Antworten auf EMMA bzw. ALICE SCHWARZER

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Paula
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Antworten auf EMMA bzw. ALICE SCHWARZER

#1

Beitrag von Paula »

EMMA

Eine kritische Auseinandersetzung mit Alice Schwarzers
Dossier über die Prostitution in EMMA
von der jungen Prostituierten
PAULA
Über Prostitution diskutiert man am liebsten ohne die Prostituierten. Das hat für beide Seiten, die öffentlich Unbefleckten und die Damen des Gewerbes, denselben Vorteil: Es ist bequem.

Meiner Seite, den Prostituierten, kommt diese Bequemlichkeit nun teuer zu stehen. Auf unserem Schweigen ist nicht unsere Akzeptanz gewachsen, sondern unser Missverständnis. EMMA, „die Zeitschrift von Frauen für Menschen“, feiert ihren 30. Geburtstag mit einem Prostitutionsdossier, das nicht nur methodisch blamabel und inhaltlich falsch ist, sondern auch mich, als eine Prostitutierte von vielen, persönlich beleidigt.
Das Dossier ist geschickt in der medial vielbeachteten Geburtstagsausgabe platziert. Prostitution und ihre politische Behandlung sind EMMA einer der letzten großen Dornen im Auge. Alice Schwarzer verkündete, als Altersgeschenk Deutschland die Abschaffung der Prostitution schenken zu wollen. Zwischen prominenten Glückwünschen aller journalistischen und politischen Ränge und Namen, mitten in die Takte der Festmusik und die euphorischen Rückblicke auf das bereits Erreichte setzt EMMA eine laute Wehklage auf die Vergewaltigung der Weiblichkeit in der Prostitution.

Inhaltliche Grundlage für den ersten Artikel des als zweiteilig angekündigten Dossiers ist der Besuch von Alice Schwarzer und Bettina Flitner bei der Berliner Domina Ellen Templin. Diese Frau sagt: “Eine Frau, die sich prostituiert, hatte schon vorher eine zerstörte Seele.“ Und EMMA nickt beifällig, indem sie dieses Zitat noch einmal fett zwischen die Zeilen setzt.

Neun Seiten später zerrt EMMA mit Suggestivfragen und übereifriger Interpretation aus einem Interview mit dem Hamburger Hauptkommissar Detlef Ubben die Aussage heraus, es gebe keinen Unterschied zwischen einer „Prostituierten“ und einer „Zwangsprostiuierten“. Gezwungen seien wir alle. Wenn ich mich nicht so fühle, täusche ich mich.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass sich EMMA mit ihrer Prostitutionsdarstellung sowohl handwerklich als auch inhaltlich disqualifiziert hat.

Der ideologische Eifer der EMMA muss die Realität zensieren und Scheuklappen entwickeln, weil die Wirklichkeit ihre theoretische Haltung nicht stützen kann.

Es genügt nicht, eine einzige prostitutionserfahrene Frau zu interviewen, noch dazu aus dem ausschließlich dominanten Bereich (www. Studio-weiß.de), um deren Äußerung dann wiederzugeben als die gleich zweifach unzulässige Verallgemeinerung, EMMA habe zugehört, „was die Frauen in der Prostitution selbst zu sagen haben.“ Und es ist unsauber, die differenzierten Antworten eines Hauptkommissars so aufzubereiten und mit solchen Überschriften zu präsentieren, dass der Interviewte mutwillig verplättet wird. Von einer Reflexion über den Erfahrungshintergrund des Mannes ganz zu schwiegen. Hamburg ist im nationalen Vergleich bezogen auf die Prostitution ein ausgesprochenes Problemgebiet, dessen Situation sich nicht auf andere deutsche Städte übertragen lässt. Darüberhinaus kommt die polizeiliche Arbeit nur dort mit der Prostitution in Berührung, wo diese Probleme hat. Hier begeht auch Herr Ubben den Fehler, von dem ihm zugänglichen Ausschnitt auf die gesamte Prostitution zu schließen.

EMMA stört das wenig. Sie zitiert ihn: „95% aller Prostituierten in Deutschland sind Zwangsprostiuierte.“ Das ist falsch. Ich warte nicht mit neuen Zahlen auf, weil auch ich nur einen Ausschnitt der Prostitution kenne. Aber auch danach kann ich sagen, dass die Einschätzung von 95% zu hoch gegriffen ist. Überdies ist der inflationäre Gebrauch des Begriffes „Zwangsprostitution“ kontraproduktiv. Indem die freiwillige Prostitutierte sprachlich gleichgeschaltet wird mit einem tatsächlich hilfsbedürftigen Opfer von Menschenhandel, wird das Verbrechen, einen Menschen zur Prostitution zu zwingen, indirekt verharmlost, weil die Sensibilität für die Brisanz und Dimension dieser Menschenrechtsverletzung sinkt.

Diese inhaltliche Gewalt zum Thema ergibt sich aus EMMAs Prämisse, Prostitution sei grundsätzlich ein Ausdruck patriarchaler Gewalt und sowohl Symptom als auch Instrument der Unterdrückung weiblicher Sexualität im Speziellen und damit der Frauen im Allgemeinen. Dass diese Theorie viel zu kurz greift, liegt auf der Hand. Sie bezieht sich ausschließlich auf die weibliche heterosexuelle Prostitution und berücksichtigt nicht die lesbische, schwule und die männliche heterosexuelle Dienstleistung. Darüberhinaus verschweigt sie die verschiedenen Spielarten innerhalb der weiblichen heterosexuellen Prostitution, die z.B. in weiblich-dominanten Inszenierungen keine traditionellen, patriarchalischen Geschlechterentwürfe abbilden.

Die grundsätzliche Unterstellung, Prostitution sei frauenfeindlich, ist auf mehreren Ebenen angreifbar. EMMA leitet aus der Überzeugung, die Idee, „einen Menschen zu kaufen“, sei eine an sich schon verworfene, ab, die Prostitution könne sich also auch konkret niemals akzeptabel gestalten. Die theoretische Überschrift ignoriert, dass sich darunter sehr wohl, in der arglosen Praxis, einzelne Schicksale gut einrichten können. Zum Zweiten manövriert sich EMMA selbst in ein Paradoxon, indem sie sich mit der Tatsache konfrontiert sieht, dass in einem so frauenfeindlichen Beruf sehr viele Frauen arbeiten. Dieser Konflikt kann nur zu Ungunsten der Prostitutierten gelöst werden, auf Kosten ihrer Selbstreflexion und Lebensfähigkeit. Letzten Endes auf Kosten ihrer Würde. Denn nur Opfer sind so unterdrückt und zerstört, sind sich so wenig im Klaren über ihre wahren Motivationen, usw., dass sie eine Situation tragen, die sie verachtet.

EMMA kann ihre Theorie nur halten, indem sie alle Prostitutierten als Opfer abstempelt. Das ist mehr als ein beleidigendes Klischee. Es ist eine gefährliche Unterstellung, weil es einer echten Diskussion und Mitteilung seitens der Prostituierten entgegenarbeitet.

Darüberhinaus: Gehen wir EMMA zuliebe von nur 5% freiwilligen Prostituierten aus. Und von 400.000 Prostituierten deutschlandweit. Dann arbeiten deutschlandweit 20.000 Prostituierte, die nicht aussteigen möchten. Das ist immer noch eine Größenordnung, die eine Theorie nicht ausblenden kann. (2004 schätzte die UNO deutschlandweit 200.000 freiwillige Prostituierte, ebenso existieren Schätzungen von 280.000, wobei unterschiedliche Definitionen von Zwangsprostitution eine Rolle spielen mögen.) Wie funktionieren diese Frauen? Sind sie noch zerstörter als jene 95%, die sich wenigstens im Klaren darüber sind, dass sie aussteigen wollen? Sind die 5% die wahren Opfer, besinnungslos vor Elend? Man muss zynisch sein, um das zu behaupten.

