Zur Sexwork-Geographie
In der Bundeshauptstadt, im Bundesland Wien gilt seit 1.11.11 ein neues Prostitutionsgesetz:
Dieser politische Prozess in Österreich ermöglicht viele Einblicke in die Prostitutionsreglementierung
Prostitutions-Erlaubnis-Karte Wien
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gelb - Straßenstrich erlaubt
schwarz - Straßenstrich verboten
Diese Karte zeigt im Überblick: "Da wo Menschen leben und viele Straßen sind im Stadtkern ist Prostitution verboten. Am unbelebten Stadtrand, wo es nachts gefährlich wird, wird Prostitution freigegeben".
Weil diese Aussage politisch unklug ist, ist diese Gesamtkarte von der
Magistratsverwaltung nicht zu haben. Sie mußte erst selbst von einer Sexworker-Interessenvertretung hergestellt werden.
Auch ein eigenes
Gutachten vom Sexworker Forum wurde zu den Entwürfen zum neuen Prostitutionsgesetz eingebracht. Doch die Verhandlungsposition für Sexworker ist nahezu Null abgesehen etwa von Opferschutzmaßnahmen. Statt die Selbstorganisation der Sexworker zu verankern und zu fördern und mit dieser dann tragfähige Regelungen abzustimmen, wird auf die Karte Kriminalisierung gesetzt und als Kommunikation dienen dann reißerische Medienberichte über Polizeikontrollen auf dem indirekten Weg als Sprache der Macht. Ansätze von seit 2005 bestehender Sexworker-Selbstorganisation werden in den offiziellen Texten verschwiegen.
Alteingelaufene Straßenstrichgebiete wurden verboten wg. Wohngebiet.
Neue Verlegungsgebiete werden ausgewiesen in teilweise unbewohnten, gefährlichen Randlagen, die kein Kunde kennt ("Gotham City für Huren").

[Kurier.at]
Doch eine amtlich verordnete Verlagerung von subkulturellen gewachsenen Lebensbereichen gestaltet sich extrem schwierig. Schon zwei andere Verlegungen wurden nicht angenommen (
Linzer Straße und Linke Wienzeile).
Bei so einem Regulierungswandel besteht akuter Bedarf für Sexwoker an Behörden oder wenn diese versagen an Hilfsvereine oder wenn diese auch versagen an die Sexworker-Interessenvertretung, falls es die denn ansatzweise in der betreffenden Stadt gibt, beratendes Info- und Kartenmaterial zu erarbeiten. Das ist hiermit geschehen. So z.B. für den neu ausgewiesenen
Wiener Zentralstrich Prater-Messe neben dem jetzigen neuen Sperrgebiet Struverviertel im 2. Bezirk, Leopoldstadt.

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Sonst muß es sich die Sexarbeiter_in halt selbst machen (alleinselbständige Unternehmerin, neue Selbständige). Heute geht das mit
Google Maps (Anleitung) recht fix.
Aus der zum Prostitutionsgesetz gehörenden umständlichen Textformulierung mit Straßennamen, Straßenkreuzungen und Bürgersteigseiten in Bezug auf Himmelsrichtungen, wie sie im Internet steht, ist eine fremdsprachlich-migrantische Sexarbeiter_in wohl kaum immer in der Lage genau Ort und Begrenzung der Toleranzzone festzustellen, um vor polizeilicher Verwarnung und Strafe geschützt zu sein. Zu Safer-Streetwork gehört also mehr als Kondome zu verteilen.
Früher vor dem 1.11.11 war es noch verzwickter, da galten 300m-Verbotszonen bei sozialen Einrichtungen, so daß dazwischen oftmals nur kleine Zwickel mit Prostitutionserlaubnis übrig blieben.
Karte 15. Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus

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Dieser Bezirk ist jetzt aufgrund des Einsatzes von 2 Bürgerinitiativen zu 100% Sperrgebiet = Prostitutionsverbotszone.
Früher gab es also eine Vielzahl von Straßenstrichgebieten, wo die Polizei die Sexworker
gejagt und abkassiert hat, die falsch in den Verbotszonen (violett), statt in den dazwischen verbleibenden Toleranzzonen (weiß) standen.
So eine Felberstrich-Karte mit ihren getrennten 3 Toleranzzonen innerhalb von 600m hätten die Sexworker damals gebraucht. Stattdessen wurden 1 Mio Euro Strafgelder aus ihnen herausgepresst. Einige wurden dadurch noch mehr gezwungen anzuschaffen, bekamen weitere Strafen und landeten in einer kriminellen Karriere.
Strichkarte für Sexworker

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Statt die Sexworker mit eigenem Kartenmaterial auszustatten und mehrsprachlich zu beraten, gibt es auch heute bisher
nur unzureichende deutschsprachige Infoflyer vom Wiener Magistrat zum Prostitutionsgesetz (ohne Mitwirkung der Sexworker mit Migrationshintergrund).
P.S. in Adelaide, Süd-Australien kämpfen die Sexworker bereits im Vorfeld gegen die Einführung von 200m-Verbotszonen.
Dass das Indoor-Prostitutionsgewerbe dennoch in der Innenstadt flächendeckend verortet ist zeigt eine Marktstudie der im Internet werbenden Sexworker und Betriebe.

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Solche Google-Maps (mashup charts) sind das heutige Äquivalent zum gedruckten "Galanterie-Führer". Es zeigt die Sexwork- und Pay6-Topologie einer pulsierenden Millionenmetropole an der Grenze zwischen Zentraleuropa und Balkan. Diese bisher seltenen oder gänzlich fehlenden Darstellungen und Kartensammlungen sind ein wichtiger neuer Bereich emanzipativer Stadtsoziologie und Geographie im Sinne von Sexworkern und ihrer Kunden. Occupay Sex and the City.
Sammlung internationaler Karten
www.sexworker.at/lokal - Städte
www.sexworker.at/international - Länder
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