Niederlassungsfreiheit vs. Sperrbezirksverordnungen

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
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Marc of Frankfurt
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#101

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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nina777 hat geschrieben:In Stralsund sollen Bordelle offiziell erlaubt werden. Der Ausschuss für Familie, Sicherheit und Gleichstellung der Bürgerschaft empfiehlt, die „Verordnung über das Verbot der Prositution in der Hansestadt Stralsund“ aus dem Jahr 1996 aufzuheben.

Das liest man selten heutzutage. Da gilt es Daumen drücken. Dann gibt es evt. bald "Lokale Liberalisierung, Niederlassungsfreiheit und Entkriminalisierung" zu feiern.

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nina777
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#102

Beitrag von nina777 »

15.4.2011

Kein Platz für Prostitution

Weil die Städte Hürth und Brühl Angst davor haben, dass sich die Prostitution in ihre Stadtgebiete verlagert, werden diese kurzerhand zu Sperrbezirken erklärt. Doch für die Szene gibt es immer weniger Platz, und es kommt zu harten Revierkämpfen.


HÜRTH/BRÜHL - Noch gilt die neue Sperrbezirksregelung in Hürth, Brühl und dem Kölner Süden nicht, da gibt es schon Unruhe auf dem Straßenstrich. Vom 1. Mai an wird nur noch am Containerbahnhof Eifeltor Prostitution uneingeschränkt erlaubt sein. Die Brühler Landstraße und der Militärring werden wie weitere Bereiche (siehe Grafik) zum Sperrbezirk erklärt. In den Sperrbezirken in Brühl und Hürth ist dann generell Prostitution verboten, während im Bereich Grüngürtel – von Junkersdorf bis Rodenkirchen, inklusive Meschenich in den Nachtstunden (20 bis 6 Uhr) weiter angeschafft werden darf.

Zu wenig Platz

Seit die Pläne bekannt sind, gibt es Streit am Straßenstrich. Das Problem: Der Platz wird für die etwa 70 Wohnwagen und etwa 50 Frauen am Straßenrand ohne Fahrzeuge nicht ausreichen. Wohnwagen gingen bereits in Flammen auf, und erst am Mittwochabend wurde einer Prostituierten die Tageseinnahme geraubt.

Schon jetzt wird der beengte Raum am Eifeltor, auf dem 24 Stunden am Tag der Prostitution nachgegangen werden darf, unter den Huren und Zuhälterbanden aufgeteilt. Winkten sonst die Prostituierten aus fünf oder vielleicht sechs Wohnwagen heraus, so stehen auf den Parkstreifen heute schon bis zu 20 Liebesmobile.

Furcht vor Verlagerung

Mit der neuen Sperrbezirksregelung, will man die eine Verlagerung oder Verdrängung der Szene nach Hürth und Brühl verhindern. Für die Stadt Hürth ist die Sache eindeutig: „Wir werden rigoros dagegen vorgehen. Wir haben die Möglichkeit, Bußgelder zwischen fünf und 1000 Euro zu verhängen. Außerdem wird derzeit geprüft, inwieweit Freier belangt werden können“, erklärt Willi Pütz, Pressesprecher der Stadt Hürth. Er kündigt ab dem 1. Mai verstärkte Kontrollen an. Mehrere Mitarbeiter vom Ordnungsamt werden den Sperrbezirk genau inspizieren.

Sechs Mitarbeiter vom Brühler Ordnungsamt werden ebenfalls aufpassen, dass sich der Straßenstrich nicht auf das Gebiet der Schlossstadt ausweitet. Kerstin Uelzen von der Pressestelle der Stadt Brühl: „Wir gehen erst mal davon aus, dass es keine Schwierigkeiten geben wird.“ Sollten doch Probleme auftreten, will Brühl ebenfalls wie Hürth mit saftigen Ordnungsgeldern die Prostituierten zur Kasse bitten. In einem solchen Fall will die Stadt Kontakt mit der Polizei aufnehmen.

Grundsätzlich ist Prostitution seit 2002 nicht mehr sittenwidrig und verboten – es sei denn, Kinder und Jugendliche sind gefährdet. In Hürth und Brühl liegen schützenswerte Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen besucht werden. Dazu zählen Kindergärten, Grund-, Förder-, Realschulen sowie ein Gymnasium. Außerdem befinden sich mehrere Kinderspiel-, Bolz- und Fußballplätze sowie ein Schwimmbad in den neuen Sperrbezirken.