20.000 Frauen arbeiten zufrieden in der Prostitution. Diese Frauen fühlen sich nicht deshalb nicht unterdrückt, weil sie zerstörte Seelen haben, sondern weil sie nicht unterdrückt werden. Sie allein bestimmen, wann sie wie lange mit wem was machen. Die vier Kriterien, die Art, die Dauer, den Umfang und das Gegenüber selbst zu wählen, garantieren, dass das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht angetastet wird.

Ich habe mich freiwillig für das Experiment meiner Prostitution entschieden und diese Arbeit fortgesetzt, weil sie mir gefällt. Ich wurde weder sexuell missbraucht noch seelisch zerstört, bin nicht drogenabhängig, nicht sexsüchtig, nicht einmal frigide. Ich hatte noch nie einen Zuhälter, niemand hat mich verkauft.

Das Wichtigste daran ist: Ich bin mit dieser Situation nicht allein. Viele Frauen erleben ihre Prostitution nicht als einen Niedergang, sondern als Ausdruck ihrer sexuellen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Allen theoretischen Untergangsphantasien zum Trotz: als einen Höhenflug ihrer Freiheit.

EMMA stellt nicht nur meine Seite, die Prostituierten, zu einseitig dar, sondern auch die Freier. Sie garniert das Dossier mit „Originalzitaten aus dem Internet“, d.h., sie zitiert Freier, die sich in einschlägigen Onlineforen über ihre Erfahrungen austauschen. Kein Wort darüber, dass diese Erfahrungen von den Männern ganz einfach erfunden sein können, dass journalistische Skepsis gerade gegenüber dem Medium Internet angebracht ist, dass die Auswahl notwendig rein subjektiv geschehen musste. Auf einer höchst instabilen empirischen Grundlage wird die Botschaft vermittelt, alle Freier seien sadistische Sexmonster. Das ist falsch.

EMMAs vielbemühte These, „der Freier“ suche nicht Sex, sondern Macht, ist zu glatt, um wahr zu sein. Wieder einmal verweigert sich das Thema Prostitution einer pauschalen Theorie und dem ideologischen Überbau, sie sei wahlweise Ausdruck sexueller Gewalt oder Befreiung. Meine eigene Erfahrung bietet mir kein einziges Beispiel für einen rücksichtslosen Freier.
EMMA hat sich eingeschossen auf einige hochgepeitschte Gespenster. Der Zuhälter ist auch eine undifferenzierte Figur. Über Ausbeutung muss ich hier nicht reden. Ich habe meinem Verständnis nach keinen Zuhälter, dennoch verdient auch noch eine andere Frau an meiner Arbeit, die Chefin meines Bordells. EMMA wüde diese Konstellation als Zuhälterei beschreiben. In Wahrheit ist ein Mensch, der die Räume und Arbeitsutensilien stellt, der die Vermittlung organisiert und in schwierigen Situationen sofort da ist, aber die notwendige Voraussetzung dafür, dass ich sicher in der Prostitution arbeiten kann. Es geht wieder einmal nicht um das Ob – es geht um das Wie. Ich werde von niemandem ausgenutzt und alle Freiheiten und Rechte bleiben bei mir.

Ich behaupte damit nicht, das sei immer so. Die Prostitution gibt es nicht. Sie hat so viele Realitäten und Gesichter, wie ihr Menschen begegnen. Alles hängt davon ab, wo man hinhört. Um sich aber qualifiziert über sie äußern zu können, muss man überall hinhören.

In einem Kommentar zur aktuellen Berliner Ausstellung „Sexwork“ schreibt die Philosophin und Künstlerin Judith Siegmund:“ (...) alle Versuche, fundamental über Prostitution nachzudenken, führen auf eine unauflösbare Vielfalt von Erscheinungsformen, die das Thema eindeutiger Erklärung und Bewertung entzieht.“ So ist es. Es geht nicht darum, hier die Gegenwahrheit zu verkünden. Die Diskussion ist nicht zu beenden, bevor sie angefangen hat. Vielmehr kann der erste Schritt nur sein, die verschiedenen Realitäten der Prostitution wahrzunehmen. Dem Thema ist nicht mit einem einzigen Konzept beizukommen.
Die hiermit geforderte differenzierte und im theoretischen Zugriff vorsichtige Auseinandersetzung bedeutet nicht eine vorbehaltlose Bejahung der käuflichen Sexualität. Sie macht ein wie auch immer gestaltetes Diskussionsergebnis erst möglich und glaubwürdig. EMMA gäbe ihren Trumpf eines Interesses am Thema nicht aus der Hand, wenn sie sich den Facetten der Prostitution stellen und deren gelungene, in der Praxis zufriedenen Seiten anerkennen würde. Sicher müsste sie ihre Pauschalurteile revidieren, wäre im Gegenzug aber wieder „im Rennen“. EMMA rühmt sich nicht umsonst, ein mutiges und unabhängiges Blatt zu sein. Grundsätzlich ist geistige Freiheit ein Luxus, den die Prostitutionsdebatte, wie jede andere Debatte auch, gut brauchen kann. Es wäre schade, bliebe EMMAs Stimme in ihren schönen Anlagen zum Singen fruchtloser Etüden verdammt. So, liebe EMMA, hört niemand lange hin.
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RE: Antworten auf EMMA bzw. ALICE SCHWARZER

#2

Beitrag von MilieuKind »

Hallo Paula , ich hatte Fr. Schwarzer vor einiger Zeit über einen Brief angeboten mit mir zusammen ein Buch über die Prustitution zu verfassen, ich warte bis heute noch auf Ihre Antwort .
Es gab eine Zeit in der ich keine Talkshow mit Ihr verpasste , aber nun stimme ich Dir zu in vielen Dingen die ich hier gelesen habe zu .
Fr. Schwarzer sollte sich weitgehenst zur Ruhe setzen , zumindest was ihr Arangemon in Sache Prostitution betrifft .

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Re: Emma Dossier Prostitution

#3

Beitrag von Melanie »

EMMAs vielbemühte These, „der Freier“ suche nicht Sex, sondern Macht :

da widerspricht sie sich aber mächtig, wenn sie eine Domina aufgesucht hat. Ich glaube nicht, dass die Kunden dort ihre Macht über eine Frau ausüben können. Im Gegenteil = das zeigt doch, wie wenig die Dame von der Szene weiß !!!

Über den Bericht kann man nur den Kopf schütteln, aber um sich zu ärgern = zu schade für jeder SW von uns !

Vielleicht brauchte sie dringend ein Thema um ihre Zeitung zufüllen. Thema Prostitution ist immer interessant, aber ich bin mir sicher das viele Leser DIES nicht zu Ende gelesen haben.
Ein Märchenbuch finden sie auch im Regal ihrer Kinder !!!

Dies wird keinen großen Einfluß auf die Gesellschaft haben und auf unsere´Kunden erst recht nicht.

Ich höre / lese viel - aber ich bilde mir meine Meinung immer auf eigener Erfahrung - habe nie Vorurteile ! und ich hoffe, dass andere Menschen auch so handeln und urteilen .

Es gibt da ein Beispiel : erst hält man einer Frau vor aufgrund der sexuellen Übergriffe in ihrer Kindheit - hätte sie nun Angst vor Männern = Berührungsängste.
Was keiner wußte - sie hat aktiv als SW gearbeitet.
Dann gab sie DAS an und zeigte auch ihren Gewerbeschein = also Berührungsängste waren ja nun lächerlich.
Was dann kam : sie wäre auf Grund der Übergriffe eben Beziehungsunfähig geworden und weil sie trotzdem Sex möchte = ist sie eben SW, weil man dort Sex hat, aber ungebunden bleibt. Obwohl sie zu der Zeit sogar eine feste Beziehung hatte.
Es wurde alles so hin - und her geschoben, wie MAN es wollte !

