische Mechanismen ebenso wie ein stumpfes Trauma mit Folgen einer Blutung oder eines Ödems (Schwellung) zum Tragen kommen.


http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m ... ml#GEPC;s2
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
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Beitrag von SwissCat »

Besten Dank für diese interessanten Hintergrundinformationen

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Tilopa
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RE: Tatort auf ARD

Beitrag von Tilopa »

Der heutige Tatort wird inhaltlich offenbar mal wieder so richtig mies: "...osteuropäische Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden... Ein Oberlude, der im Waschbärfellmantel rumrennt... die Tschetschenen kriegen auch noch ordentlich was ab..." :011

http://www.welt.de/kultur/medien/articl ... henen.html