Bild


http://www.ksta.de/html/artikel/1302811889767.shtml


Lokalnachrichten Köln
viewtopic.php?t=1393&postdays=0&postorder=asc&start=0
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Sperrbezirksverordnungen oft nicht evidenzbasiert

#103

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Metastudie über Sperrgebietsverordnungen in den USA:
Die Rechtsdoktrin der Begleitkriminalität als bloße Hypothese entlarvt

Government Regulation of "Adult" Businesses Through Zoning and Anti-Nudity Ordinances:
Debunking the Legal Myth of Negative Secondary Effects



Paul Bryant e.a.
pp. 177-218
2001
in:
Communication researchers and policy-making
by Sandra Braman


  • Schlußfolgerung:

    "... die wissenschaftliche Beweiskraft von häufig angewendeten Studien ist fragwürdig und die Methoden sind schwerwiegend fehlerhaft und sinnentstellend..." [p. 206]

http://books.google.co.uk/books?hl=en&l ... aw&f=false





Hier als Beispiel wie eine falsche Studie wissentschaftlich entkräftet wurde:

Zusammenhang zwischen Erotikgewerbe und Vergewaltigungen in Nord-London

The impact of adult entertainment on rape statistics in Camden: a re-analysis.
by Brooke L. Magnanti, PhD.

Bild

Die Prostitutionsgegner (Abolitionisten) hatten nur die rote Kurve bekanntgegeben. Erst größere Zahlenmengen und ihre korrektere Aufbereitung zeigen dass ein "Prostitutionsproblem" nur manipulativ herbeigeredet wurde!

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=96571#96571


Typische logische und wissenschaftliche Fehler bei Gutachten und typischen Fragen der Epidemiologie, d.h. was gut oder schlecht für die Gemeinschaft ist:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=105997#105997





.
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fast flächendeckendes Prostitutionsverbot

#104

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Menschenhandel-Urteil Schöffengericht Rosenheim gegen Escort-Agentur in Bayern 26.04.11:

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"In ganz Südostbayern kommt nur Rosenheim als Ort der "bezahlten Liebe" in Frage.

Es gibt in ganz Deutschland eine Vielzahl von Gebieten, in welchen die Ausübung von Prostitution verboten ist. Das sind in Bayern alle Orte, die weniger als 30.000 Einwohner haben."

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Kirchturmpolitik

#105

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Der Städte- und Gemeindebund (DStGB) warnt die großen Kommunen davor, die Zunahme der Prostitution mit einem Verbot des Straßenstrichs bekämpfen zu wollen.

Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag): dadurch würden die negativen Begleiterscheinungen nicht beseitigt, "sondern lediglich in die Umlandstädte abgeschoben".



www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98277#98277

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#106

Beitrag von nina777 »

30.06.2011

Anwalt fordert Schilder für Sperrbezirk

Düsseldorf. Skandal im Sperrbezirk! Findet jedenfalls Rechtsanwalt Wolfgang Leyendecker. Sein Mandant, ein LKW-Fahrer (59) aus Ratingen habe nicht wissen können, dass er an der Karlstraße keine Damen in sein Auto einsteigen lassen darf. Der 59-Jährige wollte das Bußgeld von 250 Euro wegen des Verstoßes gegen die Sperrbezirksverordnung dafür nicht zahlen.


Er hatte Einspruch eingelegt, darum verhandelte jetzt das Amtsgericht. Der Anwalt erklärte, dass der 59-Jährige wegen einer Besorgung in diesen Stadtbereich gefahren sei. Und dann „spontan“ die junge Frau in sein Auto gelassen habe, die ihn wegen des Regens um Mitnahme bat. Sie hätten gar nicht über Sex-Dienstleistungen gesprochen. Der Angeklagte: „Ich hatte einfach Mitleid mit ihr.“

Das Hauptargument des Anwalts: Der Sperrbezirk sei nicht gekennzeichnet, das sei aber für Verwaltungsakte wie Bußgeldbescheide nötig. Wie für Bannmeilen und Umweltzonen müsse es auch für Sperrbezirke Schilder geben, damit Ortsfremde Bescheid wissen.