Ich sehe DAS hier genauso - egal welche Argumente gebracht werden = verschenkte Zeit. Es wird gedreht und gewendet..

LG Melanie
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Re: Emma Dossier Prostitution

#4

Beitrag von ehemaliger_User »

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Melanie hat geschrieben: Dies wird keinen großen Einfluß auf die Gesellschaft haben
Täusch Dich da mal nicht, sie hat viele Anhängerinnen - von Ursula von der Leyen bis zu vielen frauenbewegten Frauen in der Provinz. Und die glauben alles, was Schwarzer schreibt. Und dann werden CDU-Gemeinderäte zum Handeln "gezwungen".
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Re: Emma Dossier Prostitution

#5

Beitrag von Sinamore »

Hallo Paula,

dein Text spricht mir aus dem Herzen..habe mich auch schon gefragt wie man so verbissen an Vorurteilen über Prostituierte und Freier festhalten kann, wo die tatsächlich Beteiligten sich ständig gegen solche Klischees wehren. Aber diese Stimmen ignoriert man einfach, lieber soll alles in das simple Weltbild Frau=Opfer und Mann=Täter passen.. Frau hat so zu sein, sonst gehört sie nicht zu den selbstbestimmten, "anständigen" feministinnen? Merkwürdig, was für Parallelen zum Patriarchat sich da zeigen. Nicht auf Prostituierte hören zu wollen scheint jedenfalls beiden gemeinsam zu sein.

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Re: Emma Dossier Prostitution

#6

Beitrag von Aoife »

Sinamore hat geschrieben:Frau hat so zu sein, sonst gehört sie nicht zu den selbstbestimmten, "anständigen" feministinnen? Merkwürdig, was für Parallelen zum Patriarchat sich da zeigen.
Der NoPorn-Feminismus ist geschichtlich halt in der Kolonialzeit aus christlichen Damenkränzchen entstanden,
und erhebt somit das viktorianische Menschenbild der gehobenen Mittelschicht zur weltweit gültigen Norm.

Von dem hierin impliziten Ziel der Umkehrung der Machtverhältnisse haben sich erst die sexpositiven
Feministinnen emanzipiert, und sind somit der
"natürliche Feind" von Schwarzer & Co.
Weil sie im (auch sexuellen) Zusammenspiel von Frauen und Männern durchaus Positives sehen können.

Liebe Grüße, Eva
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Aus der Geschichte lernen?:

#7

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sogar der Prohibitionismus in den U.S.A. geht auf Frauenrechtler zurück.

Damals stritten Feministinnen erfolgreich für ein Totalverbot von Alkohol. Auch bei diesem Verbot war männliche Gewalt der Grund und ihr Kampf dagegen die Triebkraft. So wurde Alkoholverbot ein gemeinsames politisches Ziel und Keim einer neu aufkommenden Frauenbewegung.

Damals waren Vergewaltigungen durch besoffene Trinker ein großes Problem nichtzuletzt auch deswegen, weil der Status der Frauen in Gesellschaft, Familie und Partnerschaft alles andere als gleichberechtigt war.

D.h. die politische Gleichberechtigung wurde über den Umweg der Drogenkontrolle erreicht, die selber jedoch nicht von längerem Bestand war.

Zu untersuchen wäre, in wieweit die Prostitutionsfeindlichkeit und die Menschenhandelsdebatten ebenfalls Nebengefechtsschauplätze sind. Welche verketteten bis versteckten Probleme im Feld von Sexualität, Geschlecht, Ökonomie, Migration und Globalisierung werden hier stellvertretend ausgetragen? Welche Lösungen sind in Sicht? Welche Gruppen müssen welche Opfer bringen bzw. werden regelrecht geopfert?





ENTGEGNUNG AUF ALICE SCHWARZER

"Prostitution ist Realität"

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=26722#26722
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 26.11.2011, 02:21, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: Antworten auf EMMA bzw. ALICE SCHWARZER

#8

Beitrag von ehemaliger_User »

Sexspiele mit Gütesiegel
"PorYes" – ein Preis für gute Pornofilme. Die Zeit sei reif dafür, meint Laura Méritt und kämpft für weibliche Lust.
Von Lea Hampel


Gegensätzliches zu vereinen, das ist ihre Sache. Zu den roten Gesundheitsschuhen aus Wildleder trägt Laura Méritt ein T-Shirt mit stilisierter Vagina. Sie ist Doktorin der Lachforschung mit einem Lehrauftrag an der Uni, aber auch Expertin in Sachen Sex. In ihrer Wohnung sind allerlei Exponate der Lustindustrie zu bestaunen. Nun will sie Feminismus und Pornografie versöhnen. Feminismus und Pornos? Passt doch nicht zusammen, heißt es meistens. Oh doch, findet Laura Méritt, und wie. Gemeinsam mit dem feministischen „Netzwerk Freudenfluss“ hat sie einen feministischen Pornofilmpreis in Deutschland ausgelobt. Die erste Auster wird im Oktober verliehen und heißt „PorYes“, was sich auf die „PorNO“-Kampagne der Zeitschrift „Emma“ bezieht.

„Die Zeit ist reif“, sagt Laura Méritt: „Wir sind an einer Schwelle, die muss jetzt überschritten werden.“ Sie muss es wissen. Zwar sieht die 49-Jährige mit ihren kurzen grauen Haaren und dem Mund, aus dem alle zwei Minuten ein lautes Lachen platzt, tatsächlich mehr nach Lachforscherin aus, als nach einer, vor deren Arbeitszimmer ein fünfzig Zentimeter langer Doppeldildo als Türstopper liegt. Aber schon seit den achtziger Jahren engagiert sie sich in der Hurenbewegung, gibt Workshops zur weiblichen Ejakulation und betreibt einen lesbischen Eskortservice. Regelmäßig lädt sie zum Salonabend, wo Pornos geschaut und besprochen werden. Und: Sie hat vor über 30 Jahren Dinge nach Deutschland gebracht, die sie „Spielzeug“ nennt und wie Folterwerkzeuge aussehen: Dildos in allen Materialien, Farben und Größen, Mösenkissen und Pornofilme, die in dem kleinen Zimmer ihrer Kreuzberger Wohnung Regale füllen. Mit der Berufsbezeichnung „Sexpertin“ hat sie kein Problem: „Das drückt Fachkompetenz aus.“ Wenn sie, bepackt mit einem Spielzeugkoffer, zu einer „Fuckerware“-Party loszieht, weiß sie zu den Sexartikeln auch deren Kulturgeschichte zu erzählen.

Pornos verkaufen, weibliches Selbstbewusstsein und Fachwissen zur Sexualität vermitteln – Laura Méritt will das nicht als Widerspruch sehen. Als „sexpositive“ Feministin kämpft sie für Gleichberechtigung, ohne wie Alice Schwarzer Pornografie rundweg als Erniedrigungspraxis abzulehnen. Was die Grande Dame der Frauenbewegung mit erkämpft hat, hält Méritt für elementar. Dass heute – mit Charlotte Roche, den Alphamädchen und einer neuen Debatte zum Thema Gleichberechtigung – die Zeit reif ist für feministische Pornos, sei jenem Feminismus zu verdanken, der im Geschäft mit der Lust nur das männliche Befriedigungs- und Machtbedürfnis bedient sah. Die Offenheit habe zugenommen, das merke Méritt regelmäßig in ihrem „Sexclusivitäten“-Laden. Zwar seien vor allem männliche Kunden beim ersten Besuch verkrampft. Doch dass sie beim Anblick eines Vibrators noch die Augenbrauen heben und fragen, „Was ist das denn?“, erlebt sie nicht mehr. So hatten Zollbeamte reagiert, als sie vor 30 Jahren das erste Sexspielzeug aus den USA nach Deutschland importierte. Laura Méritt antwortete damals: „Na, was glauben Sie denn?“ Sie ist überzeugt, dass Männer genauso viel Spaß haben sollten wie Frauen, nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger.

