Mitteldeutsche Zeitung: Urteil zu Flatrate-Bordellen
Hurenorganisation Hydra fordert Anerkennung der Prostitution als berufliche Tätigkeit
Halle (ots) - Die Hurenorganisation Hydra fordert, dass Prostitution endlich als berufliche Tätigkeit anerkannt wird. "Wir brauchen klare Arbeits-, Hygiene- und Preisstandards wie in jedem anderen Beruf auch", sagte eine Hydra-Mitarbeiterin der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Samstagausgabe). Dazu solle die
Zuständigkeit für das Prostitutionsgesetz vom Ministerium für Frauen ins Arbeitsministerium übergehen.
Damit reagiert die 30 Jahre alte Organisation auf die unwürdigen [?] Bedingungen für Frauen in sogenannten Flatrate-Bordellen wie den Pussy Clubs, deren Betreiberin jetzt wegen Betrugs verurteilt wurde [Betrug am Sozialstaat nicht an den MitarbeiterInnen. Anm.].
Noch seien solche Flatrate-Angebote Einzelfälle, meint Hydra. Aber weil der Konkurrenzdruck immer größer Wettbewerb immer härter werde, werde es auch immer mehr Billigangebote geben. So würden jetzt schon
Rabatte für Hartz-IV-Empfänger angeboten. In der Folge entstehe bei den Kunden der Eindruck, dass Sex quasi nichts koste. Das habe etwa auch zur Folge, dass immer mehr
Kunden Sex ohne Kondom fordern.
Pressekontakt:
Mitteldeutsche Zeitung
Hartmut Augustin
Telefon: 0345 565 4200
http://www.presseportal.de/pm/47409/165 ... he_zeitung
Mein Kommentar:
Entweder hat die Mitteldeutsche Zeitung nicht richtig mitgeschrieben oder die Argumentation ist verkürzt.
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MZ-Web: Hurenorganisation Hydra
Sterne für die Bordell-Qualität
23.07.10
HALLE/MZ. Über die Arbeitsbedingungen von Huren in Deutschland sprach Hajo Krämer mit der Mitarbeiterin der seit 30 Jahre bestehenden Hurenorganisation "Hydra", Simone Kellerhoff.
Simone Kellerhoff ist Mitarbeiterin der Hurenorganisation «Hydra». (FOTO: HYDRA)
Sind Flatrate-Bordelle wie die "Pussy-Clubs" Einzelfälle?
Kellerhoff: Ja, noch.
Wieso noch?
Kellerhoff: Weil der Konkurrenzdruck immer größer wird. Es ist der Wettbewerb, der härter wird, so wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch. Es wird die großen, gut laufenden Bordelle immer geben, aber auch immer mehr minderwertige Angebote.
Was bedeutet das für die Frauen, die dort arbeiten?
Kellerhoff: Das hat dramatische Konsequenzen. Wenn alles immer billiger wird und schon mit Hartz-IV-Rabatten geworben wird, dann setzt sich in den Köpfen der Kunden der Eindruck fest, dass Sex quasi nichts kostet. Das hat zum Beispiel bereits zur Folge, dass immer mehr Kunden Sex ohne Kondom fordern. Letztlich bekommen sie es.
In den "Pussy-Clubs" sollen viele Frauen aus Osteuropa gearbeitet haben, und oft besteht der Verdacht des Menschenhandels.
Kellerhoff: Um das mal klarzustellen - Menschenhandel beginnt schon, wenn ein Bordellbetreiber Frauen zwischen 18 und 21 Jahren bei sich arbeiten lässt. Selbst wenn das die Frauen freiwillig machen, ist der Tatbestand des Menschenhandels erfüllt. Seit die Grenzen zu den neuen Beitrittsländern wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn offen sind, kommen von dort Prostituierte zumeist freiwillig nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Sie nutzen dazu die vorhandene Infrastruktur, dazu gehören bei weitem nicht immer Schleuser. Da diese Frauen oft aus prekären Verhältnissen stammen, sind selbst schlechte Arbeitsbedingungen in Deutschland mitunter erst mal eine Verbesserung für sie. Aber weil sie sich mit den juristischen Bedingungen nicht auskennen oder an die Falschen geraten, kommen sie schnell in Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse.
Was fordern Sie, um die Arbeitsverhältnisse von Prostituierten insgesamt zu verbessern?
Kellerhoff: Das Prostitutionsgesetz ist beim Ministerium für Frauen verortet. Da geht es um Sittenwidrigkeit, soziale Absicherung und die starke Vermischung mit anderen Themen wie Gewalt und Menschenhandel. Die meisten Frauen entscheiden sich aber selbstbestimmt für Prostitution und brauchen eine arbeitsrechtliche Absicherung.
Wir wollen deshalb, dass das
- Prostitutionsgesetz beim Arbeitsministerium verortet und dass
- Prostitution endlich als berufliche Tätigkeit anerkannt wird. Dann würden wir
- klare Arbeits-, Hygiene- und Preisstandards bekommen wie in jedem anderen Beruf auch. Und es gäbe die
- Möglichkeit, Arbeitsverträge abzuschließen. Wir könnten eine
- Berufsgenossenschaft gründen und an Bordelle
- Sterne für Qualität vergeben, wie es das bei Hotels gibt. Die meisten Kunden möchten ja schließlich politisch korrekt bedient werden.
http://www.mz-web.de/servlet/ContentSer ... 7474023240
Mein Kommentar
Der Fall Pussy Club ist und war ein sehr heißes ideologisches Kampfthema gegen Prostitution und die geduldeten Arbeitsformen in der Sexarbeit, weil es damals eine bisher nicht dagewesene nationale Hetze mit bundesweiten Großrazzien gegen die vier kleinen Flatrate-Clubs gab, die schließlich in einem international beachteten Menschenhandels-Prozess mündete.
In diesem Mamutverfahren wurde dann gegen eine junge ausländisch-stämmige Geschäftsführerin und ihre mutmaßlichen Helfer in den Pussy Clubs geurteilt und es ging wohl letztlich um die Durchsetzung höherer Steuer- und Sozialabgabenpflichten für Prostitutonsbetriebe, weil erstmals auf abhängige Angestelltenarbeitsverhältnisse statt wie bisher stets üblich Vermietungsgewerbe an selbstständige Dienstleister abgestellt wurde.
Bei einem solchen hochbrisanten tagespolitischen Anlass wie der epochalen Urteilsverkündung von m.E. nicht minderer Bedeutung wie damals das Urteil zum Café Pssst in Berlin, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, jetzt mit Hotelsternchen und Ministerzuständigkeiten zu argumentieren finde ich ziemlich am Thema vorbei und vertritt die Gewerkschaftsinteressen der Gemeinschaft aller Sexworker nur unzureichend.
Viel brisanter ist doch die gescheiterte Anklage und mediale Vorverurteilung Menschenhandel, die einmalmehr einen prostitutionsfeindlichen Mythos entlarvt, ebenso wie die Tatsache, dass jetzt versucht wird nach all der staatlich-öffentlichen Überreaktion das Urteil eher wie eine nebensächliche, regionale Entscheidung zu behandeln.
Ich denke man könnte genauso darüber nachdenken, ob nicht vielmehr eine Entschuldigung bei den eingesperrten, arbeitslos gewordenen und ausgewiesenen Sexarbeiterinnen und dem Berufsstand und Standesvertretungen der Sexworker insgesamt angemessen und einzufordern wäre ...
Homepage Hydra e.V.
www.hydra-berlin.de
Ich bin gespannt wann dort eine Information oder Presseerklärung zum Urteil auftaucht.