Doch der Richter winkte ab: In den meisten Großstädten sei rund um den Hauptbahnhof Sperrbezirk. Wer in eine fremde Stadt fahre, müsse sich eben kundig machen. „Das tue ich auch immer“, bekräftigte er, schränkte dann wegen erstaunter Blicke aus dem Publikum ein: „Natürlich nicht in Bezug auf den Sperrbezirk.“

Auch der Vorwurf, die Polizei lasse die Prostituierten gewähren und kassiere bei Freiern ab, zog nicht. Der Richter machte deutlich, dass der Einspruch wenig Aussicht auf Erfolg hat, die Vernehmung weiterer Zeugen den Prozess nur teurer mache. Der 59-Jährige lenkte ein und akzeptierte das Bußgeld.

http://www.derwesten.de/staedte/duessel ... 22165.html
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Re: Kennzeichnungspflicht

#107

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das ist ja wohl ein Witz

> Richter Dirk Kruse im Amtsgericht Düsseldorf-Ratingen: "In den meisten Großstädten sei rund um den Hauptbahnhof Sperrbezirk."

Unsere kollektive Sammlung hier belegt eindrucksvoll das Gegenteil von einheitlichen Sperrbezirksgrenzen !!!

Unsere kollektive Erfahrung beim Sammeln der Sperrgebietskarten belegt eindrucksvoll welche Hürden vorhanden sind, bevor ein Bürger sich überhaupt informieren kann !!!


Das Hauptargument des Anwalts der Verteidigung hingegen ist sehr interessant und sollte von uns weiter verfolgt werden:
Der Sperrbezirk sei nicht gekennzeichnet, das sei aber für Verwaltungsakte wie Bußgeldbescheide nötig. Wie für Bannmeilen und Umweltzonen müsse es auch für Sperrbezirke Schilder geben, damit Ortsfremde Bescheid wissen.


Das Problem kennen vielerorts z.B. in Bonn oder Wien die Sexworker, die mit Bußgeldern ökonomisch vertrieben werden sollen, und ebenfalls die vielerorts komplexe Topographie der Sperrgebiete kaum wirklich kennen können.

Sexworker sind auch insofern häufiger betroffen, weil sie als Anbieter ständige Präsenz zeigen (müssen) und allein daher schon mit höherer Wahrscheinlichkeit am verbotenen Ort angetroffen werden können. Und wenn ein Bußgeld einen schmerzlichen Lerneffekt erzeugen kann, dann verständlicherweise nur für den Ort und Straßenabschnitt, wo die Ordnungswidrigkeit bestraft wurde. Denn es gibt kaum Chancen für mobile Sexworker sich städteübergreifend zu informieren.

Die Bußgelder bewirken also letztlich das Gegenteil. Sie schaffen eine Verpflichtung zur Mehrarbeit und somit die Gefahr des sich Verfangens in der Prostitution. Das was klassischerweise Zuhältern vorgeworfen und streng abgestraft wird, geht dann vom Staat und seinen Ordnungsbehörden aus. Gegen genau solche strukturellen, prekarisierenden Verhältnisse haben die Sexworker 1975 in Frankreich mit der Kirchenbesetzung revoltiert.


Das Dilemma: Verbotsschilder würden auf etwas verbotenes hinweisen, was tabuisiert ist und unsichtbar sein soll. Das verlockende Verbotene würde besonders bekannt werden. Das "Verbot von Werbung für Prostitution" (OWiG) würde durch amtliche Schilder ad absurdum geführt. Eine Herausforderung für Designer von Verkehrsschildern. Hier die Version als Gebotsschild:

Bild
Verkehrsschilder






Aber es gilt in der Prostitution das ungeschriebene Gesetz "es kann nicht sein, was nicht sein darf" (Moralisches Sittengesetz). Während sonst gilt: "Alles ist erlaubt was nicht verboten ist" (ex positivo), gilt in der Prostitution: "Alles ist verboten, was nicht erlaubt ist" (ex negativo).