Die Szene für Pornos, wie sie sich im Regal ihres Ladens darstellt, ist allerdings noch klein und geht im konventionellen Geschäft unter. Daher der Pornofilmpreis. Méritt will Aufmerksamkeit für Sexfilme „mit Qualität“. Das heißt bei einem feministischen Porno: frauenfreundlich soll er sein. Für Laura Méritt gehören dazu bestimmte Regeln. Weibliche Lust soll positiv dargestellt werden. „Wir fordern quasi die zweite Hälfte des Pornos“, spielt Laura Méritt auf einen bekannten Feministinnenslogan an. Zudem müsse die Palette an Praktiken erweitert werden, alles andere sei langweilig: „Da hoffen wir natürlich auf einen positiven Rückkopplungseffekt auf die Männer.“ Und auf die Frauen. Denn bei feministischen Pornos sollen sie an der Produktion nicht nur als willige Objekte beteiligt sein. Dazu gehört, dass Darsteller angemessen bezahlt werden, vorher abgesprochen wird, was passiert und das alles, was zu sehen ist, freiwillig stattfindet. All diese Regeln – inklusive der Forderung nach Vielfalt der Körperformen und -farben – gelten auch für Männer. „Die wollen wir schließlich auch nicht zu wilden Sachen zwingen“, sagt Méritt.

Frauen, davon ist Méritt auch durch den Erfolg einiger Pornoregisseurinnen wie Erika Lust überzeugt, machen die besseren Pornos, weil sie entspannter mit Sex umgehen. „Wenn da etwas nicht funktioniert, lachen wir und fangen von vorne an“, sagt sie. Dass eine Nachfrage nach Pornos herrscht, die nicht die üblichen Großaufnahmen bei verteilten Rollen zeigen, hat mittlerweile auch die klassische Sexfilmindustrie erkannt. Aber schwenkt sie um?

Immerhin werden derzeit Filme der bekannten Regisseurin Monika Treut, die bereits in den achtziger Jahren mit Frauenpornos wie „Die Jungfrauenmaschine“ bekannt wurde, wieder aufgelegt. Im September erscheint ein Buch der schwedischen Regisseurin Erika Lust auf Deutsch, das „ein Wegweiser durchs Pornodickicht für alle, die sich endlich gute Sexfilme wünschen“, sein soll. Auch der dänische Regisseur Lars von Trier hat schon frauenfreundliche Pornofilme gedreht und sich an die Richtlinien des sogenannten „Puzzy Power Manifesto“ gehalten, das Méritts Kriterienkatalog ähnelt. Zudem sind Frauenpornos ein Schwerpunkt beim Berliner Porn-Filmfestival, wo ebenfalls der „Joy Award“ verliehen wird, der eine neue Herangehensweise in der Pornoregie prämiert. Eine große Bandbreite an Filmen gibt es trotz dieser Ansätze in Deutschland nicht. „Da wird eher auf normale Filme ein ,Frauenfreundlich‘-Stempel gehauen, so wie heute oft ,Bio’ auf Lebensmitteln steht, die alles andere als ,Bio’ sind“, bemerkt Méritt.

Deshalb soll ein „PorYes“-Gütesiegel, ähnlich dem Biolabel der EU, künftig gute Pornos von handelsüblicher Schundware unterscheiden. Die Verleihung findet am Ende der Erotikmesse Venus statt. Wie weit eine solche Ehrung aber über die Branche hinaus wirken und das Qualitätsbewusstsein des breiten Publikums prägen kann, ist fraglich bei einer Filmgattung, deren Syntax so simpel und funktional gestrickt ist, dass inhaltliche Qualität eigentlich egal ist.

Ob Méritt auch manchmal keine Lust hat, sich mit Sex zu beschäftigen? „Na klar“, sagt sie. „Sich jeden Tag mit Sex beschäftigen, das könnte nicht mal ich.“ Die Tür ihres Verkaufsraums bleibt an solchen Tagen zu. Und nur der Türstopper lässt erahnen, dass diese Frau nicht nur an der Uni arbeitet.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 18.08.2009)
http://www.tagesspiegel.de/kultur/Porno ... 72,2875643
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Re: Emma Dossier Prostitution

#9

Beitrag von ehemaliger_User »

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Re: Emma Dossier Prostitution

#10

Beitrag von ehemaliger_User »

Der Tagesspiegel 22.10.2009
http://www.tagesspiegel.de/kultur/kino/ ... 37,2929315

Päpste, Pornos, Positionen
Frank Noack beschäftigt sich mit Unfehlbarkeitsdogmen.

Die Geschichte der "Päpstin" ist bereits einmal verfilmt worden: 1972 spielte Liv Ullmann die Hauptrolle in "Papst Johanna". Damals gab kein Bestseller den Anstoß, sondern das Interesse an kirchenkritischen Stoffen. Jahrzehntelang hatten die Kirchen Druck auf die Filmindustrie ausgeübt. Die weltweite ideologische Befreiungsbewegung in den späten Sechzigern ermöglichte neben blasphemischer Nonnenkolportage auch intelligente Dramen über kircheninterne Probleme. Der Brite Michael Anderson drehte neben "Papst Johanna" auch In den Schuhen des Fischers (1968). Darin wird ein Erzbischof aus Sibirien zurückgeholt, weil die sowjetische Regierung einen Verbindungsmann im Vatikan benötigt. Der Mann bringt es weit - und wird zum Papst gewählt. (Sonntag 11 Uhr in der Astor Film Lounge). An der Seite von Anthony Quinn sind mit Laurence Olivier, Oskar Werner und John Gielgud gleich drei Hamlet-Darsteller zu sehen. Werner beeindruckt als Geistlicher, der vom Vatikan Publikationsverbot erhält und daran zerbricht. Der 25. Todestag des Schauspielers ist ein Anlass für die Vorführung im 70mm-Format, ein weiterer ist das 25-jährige Bestehen des Kulturmagazins "Spirit - Ein Lächeln im Sturm", herausgegeben vom Oskar-Werner-Bewunderer Marc Hairapetian. Gemeinsam mit Jean-Pierre Gutzeit und Uwe Borrmann vom Kinomuseum Berlin hat er die Ausstellung "Fotoreisen durch Berlins vergessene Kinolandschaften" organisiert, die seit einigen Wochen das Foyer der Astor Film Lounge verschönert.

Zwischen Kirche und Frauenbewegung gibt es auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten. Dabei haben beide einen Hang zum Exkommunizieren von Abweichlern. Frauen, die Pornografie und Prostitution verteidigen, werden als Antifeministinnen oder "Patriarchatshuren" diffamiert. Statt sich zu wehren, wie es die Literaturwissenschaftlerin Camille Paglia getan hat, ziehen sich die meisten Bad Girls in ihre Subkultur zurück. Annie Sprinkle, die vor Zuschauern ihren eigenen Körper erforschte, ist ein Underground-Phänomen geblieben. Die Sexpertin Laura Merritt, die einen lesbischen Escort-Service betreibt und in ihrer Kreuzberger Wohnung Dildos als Türstopper verwendet, hat nun als Antwort auf Alice Schwarzers PorNo-Kampagne eine PorYes-Bewegung ins Leben gerufen. Ihr Ideal: Fair Porn – Pornos, bei der Frauen und Männer auf ihre Kosten kommen.

Einen Überblick über die feministische Pornofilmproduktion kann man sich auf dem 4. Pornfilmfestival Berlin im Moviemento verschaffen, bei dem Arbeiten von Frauen fast die Hälfte des Programms bestreiten. Doch der Besucher muss erst einmal Abkürzungen lernen. Der Eröffnungsfilm The Band (Donnerstag 20 Uhr) etwa der Australierin Anna Brownfield wird als HLXF eingestuft. Das bedeutet, dass er heterosexuelle (H) und lesbische (L) Handlungen zeigt, die nicht simuliert, also explizit (X) sind, und er wurde von einer Frau (F) inszeniert. Rob Rottens The Texas Vibrator Massacre (Montag 0 . 15 Uhr) ist HX, also heterosexuell und explizit. Die Abkürzung SW steht übrigens nicht für Schwarzweiß, sondern für "Sex Work": Filme über Prostitution und Pornoindustrie. Wer es nicht so deutlich mag, kann auf Filme mit dem Prädikat NX (nicht explizit) ausweichen. Dazu gehören Ari Libskers Dokumentarfilm Stalags – Holocaust and Pornography in Israel (Freitag 18 Uhr; Sonntag 14 Uhr), der sich mit in KZs angesiedelten Comics beschäftigt, und der Anime-Klassiker Die Tragödie der Belladonna (Donnerstag, 0 Uhr). Auffallend viele Pornografen sind Parodisten: Stutentausch Vol. 6 (Sonnabend 17 . 30, Sonntag 0 Uhr) macht sich über Doku-Soaps wie "Frauentausch" lustig. Doch Vorsicht: Von Fair-Porn und Feel-Good ist es nicht mehr weit bis zur Unterhaltung für die ganze Familie. Das wäre das Ende der Pornografie.
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Re: Emma Dossier Prostitution

#11

Beitrag von Zwerg »

          Bild
ehemaliger_User hat geschrieben:Zwischen Kirche und Frauenbewegung gibt es auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten. Dabei haben beide einen Hang zum Exkommunizieren von Abweichlern. Frauen, die Pornografie und Prostitution verteidigen, werden als Antifeministinnen oder "Patriarchatshuren" diffamiert.
Treffender kann man es nicht ausdrücken! Wobei man vielleicht anmerken sollte: Das Gesagte gilt für die radikale Kirche und die radikale Frauenbewegung mit ihren teilweise diktatorischen Strukturen. Ich habe während meiner Tätigkeit etliche SexarbeiterInnen kennen gelernt, welche sich von obgenannten Praktiken entschieden distanzieren, sich jedoch sehr wohl als FeministInnen sehen und auch entsprechend agieren. Auch von Seiten einiger kirchlicher Vertreter habe ich während meiner Gespräche durchaus Konstruktives erlebt.

@ehemaliger_User
Danke für den Beitrag.

christian

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Re: Emma Dossier Prostitution

#12

Beitrag von Aoife »

... und unter den jeweils radikalen sind die Gemeinsamkeiten weit umfassender,
als nur die Neigung zur Exkommunication. Die ist eher nur *ein* Audruck der bei beiden
gleichermaßen gegebenen moralischen Grundhaltung, die dann psycho-logisch zu der
subjektiven Sicherheit führt, andere "zu ihrem eigenen Besten" vergewaltigen zu dürfen.

Liebe Grüße, Eva
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EMMA und die Prostitution

#13

Beitrag von ehemaliger_User »

In der "EMMA" Frühling 2011 wird mal wieder ein Dossier "Prostitution" veröffentlicht. Einige Berichte wurden wohl in Stuttgart recherchiert, u.A. wird Frau Constabel vom Gesundheitsamt Stuttgart zitiert. Frau Constabel fiel schon durch ihre prostitutionsfeindlichen Äusserungen in der TV-Show "Menschen bei Maischberger" auf. Soll die Prostitution abgeschafft werden?

Nichts gegen "La Strada", ein Frauencafé in der Stuttgarter Altstadt. Manche der Frauen decken sich dort kostenlos mit Gleitgel, Kondomen, Obst und Schnittchen ein (warum auch kaufen?).

Frau Constabel behauptet auch, in Talkshows zum Thema "Prostitution" würden mit 500-EUR-bezahlte Frauen (sie meinte damit vermutlich Stephanie Klee, Felicitas Schirow, Domenica) die Freiwiliigkeit der Sexarbeit zur Schau stellen.

EMMA und Frau Constabel hätten das ProstG nicht verabschiedet. Es werden die Leiden einiger Frauen beschrieben. Diese Leiden haben aber mit Prostitution nichts zu tun (wenn eine Ungarin aus dem Kinderheim von einem Ehepaar "gekauft" wird und in Diskos Freiern angeboten wird ist das strafbar - mit und ohne ProstG).

Oder sollen wir keine Kinder mehr zeugen/gebären dürfen, nur weil es Menschen gibt, die Kinder misshandeln, ausbeuten, versklaven?

Mit der Wahrheit nimmt es EMMA nicht so genau, da wird behauptet, die Pussyclub-Betreiber seien 2009 mit ihren Hummer durch die Königstrasse gefahren. Das ist eine 1,2 km lange Fussgängerzone, da fährt keiner mit einem Auto ungenehmigt durch. Zumal auf der Königstrasse immer Polizei präsent ist.

In dem Bericht werden (zu Recht) überhöhte Laufhausmieten kritisiert. Wer ein Zimmer in einem Laufhaus hat, steht aber nicht auf der Strasse - da werden wohl die LeserInnen bewusst getäuscht.

Due Frauen, die auf der Strasse stehen, wohnen meist mit ihrem "Mann" in einem möbilierten Zimmer für 40 EUR pro Tag. Incl. Nebenkosten. Der Mann geht raus, wenn die Frau mit einem Kunden auftaucht. Warum sind solche Preise möglich? Marktwirtschaft? Hat das nichts mit der Ächtung der Sexarbeit zu tun?

Die haben ja alle recht, das ProstG hat die Lage de SexarbeiterInnen noch nicht deutlich verbessert. Aber doch nur deshalb, weil die Stigmatisierung und die Moral erst solches ermöglichen.

Ob Frau Constabel den Preis füe einen "Maybach" ab ca. 500.000 EUR bei max. 180.000 Herstellkosten auch für ausbeuterisch hält? Oder 25 % Rendite bei der Deustchen Bank für die Aktionäre?

Die schlimmste Behauptung, die Polizei können Dank Abschaffung der "Förderung der Prostitution" nicht mehr gegen Zuhälter ermitteln weil kein Anfangsverdacht vorhanden sei ist schon Hohn genug.

In der Stuttgarter Altstadt ist sichtbare Prostitution untersagt, trotzdem schafft es die Polizei nicht, die Frauen von der Strasse fernzuhalten, den Miethaien in die Suppe zu spucken. Oder wollen sie das gar nicht weil sich dann die Szene übers ganze Stadtgebiet zerstreut?

Der Leiter der Stuttgarter "Sitte", Hauptkommisar Hohmann, wird mit den Worten zitiert "Hübsche Aufenthaltsräume für Prostituierte habe ich seit ProstG nicht gesehen, es hat sich nichts für die Frauen verändert". Ich denke, ich sollte den Herrn mal in ein paar Etablissements mitnehmen, die nicht in der Altstadt liegen.

Es werden immer wieder andere Problematiken in den "Teufelskreis Prostituition" hineininterprätiert. Wessen Schuld ist es, wenn jemand von der Stadt ein Haus kauft, im Vertrag akzeptiert, dort kein Bordell einzurichten und es trotzdem tut? Und die Stadt 3 Jahre durch mehrere Instanzen prozessieren muss, weil der Hausbesitzer argumentiert, er könne seinem Pächter nicht vorschreiben, welche Geschäfte er betreibt.

Hohmann kommt in einem "eigenen" Artikel zu Wort: Er berichtet von Zuhältern, die in Schampus baden (da kann er nicht die "Zuhälter" der Roma-Frauen gemeint haben, die haben meist nicht mal ein Auto und sind schlecht gekleidet).