Die Gültigkeit von ungeschriebenen Gesetzen in der Prostitution haben übrigens die Richter des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, als sie eine Klage gegen Sperrgebietsverordnungen grundsätzlich zurückgewiesen haben:
BVerfG, 1 BvR 224/07 vom 28.4.2009, Absatz-Nr. 23
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=57820#57820

Die so höchstrichterlich zementierte Prostitutionsfeindlichkeit werden die Amtsrichter höchstwahrscheinlich anwenden.





.

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Das Problem mit der Niederlassungsfreiheit

#108

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zum Thema Verbote und Verordnungen im Allgemeinen:


Bild


Sexworker sind wie Vögel.

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Re: Verbot Niederlassungsfreiheit

#109

Beitrag von fraences »

Bis datum symbolisierte ich mit Vögel Freiheit."So frei wie die Vögel sollt ihr sein,....." Aber das Schild bringt mich wohl zu umdenken.

LG
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RE: Niederlassungsfreiheit vs. Sperrbezirksverordnungen

#110

Beitrag von Jupiter »

Da fehlt nur noch die weiße Spur auf dem Schild. Frei nach dem Motto: Ich schei...drauf, was ihr wollt!

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

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Re: Verbot Niederlassungsfreiheit

#111

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Du bist mutig, den Gedanken hatte ich mir verkniffen ;-)




(Ob der geniale Designer/Fotograph das beabsichtigt/induziert hat?)

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Totschlagargument Jugendschutz

#112

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Urteil:

Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen hat den Antrag einer Prostituierten abgelehnt, in ihrem angestammten Revier auf dem Modellprojekt Straßenstrich mit Safer-Sex drive-in Love-Boxen auf der Ravensberger Straße in Dortmund arbeiten zu dürfen.



www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=101922#101922

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Re: Totschlagargument Jugendschutz

#113

Beitrag von Snickerman »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Urteil:

Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen hat den Antrag einer Prostituierten abgelehnt, in ihrem angestammten Revier auf dem Modellprojekt Straßenstrich mit Safer-Sex drive-in Love-Boxen auf der Ravensberger Straße in Dortmund arbeiten zu dürfen.



www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=101922#101922
Als ich im WDR gesehen habe, wie sie direkt am Morgen des 1. Juni die vordem noch vielgelobten Verrichtungsboxen
abgerissen und weggebaggert haben, blutete mir das Herz-
wie mag es wohl den Frauen gegangen sein, deren Arbeitsplätze gerade geschreddert wurden?
Ich höre das Gras schon wachsen,
in das wir beißen werden!

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Wien

#114

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zur Sexwork-Geographie


In der Bundeshauptstadt, im Bundesland Wien gilt seit 1.11.11 ein neues Prostitutionsgesetz:

Dieser politische Prozess in Österreich ermöglicht viele Einblicke in die Prostitutionsreglementierung



Prostitutions-Erlaubnis-Karte Wien

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(members only)

gelb - Straßenstrich erlaubt
schwarz - Straßenstrich verboten

Diese Karte zeigt im Überblick: "Da wo Menschen leben und viele Straßen sind im Stadtkern ist Prostitution verboten. Am unbelebten Stadtrand, wo es nachts gefährlich wird, wird Prostitution freigegeben".

Weil diese Aussage politisch unklug ist, ist diese Gesamtkarte von der Magistratsverwaltung nicht zu haben. Sie mußte erst selbst von einer Sexworker-Interessenvertretung hergestellt werden.

Auch ein eigenes Gutachten vom Sexworker Forum wurde zu den Entwürfen zum neuen Prostitutionsgesetz eingebracht. Doch die Verhandlungsposition für Sexworker ist nahezu Null abgesehen etwa von Opferschutzmaßnahmen. Statt die Selbstorganisation der Sexworker zu verankern und zu fördern und mit dieser dann tragfähige Regelungen abzustimmen, wird auf die Karte Kriminalisierung gesetzt und als Kommunikation dienen dann reißerische Medienberichte über Polizeikontrollen auf dem indirekten Weg als Sprache der Macht. Ansätze von seit 2005 bestehender Sexworker-Selbstorganisation werden in den offiziellen Texten verschwiegen.


Alteingelaufene Straßenstrichgebiete wurden verboten wg. Wohngebiet.