Sein Hauptargument: Ohne die Aussage der betroffenen Frauen könne kein Zuhälter dingfest gemacht werden. Und nur 3 - 5 % der Frauen seien tatsächlich selbständig. Also ca. 100 bis 150 Frauen in Stuttgart. Ich alleine kenne schon über 250 Frauen die garantiert keinen Zuhälter haben (und ich kenne nicht mal die Hälfte der 3.500 in Stuttgart gemeldeten Sexarbeiterinnen).

Wenn das so ist, warum sagen die Frauen dann nicht aus? Warum zeigen "solide" Ehefrauen ihre prügelnden Männer nicht an? Warum werden Banken nicht geschlossen, obwohl ihrer Top-Manager auch keine "Partner in Augenhöhe" sind und das ihnen anvertraute Geld verzocken?

Herr Hohmann beklagt sich, dass die damalige Justitzministerin einen Bordellbesitzer, aber nicht die Polizei zum ProstG befragt habe. Hat Leuthäusser-Schnarrenberger oder Merkel die Polizei gefragt, wie Bankenkriminalität eingedämmt werden kann? Oder wurde die Polizei zur Laufzeitverlängerung der AKWs befragt? (Potentielle Körperverletzung gegen Millionen von Menschen - wenn Hohmann wollte, könnte er auch diesen Tatbestand konstruieren)

Hohmanns Forderung: Zuhälterei ist es (wie in Frankreich), wenn jemand eine Prostituierte fährt, Geld für sie verwaltet oder nur mit ihr zusammenlebt, selbst aber keiner Tätigkeit nachgeht.

Ist dann Frau Hohmann Zuhälterin, wenn sie keiner eigenen Tätigkeit nachgeht?

Hohmann: "Das schwedische Modell ist unser Ziel"

Eine seiner Aussagen: "Frauen in der Prostitution gehen scheibchenweise kaputt. Oder wie kaputt sie schon sind, weil sie ansonsten nicht in dieser Branche landen würden.

Das ist doch eine Beleidigung aller in der Prostitution tätigen Frauen!

Svanbte Tidholm berichtete über seinen Dokumnetarfilm "Like a Pascha". Er war sehr erstaunt, als er erfuhr, dass Männer oft nur reden wollen, sich ausweinen wollen, vielleicht "Liebe kaufen" wollen? Er erklärt dann das "Schwedische Modell" als Mittel, Prostitution aus den Köpfen zu verbannen, gesellschaftlich zu ächten.

Ellen Templin, im Dezember 2010 verstorben, wollte noch ein Buch veröffentlichen. Sie arbeitete als Domina. Warum sie dann zu dem Ergebnis kommt "Freier kaufen Macht" erschliesst sich mir nicht. Sie bahauptet, die meisten ihrer Kunden würden sich nach der Sitzung brüsten, was für "Helden" sie waren.

Nadine Greves Buch "Hinter den Kulissen" wird in einem weiteren Artikel besprochen. Sie schildert darin ihre Arbeit in einem "Edelclub". Bis zu ihren Ausstieg und ihrem Entschluss, als Kronzeuging auszusagen. Da das Verfahren noch nicht angeschlossen ist hat "EMMA" den Clubnamen nicht veröffentlicht.

Es werden dann noch die Erfolge der "Wutbürger von Weinheim" beschrieben, die nicht aus Prüderie, sondern wegen der Menschenwürde ein Bordell verhinderten. Merkwürdig nur, dass am Anfang der Protestbewegung immer von "organiserter Kriminalität" und Drogenhandel die Rede war...

Die amerikanische Feministin Catharina McKinnon behauptet "Prostitution ist Menschenhandel". Sie meint, dass Menschen für Sex, den sie einvernehmlich miteinander haben, nichts bezahlen. Eine Prostituierte werde zum Sex genötigt, da sie sonst nicht überleben könnte (Frauen aus ärmsten Schichten). Ausserdem beschreibt sie, dass ein posttraumatisches Belastungssyndrom genauso hoch sei wie bei Kriegsveteranen - schweigt sich aber darüber aus, wieviele Frauen solche Symptome entwickeln. Ist bestimmt bei in der Ehe misshandelten Frauen oder durch Priester missbrauchte Kinder ähnlich.

Wenn Prostitution ein Beruf wäre wie jeder andere würden mehr Männer ihn ausüben. Dass die Nachfrage nach Männern wesentlich geringer ist verschweigt sie...

Zu Schweden berichtet sie: Freier beuten Prostituierte aus. Die Polizei überwacht und verhaftet die Männer. Ich las mal von einer schwedischen Statistik, dass jährlich ca. 65 Männer verurteilt werden und noch keiner eine Gefängnisstrafe absitzen musste. Und 1999 gab es in Schweden ca. 3.500 Prostituierte.

Lydia Cacho kommt auch noch kurz zu Wort: sie spricht von einer "verabscheungswürdigen Tätigkeit". Die Legalisierung würde letztendlich den Tätern, nicht den Opfern nützen.

Im letzten Artikel wird der Erfolg des schwedischen Modells gepriesen: unattraktiver Markt für Menschenhandel und Zuhälterei (schreckt die Todesstrafe Drogendealer ab?), der Erfolg sei in den Köpfen, im Umdenken entstanden.

Hat sich Al Capone während der Prohibition in den USA vom Alkoholschmuggel abbringen lassen? Gibt es in arabischen Staaten keine Prostitution? Sind in Schweden weniger Menschen Alkoholiker? Schwazbrenner?

Die Zahl von 1999 bis 2008 in Schweden verurteilten 650 Männer (bei 1000 Verdachtsfällen) sei so gering, weil die Polizei nicht intensiv genug fahnde. Wenn die Strafen verdoppelt würden würde die Polizei massiver ermitteln und damit die Fallzahlen nach oben treiben.

Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass es für die schwedische Polizei uninteressant war, den Mörder von Olaf Palme zu finden?

Im Grunde nichts Neues bei den Prostitutionsgegnern in der EMMA. Ausser das Thema "Freierbestrafung nach schwedischem Vorbild" am Kochen zu halten.
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Re: EMMA-Dossier und die Prostitution

#14

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Danke für deine ausführliche Kommentierung, der ich mich anschließe möchte.
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=7788 (sw-only)



> Leiter der Stuttgarter "Sitte", Hauptkommisar Hohmann, beklagt sich, dass die damalige Justitzministerin einen Bordellbesitzer, aber nicht die Polizei zum ProstG befragt habe.

Ein Teil der dreiteiligen ProstG-Evaluation von Ass. jur. Heike Rabe ist der Exekutive gewidment, also der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Hier findet sich eine klar erkennbare Mehrheit der Aussagen der Beamten pro ProstG.
www.sexworker.at/prostg Evaluations-Studien dort auf Seite 2.

In der Bund-Länder-Kommission und Innenministerkonferenz haben die Exekutive die absolute Mehrheit.

Danke für dieses offene Bekenntnis:
> Leiter der Stuttgarter "Sitte", Hauptkommisar Hohmann: "Das schwedische Modell ist unser Ziel"

Die Frage stellt sich, ob das dann nicht eine drastische Fehlbesetzung einer öffentlich gut besoldeten Stelle ist, wenn ein leitender Beamter offen ein geltendes liberales Gesetze mißbilligt oder gar bekämpft und seine Zielsetzung möglicherweise dienstlich hintertreibt.

Moralisch-demokratisch ist es höchst bedenklich, wenn ein offen-bekennender Prostitutionsgegner mit der Kontrolle der Regelung der Prostitution betraut ist. Mir als Sexworker kommt das vergleichbar vor, wie wenn ein Ex-Nazionalsozialist oder Neonazi im Bundesamt für den Verfassungsschutz arbeiten würde oder ein entdeckter Ex-Stasi-Funktionär aus der Stasi-Unterlagen-Behörde nicht entfernt würde...



Zu Svanbte Tidholm und seinen Dokumnetarfilm "Like a Pascha" steht der Artikel teilw. offen im Netz:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=96457#96457

> Er erklärt dann das "Schwedische Modell" als Mittel, Prostitution aus den Köpfen zu verbannen, gesellschaftlich zu ächten.

Damit entlarvt er die schwedische Anti-Prostitutons-Gesetzgebung (Prohibition/Abolutionismus) als reine symbolisch-moralische Politik. Das halte ich für eine einer modernen aufgeklärten sekularen Demokratie nicht legitime moralische Gesetzgebung. Solches ist bekanntlich Kennzeichen für fundamentalistisch-autoritäre Systeme.

Das abzulehnende Schwedische Modell ist ausführlich in unseren Länderberichten kritisch untersucht/dokumentiert/verlinkt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=912



> Wenn Prostitution ein Beruf wäre wie jeder andere, würden mehr Männer ihn ausüben.

Da die männliche Prostitution ganz anders funktioniert und auch organisiert ist, findet sie an anderen Orten statt und ist weniger sichtbar und weniger Medienpräsent für die heterozentristische Mehrheitsgesellschaft. Wer sich auskennt wie z.B. die Stricher-Beratungsstellen vom AKSD, weiß wie groß der Bereich mann-männliche Prostitution in Wirklichkeit ist.
www.sexworker.at/callboy



> Leiter der Stuttgarter "Sitte", Hauptkommisar Hohmann: "Frauen in der Prostitution gehen scheibchenweise kaputt.

Diese Aussage halte ich teilweise/fallweise für berechtigt. Weil sie mit der sog. "Falle Prostitution", der "strukturellen Zwangsprostitution" in Patriarchat und Kapitalismus/Imperialismus zusammenhängt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=31106#31106

Über das "posttraumatisches Belastungssyndrom" gibt es viele wissenschaftlich nicht haltbare Forschungen mit nichtrepräsentativ ausgewählten Untersuchungsstichproben z.B.
Melissa Farley in den USA umfangreich wiederlegt z.B. vor dem Kanadischen Berufungsgericht.
Prof. Dr. Ursula Müller, Dr. Monika Schröttle, Christa Oppenheimer in Deutschland:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=41150#41150



> Ellen Templin: "Freier kaufen Macht" und "die meisten ihrer Kunden würden sich nach der Sitzung brüsten, was für "Helden"

Erklärungsversuch: Sie hat im Laufe der Jahre evt. die unangreifbare Position z.b. als naturdominanten Frau verlassen und sich gemäß den Marktzwängen zur kundenorientierten, servilen Phantasieerfüllerin gewandelt. Dann kann es möglicherweise zu grenzwertigen Überforderungssituationen gekommen sein. Das ist nur mit professioneller Supervision oder starkem Freundesnetzwerk zu verarbeiten und langfristig auszuhalten. Somit leiden viele stigmabedingt häufig isolierten Sexworker unter einem schleichenden SWBO. Das verleitet zur Annahme der Anti-Männer-oder-Anti-Prostitutions-Propaganda (Stockholm-Syndrom).
Andere Erklärung: Wenn ein Sub große Schmerzen lustvoll überstanden hat, hat er nach einer Session einen so hohen Adrenalinspiegel sich berechtigterweise als Held zu fühlen.
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=97443#97443



> Nadine Greves Buch "Hinter den Kulissen"
www.amazon.de/dp/3844201823
Hier haben wir ähnliche Fälle von "Abrechnungen von Sexworkern", den ich ausführlich kommentiert habe:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=51195#51195
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=506



Gegen die Propaganda der amerikanische Feministin Catharina McKinnon gibt es im Netz reichlich Gegenreden unserer Sexworker Advokaten.
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=52326#52326

Bei manchen FeministInnen liegt ein grundsätzliches Sexwork-Mißverständnis vor. Sie behaupten sinngemäß: wenn zwei Menschen Sex haben, tauschen sie Zärtlichkeiten aus. Also jeder gibt und bekommt Zärtlichkeiten. Diese Zärtlichkeiten die einer enthält sind also der "Lohn" für die gegebenen Zärtlichkeiten. Wer jetzt zusätzlich noch Geld verlangt wie der Sexworker ist ein Betrüger...

Sexwork aus dieser Interpretation heraus moralisch zu entwerten beweist, wie sehr diese Argumentation selbst materialistisch verankert ist. Selbst die freie Liebe wird letztlich als Geschäft verstanden (Do ut des). Jemand der dieses Synallagma in seinem Privatleben gelten läßt, ist längst selbst eine Prostitutierte auch ohne Sexworkerfahrung. Er ist ein Kapitalismus/Marktwirtschaft/Geldsystem-Opfer.

Aoife würde sinngemäß sagen: Die Anschuldigungen der Prostitutionsgegner entstammen ihren eignen perversen Phantasien. Vgl. Homosexuellenbekämpfung durch verkappte Homosexuelle.



Gegen Lydia Cacho gab es diese kleine aber feine Sexworker-Prostestaktion in Berlin.
Ihre Veranstaltung wurde abgesagt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=96157#96157



> Im Grunde nichts Neues bei den Prostitutionsgegnern in der EMMA. Ausser das Thema "Freierbestrafung nach schwedischem Vorbild" am Kochen zu halten.

Das sehe ich inzwischen auch so. Deshalb sollten wir Sexworker uns nicht allzusehr beunruhigen oder gar seelisch dadurch verletzen und schwächen lassen.

Es handelt sich auf Seiten der Feministinnen, Christen oder Fundamentalisten vielmehr auch um kollektive Phänomen der Selbststärkung. Es geht u.a. auch darum schlechte Erfahrungen mit Männern zu verarbeiten und die immer noch nicht gleichberechtigte Position der Frau im Patriarchat zu verbessern. Der Film 'Gender War' zeigt einen eindrucksvollen Fall eines politikbeeinflussenden Frauen-Netzwerkes in Schweden:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=96534#96534



Für die Sexworker im Sexworker.at-Lande A - CH - D brauchen wir Coming-out Gruppen, psychologische Beratung und berufsbegleitende Erwachsenenfortbildungen, um die anspruchsvolle soziale Arbeit an der männlichen Lustbefriedigungsfront safe, leistungsstark und nachhaltig ausführen zu können. Wer gute Ideen hat, nur her damit.





Proteste der Sexworker gegen die Börnepreis-Verleihung an Alice Schwartzer in Frankfurt 2008:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=35977#35977
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 20.04.2011, 08:07, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: Emma Dossier Prostitution

#15

Beitrag von Arum »

Weit aufgeklärter dahingegen Brigitte, und wie ich mir denke, für ein weit grösseres Publikum:

http://www.brigitte.de/gesellschaft/pol ... d-1088016/

BRIGITTE-Dossier
Prostitution in Deutschland: Was ist das heute?


Ist Prostitution in Deutschland heute eine ganz normale Dienstleistung? Bei den Recherchen für das aktuelle BRIGITTE-Dossier stellten wir fest, dass sich im Gewerbe einiges verändert hat. Unsere Autorin hat die fünf wichtigsten Fragen zu diesem Thema für Sie beantwortet. Weitere Informationen und Berichte von Frauen lesen Sie in der aktuellen BRIGITTE.

Forum: Prostitution heute - diskutieren Sie darüber mit anderen Userinnen bei Bfriends

Sind Prostituierte Frauen wie du und ich?

Auf jeden Fall führen viele Frauen, die mit Sex Geld verdienen, ansonsten ein Leben wie andere auch: Sie haben Ehemänner und Kinder, sie studieren oder prostituieren sich neben einem Job im Büro. Und viele von ihnen tun es nur für ein paar Jahre, dann steigen sie wieder aus.