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Neue Verlegungsgebiete werden ausgewiesen in teilweise unbewohnten, gefährlichen Randlagen, die kein Kunde kennt ("Gotham City für Huren").

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[Kurier.at]

Doch eine amtlich verordnete Verlagerung von subkulturellen gewachsenen Lebensbereichen gestaltet sich extrem schwierig. Schon zwei andere Verlegungen wurden nicht angenommen (Linzer Straße und Linke Wienzeile).


Bei so einem Regulierungswandel besteht akuter Bedarf für Sexwoker an Behörden oder wenn diese versagen an Hilfsvereine oder wenn diese auch versagen an die Sexworker-Interessenvertretung, falls es die denn ansatzweise in der betreffenden Stadt gibt, beratendes Info- und Kartenmaterial zu erarbeiten. Das ist hiermit geschehen. So z.B. für den neu ausgewiesenen Wiener Zentralstrich Prater-Messe neben dem jetzigen neuen Sperrgebiet Struverviertel im 2. Bezirk, Leopoldstadt.

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Sonst muß es sich die Sexarbeiter_in halt selbst machen (alleinselbständige Unternehmerin, neue Selbständige). Heute geht das mit Google Maps (Anleitung) recht fix.

Aus der zum Prostitutionsgesetz gehörenden umständlichen Textformulierung mit Straßennamen, Straßenkreuzungen und Bürgersteigseiten in Bezug auf Himmelsrichtungen, wie sie im Internet steht, ist eine fremdsprachlich-migrantische Sexarbeiter_in wohl kaum immer in der Lage genau Ort und Begrenzung der Toleranzzone festzustellen, um vor polizeilicher Verwarnung und Strafe geschützt zu sein. Zu Safer-Streetwork gehört also mehr als Kondome zu verteilen.





Früher vor dem 1.11.11 war es noch verzwickter, da galten 300m-Verbotszonen bei sozialen Einrichtungen, so daß dazwischen oftmals nur kleine Zwickel mit Prostitutionserlaubnis übrig blieben.

Karte 15. Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus
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Dieser Bezirk ist jetzt aufgrund des Einsatzes von 2 Bürgerinitiativen zu 100% Sperrgebiet = Prostitutionsverbotszone.

Früher gab es also eine Vielzahl von Straßenstrichgebieten, wo die Polizei die Sexworker gejagt und abkassiert hat, die falsch in den Verbotszonen (violett), statt in den dazwischen verbleibenden Toleranzzonen (weiß) standen.

So eine Felberstrich-Karte mit ihren getrennten 3 Toleranzzonen innerhalb von 600m hätten die Sexworker damals gebraucht. Stattdessen wurden 1 Mio Euro Strafgelder aus ihnen herausgepresst. Einige wurden dadurch noch mehr gezwungen anzuschaffen, bekamen weitere Strafen und landeten in einer kriminellen Karriere.


Strichkarte für Sexworker

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Statt die Sexworker mit eigenem Kartenmaterial auszustatten und mehrsprachlich zu beraten, gibt es auch heute bisher nur unzureichende deutschsprachige Infoflyer vom Wiener Magistrat zum Prostitutionsgesetz (ohne Mitwirkung der Sexworker mit Migrationshintergrund).

P.S. in Adelaide, Süd-Australien kämpfen die Sexworker bereits im Vorfeld gegen die Einführung von 200m-Verbotszonen.

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Dass das Indoor-Prostitutionsgewerbe dennoch in der Innenstadt flächendeckend verortet ist zeigt eine Marktstudie der im Internet werbenden Sexworker und Betriebe.

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Solche Google-Maps (mashup charts) sind das heutige Äquivalent zum gedruckten "Galanterie-Führer". Es zeigt die Sexwork- und Pay6-Topologie einer pulsierenden Millionenmetropole an der Grenze zwischen Zentraleuropa und Balkan. Diese bisher seltenen oder gänzlich fehlenden Darstellungen und Kartensammlungen sind ein wichtiger neuer Bereich emanzipativer Stadtsoziologie und Geographie im Sinne von Sexworkern und ihrer Kunden. Occupay Sex and the City.

Sammlung internationaler Karten
www.sexworker.at/lokal - Städte
www.sexworker.at/international - Länder





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 03.04.2013, 15:48, insgesamt 2-mal geändert.