Ist es eine ganz normale Dienstleistung, mit einem Mann ins Bett zu gehen?

Der Gesetzgeber sieht es so. Seit 2002 hat Deutschland eins der liberalsten Prostitutionsgesetze der Welt. Danach können Frauen (und Männer) ihren Lohn für sexuelle Dienstleistungen vor Gericht einklagen. Sie können sich sozialversicherungspflichtig beschäftigen lassen, können als Prostituierte ein Gewerbe anmelden und in eine Krankenversicherung eintreten.

Ist Gewalt und Kriminalität im Sexgewerbe an der Tagesordnung?

Sicher gibt es Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution: Wenn Schlepper und Menschenhändler illegale Einwanderinnen mit üblen Methoden zur Arbeit im Bordell zwingen. Oder wenn kriminelle "Loverboys" sehr jungen Mädchen Liebe vorgaukeln, um sie auf den Strich zu schicken. Aber: Eine Million Männer kaufen sich Tag für Tag einen sexuellen Akt, 200.000 bis 400.000 Frauen verdienen ihr Geld damit. Der größte Teil dieser Begegnungen findet statt, weil beide Seiten es wollen.

Ist mit Prostitution viel Geld zu verdienen?

Eine halbe Stunde Sex gibt's oft schon für 20 oder 30 Euro, der durchschnittliche Monatslohn einer Prostituierten liegt bei etwa 1500 Euro. "Es herrscht ein immenser Konkurrenzdruck, denn es ist immer weniger Geld im Umlauf. So muss für sinkende Preise immer mehr geboten werden", sagt Marion Dethlefs von der Hurenorganisation Hydra. Als Escortdame in einer Nacht vierstellige Summen zu verdienen - für die meisten Frauen im Sexgewerbe bleibt das ein unerfüllbarer Traum.


Ist es heute normaler denn je, für Sex zu bezahlen?

Verbreiteter denn je, so klagt die Branche, ist es jedenfalls nicht: Die Umsätze sinken seit Jahren. Andere Möglichkeiten, Sex mit wechselnden Partnern zu haben, machen dem Gewerbe Konkurrenz: Seitensprungagenturen und Swingerclubs etwa. Eine Flut von "Tatsachenberichten" - von der studentischen Prostituierten bis zur Hausfrau als Hobbyhure - zeigt andererseits an: Bezahlter Sex findet mehr denn je in der Mitte der Gesellschaft statt.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

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#16

Beitrag von ehemaliger_User »

Wer Interesse an dem kompletten EMMA-Dossier hat kann sich bei mir per PN melden.
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Re: Emma Dossier Prostitution

#17

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Englischsprachige Sexworker haben ein Video gegen radikal-fundamentalistische Feministen gemacht:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=2TdEYqOZY_E[/youtube]
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 10.04.2011, 00:31, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Emma Dossier Prostitution

#18

Beitrag von friederike »

@Marc,
vielen Dank! Ein sehr gutes Video mit sehr authentischen Auftritten von intelligenten Sexworkern - und mit genau den richtigen Argumenten!

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#19

Beitrag von Arum »

In der jetzigen ZEIT ein Beitrag zum Kachelmann-Prozess. Natürlich ist darin auch die Rede von Alice Schwarzer:

ZITAT:

Eine allerdings hat Verständnis für all das: Alice Schwarzer. Für Bild kommentiert die 69-jährige Feministin das Geschehen vor dem Landgericht Mannheim, ohne selbst in nennenswertem Umfang am Prozess teilzunehmen. Das hindert sie nicht, im Massenblatt Stimmung gegen den Angeklagten zu machen und blindlings Partei für jene Exgeliebte Claudia Simone D. zu ergreifen, die ihn im Februar 2010 wegen Vergewaltigung angezeigt hat und deren Glaubwürdigkeit von Anfang an äußerst zweifelhaft war. In privaten E-Mails hat Schwarzer dem angeblichen Opfer schon zu Prozessbeginn Mut zugesprochen (»Bleiben Sie stark!«) und es zu sich nach Köln eingeladen (»vielleicht würde Ihnen das ja sogar Spaß machen? Bitte geben Sie mir ein Zeichen...«). Dort sollte D. nach dem Prozess das Manuskript von Schwarzers geplantem Kachelmann-Buch vor der Veröffentlichung gegenlesen. In den Medien beklagt Schwarzer Kachelmanns Verlogenheit und wirft ihm vor, er habe etliche Heiratsversprechen gegeben und nicht gehalten.

Wir hören richtig: Heiratsversprechen! Ist das nun übrig geblieben vom Feminismus? Ist das nun die Frauengeneration, die Alice Schwarzer sich ausgemalt hat und für die sie gekämpft haben will?


Autonomie ist die zentrale Idee der Moderne. Der Mensch bestimmt sich selbst. Alles läuft darauf zu – ganz besonders im Leben der Frauen. Sie fordern Handlungsfreiheit. Sie wollen selbst entscheiden, ob und wann sie ein Kind bekommen, ob sie sich an einen Mann binden oder nicht. Sie streben in die Vorstandsetagen der Unternehmen. Sie wollen Posten. Sie wollen das Sagen haben in der Politik und den Universitäten. Sie wollen mehr Geld, ihre Meinung äußern, unabhängig sein, sich durchsetzen, die Welt der Männer umkrempeln und – sie besser machen. Und das alles völlig zu Recht.

Aber Selbstbestimmung bedeutet auch, Verantwortung für das eigene Leben zu tragen – für das, was einem widerfährt, und für das, was man sich gefallen lässt. Selbstbestimmung ist das Gegenteil von Selbstbetrug. Wollen die Frauen auf der einen Seite Menschen führen und sich gleichzeitig in Liebesdingen benehmen wie die kleinen Kinder, die noch das Abwegigste glauben, was man ihnen vorsetzt? Die aus allen Wolken fallen, weil einer sie anlügt, und dann zu Illustrierten laufen, um sich dort öffentlich selbst zu therapieren?

Wer will solche Frauen ernst nehmen? Alice Schwarzer tut es. Aus der munteren Vorkämpferin der Frauenbewegung ist eine böse Großmutter geworden, die sich mit Personen solidarisiert, die würdelos handeln und die ihre intimsten Erlebnisse zu Geld machen. [Anm. Und das sind in diesem Fall eben keine....] Früher wollten Feministinnen vom Schlage Schwarzers die Frau aus der Knechtschaft der Ehe befreit sehen, heute bejammern sie, dass Kachelmann sein Eheversprechen nicht hält.


http://www.zeit.de/2011/15/WOS-Kachelma ... uen?page=1
Guten Abend, schöne Unbekannte!

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RE: Antworten auf EMMA bzw. ALICE SCHWARZER

#20

Beitrag von friederike »

Alice Schwarzer ist schlimmer als eine böse Grossmutter: sie ist ein bösartiges Fossil und hat sich bereits mit 69 Jahren überlebt.

Sie hat sicher ihren Beitrag geleistet und, wenn man so will, hat sie ihre Ziele zumindest teilweise erreicht. Für uns heutige junge Frauen hat sie nichts mehr zu sagen, die Welt, die Alice Schwarzer erlebt hat, ist nicht mehr die unsere. "Gleichberechtigung" ist für uns kein Diskussionsgegenstand mehr, weil sie selbstverständlich geworden ist. Meine Altersgenossinnen kämen nicht mehr auf den Gedanken, an unseren privaten und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu zweifeln.

Allerdings: auf einem Gebiet müssen wir noch kämpfen, nämlich für die sexuelle Selbstbestimmung, das Recht auf Prostitution eingeschlossen. Und gerade da steht uns das alte Krokodil im Weg.

Alice Schwarzer, hör auf. Geh in Rente, es ist Zeit.

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