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"Sex Work is Guerilla Sex"

#115

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Neue sozio-kulturelle Trends der Stadtaneignung und Nutzung:


- Guerilla Gardening - Stadtbegrünung

- Guerilla Farming - Nutzpflanzen

- Guerilla Knitting - gestricktes Graffity

- Guerilla Cooking - temporäre Volksküche

- Raves, Spray art, Graffity, Flash mobs...

In Wien wie vielerorts gibt es derzeit eine aktive Soziokultur und Bürgerwegegung den öffentlichen Raum ungefragt zu benutzen und mitzugestalten.


Hinweis auf Straßenstrich / Kampf um Frauenrechte?
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Knit Her Story: Guerilla Knitting Aktion erinnert zum 100. Jahrestag an den Weg der ersten FrauenDemonstration in Wien am 19.März 2011.


Video
www.3sat.de/webtv/?111103_guerilla_kuz.rm


Nichts anderes machen die Sexworker. Street art. Nichts anderes geschieht im Pay6. Performing arts. Zumal Sex ob mit oder ohne Gegenleistung von vielen als rein private Angelegenheit zwischen zwei erwachsenen Partnern gewertet wird. (Doch Staat und Finanzamt sehen es bei Promiskuität i.V.m. Gewerbsmäßigkeit anders.)

- Guerilla Sex: "Sexwork is Guerilla Sex"

"Keep the state out of my underware!"





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#116

Beitrag von sylviacc »

Wirtschaftlich ein Armenhaus, bietet das Saarland dennoch eine florierende Rotlicht-Szene. Der Grund: Die Nähe zu Frankreich und Luxemburg, wo Bordelle offiziell verboten wurden.

Insgesamt sind im Saarland über 260 Bordelle registriert, die meisten in der Landeshauptstadt Saarbrücken mit 127 Rotlicht-Adressen. Das ist mehr, als andere deutsche Großstädte vorweisen können. Auch das kleine Neunkirchen überrascht: Die Stadt hat 9.700 Einwohner, davon 23 % Arbeitslose, aber 60 Puffs.

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Sexarbeit im Sperrgebiet

#117

Beitrag von fraences »

Prostituierte bietet sich zwei Mal Polizisten an
Amtsgericht stellt Verffahren gegen 21-jährige Frau aus dem Landkreis ein


Prostituierte bietet sich zwei Mal Polizisten an
Von Eileen Kircheis

BIBERACH Gnade vor Recht hat Richter Peter Pahnke am Montag im Amtsgericht Biberach walten lassen. Eine 21-Jährige aus dem Kreis Biberach war in gleich zwei Fällen der unerlaubten Prostitution nachgegangen. Die junge Frau arbeitete für einen Eskortservice aus dem Bodenseekreis, als sie im April des vergangenen Jahres von ihrer Chefin in ein Biberacher Hotel geschickt wurde, um sich dort mit einem potenziellen Freier zu treffen.
„Ich habe ihn gleich erkannt, als ich ins Hotel gekommen bin, dann habe ich kurz mit ihm über den Preis verhandelt“, sagt die Angeklagte. Dumm nur für sie, dass sich der Mann kurz nach der Preisverhandlung als Polizeibeamter in Zivil zu erkennen gibt. Er erklärt der Angeklagten, dass Prostitution in Gemeinden mit weniger als 35000 Einwohnern – darunter fällt auch Biberach – seit den 70er Jahren verboten ist. „Ich wusste nicht, dass ich etwas Falsches tue“, sagte die junge Frau im Gericht.
Was sie aber nicht davon abhielt, das Ganze nur einige Wochen später zu wiederholen. Denn im Mai 2011 ging die junge Frau der Polizei wieder ins Netz.

Diesmal wird die 21-Jährige von ihrer Chefin nach Bad Waldsee geschickt. „Ich habe ihr mehrmals gesagt, dass ich das nicht mehr machen will, aber sie hat das nicht wirklich akzeptiert“, sagt sie. Die Chefin habe ihr versichert, dass Bad Waldsee zu Ravensburg gehöre und damit als Gemeinde nicht zu klein sei. „Ich hatte gleich ein schlechtes Gefühl“, sagt die Angeklagte, und das täuscht sie nicht, denn abermals gerät sie an einen Ermittler der Polizei.
Zum Gerichtstermin am Montag wurde die Angeklagte von ihrem Freund begleitet. Er erfuhr erst während der Verhandlung, dass seine Freundin noch als Prostituierte gearbeitet hat, als die Beiden bereits ein Paar waren.
Keinen Kontakt mehr zur Chefin
Richter Pahnke will von der jungen Frau wissen, warum sie überhaupt als Prostituierte arbeite und nicht in ihrem gelernten Beruf als Bäckereifachverkäuferin. Seine Vermutung, dass die Prostitution einträglicher wäre, kann die Angeklagte nicht bestätigen. 180 Euro müsse ein Freier bezahlen, davon bekomme sie 60 Euro die restlichen 120 Euro gingen an ihre Chefin. Etwa zwei bis drei Freier hätte sie am Tag bedient, ihre Arbeitstage habe sie sich aussuchen dürfen. So sei sie im Monat auf etwa 1000 Euro gekommen. Mittlerweile habe sie aber keinen Kontakt mehr zu ihrer früheren Chefin und gehe nicht mehr der Prostitution nach.
Vor der Verkündung des Urteils gibt Richter Pahnke zu bedenken, dass die Verordnung zum Verbot von Prostitution aus den 70er-Jahren stamme. „Sie wurde damals eingeführt, um illegale Straßenstriche und Wohnungsprostitution zu verhindern, und das war hier ja nicht der Fall“, sagt der Richter. Deshalb sei der Unrechtsgehalt der Tat eher im unteren Bereich anzusiedeln.
Dementsprechend milde fällt das Urteil aus. Gegen einen, wie er selbst sagt, „eher symbolischen Betrag“ von 200 Euro wird das Verfahren gegen die 21-Jährige vorläufig eingestellt. Sie soll das Geld in vier Raten zu je 50 Euro an das Hospiz Wangen bezahlen.

http://www.schwaebische.de/region/biber ... 99302.html

Gut ist das ein Richter, die Sperrgebietsverordnung als nicht mehr zeitgemäß und für nicht sichtbare Prostitution anwendet.
Mich würde interessieren, was für strafrechtliche Folgen es für die Agentur hat, denn zwei drittel als Provision einzukassieren, sehe ich ala Ausbeutung.

Es ist einabsolutes Unding, das man sich legal anmeldet, aber die Ausübung enorm eingeschränkt wird.
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#118

Beitrag von ehemaliger_User »

Und wen stört Prostitution in einem Hotel oder in einer Privatwohn ung? Warum ermittelt da die Polizei überhaupt? Haben die im Oberland nichts wichtigeres zu tun?

Vielleicht sollten wir noch mehr "Stuttgart 21" vom Zaun brechen damit die Polizei mit dem Schutz von Baustellen beschäftigt ist und sich nicht mit für die öffentliche Sicherheit völlig unerheblichen Bereichen beschäftigen muss.

Mein Rechtsempfinden: die Polizeibeamten haben sich der "Verführung zu einer Straftat" schuldig gemacht. Kann ich so einen Tatbestand als nicht direkt Betroffener bei der Staatsanwaltschaft anzeigen?
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#119

Beitrag von fraences »

Was für mich so paradox ist, es wird verlangt, das man sich steuerlich und behördlich legal anmeldet, aber die praktische Basis die Tätigkeit auszuüben, wird verfolgt als ob man kriminell ist.

Ich freue mich schon, wenn der erste Agent Provokateur mich bestellt. Vielleicht muss hier mir Beharrlichkeit, den Unsinn mal über die Gerichte durch einen Präsidenz-Fall aufzuzeigen und dem ein Ende setzen.
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#120

Beitrag von alana »

In Bayern ist diese Masche ja gang und gebe und dort gibt es keine Richter, die Verständnis haben. Man wird nahezu immer zumindest zu einer saftigen Geldstrafe verdonnert. Es ist das erste mal, dass ich höre, dass man in Württemberg auch noch Lockvögel einsetzt. Es wäre schön, wenn jemand den Mum hätte bis zum BVG zu gehen.

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