Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

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Marc of Frankfurt
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Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Offener Brief an Prostituiertenorganisationen, Fachberatungsstellen, Verbände und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, die mit Frauen und Männern in der Prostitution arbeiten


Publiziert am Mai 25, 2011
www.donacarmen.de/?p=157

Gemeinsam gegen die repressive Wende in der deutschen Prostitutionspolitik!


Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) beabsichtigt in allernächster Zeit ein „schärferes Bordell-Gesetz“ zu erarbeiten. Grundlinien dieses neuen Gesetzes sollen „bis Ende Mai“ ausgearbeitet sein. Schröders Fachleute „greifen nun einige der zentralen Vorschläge auf, die die Innenminister in einem gemeinsamen Papier aufgeschrieben haben“, heißt es in einem Bericht der Zeitung DIE WELT vom 23. April 2011.

Wer einen Blick wirft auf die Forderungen der deutschen Innenminister – formuliert in einem Positionspapier des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer (SPD) für die 191. Innenministerkonferenz am 18.November 2010 in Hamburg und dort einstimmig (!) verabschiedet – und wer sich darüber hinaus den im Tenor ähnlichen Beschluss des Deutschen Bundesrats „Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten“ vom 11. Februar 2011 vor Augen führt, dem wird klar:

Das seit 2002 geltende Prostitutionsgesetz soll gekippt werden!

Die nunmehr formulierten Eckpunkte einer künftigen deutschen Prostitutionspolitik lassen keinen Zweifel aufkommen:

Es geht um eine umfassende polizeiliche Reglementierung von Frauen und Männern in der Prostitution, die auf die demütigende Stigmatisierung der Betroffenen, ihre massive Entrechtung und Kriminalisierung sowie die Rundum-Überwachung eines gesamten Wirtschaftszweigs zielt, die jedem Polizeistaat zur Ehre gereichen würde.

Das verdeutlichen die Kernforderungen der Innenminister-konferenz, an denen sich Bundesfamilienministerin Schröder orientieren will:
  1. Einführung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten

    (eine Lizenz zum jederzeitigen Schließen von Prostitutionsstätten; bei rechtlichem Fehlverhalten einzelner Frauen oder eines Betreibers würden künftig alle dort tätigen Frauen durch Entzug der Genehmigung ihren Arbeitsplatz verlieren: eine Kollektivstrafe!
    Zukünftig muss jeder, der ein Zimmer an Prostituierte vermietet, bei den Behörden vorsprechen und dafür einen Antrag stellen. Er wäre zukünftig nicht mehr nur Vermieter einer Wohnung, sondern konzessionspflichtiger Betreiber einer Prostitutionsstätte!)
  2. Vorherige Anzeige- bzw. Meldepflicht für Prostituierten

    (Diese Pflichten führen zu bürokratischer Gängelung, zu Komplett-Registrierung, zu polizeilichem Zwangs-Outing der betroffenen Frauen sowie zu einem jederzeit abrufbaren, behördlich kontrollierbaren Bewegungsprofil der Betroffenen. Die jederzeitige vorherige (!) Anzeige- oder Meldepflicht bei jedem Orts- bzw. Etablissementwechsel passt nicht zum mobilen Charakter der Prostitution.)
  3. Verpflichtung der Betreiber/innen von Prostitutionsstätten, das Meldeverhalten der Prostituierten zu überwachen

    (eine grobe Verletzung des informationellen Selbstbestimmungs-rechts freiberuflich tätiger Frauen, eine Stigmatisierung und patriachale Entmündigung erwachsener Frauen, die ins 18. oder 19. Jahrhundert gepasst hätte, nicht aber ins 21. Jahrhundert.)
  4. Ordnungs- bzw. strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen

    (Die Folge ist eine anhaltende Kriminalisierung der Betroffenen bei Nichteinhaltung der Vorschrift, was insbesondere im Hinblick auf die Anzeige- bzw. Meldepflicht für Frauen und Männer in der Prostitution der Fall sein wird.)
  5. Grundsätzliche Vermutung einer abhängigen Beschäftigung in Prostitutionsstätten

    (eine Lizenz zur Schließung von Bordellen, zur Vertreibung von Frauen in verdeckte, vermutlich weitaus unsicherer Formen der Prostitutionsausübung; eine an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen völlig vorbeigehende Droh- und Druckkulisse, um Betreiber und Prostituierte zu einer Zwangsüberprüfung eines jeden einzelnen Beschäftigungsverhältnisses durch die Rentenversicherung zu veranlassen, was aber angesichts der Mobilität von Frauen in der Prostitution faktisch nicht durchführbar ist.)
  6. Einführung einer bundesweiten Kondompflicht bei entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen

    (eine eklatante Verletzung persönlicher Grundrechte von Frauen und Männern in der Prostitution sowie ihrer Kunden; die Art und Weise, wie Geschlechtsverkehr und Sexualität praktiziert wird, ist Sache der betreffenden Menschen selbst und hat keinen Staat der Welt etwas anzugehen; aus gutem Grund kamen die Gutachterinnen der Evaluation des ProstG von 2007 nicht auf die Idee, eine Kondompflicht bei Prostitution zu empfehlen; der mühsam errungene gesellschaftliche Konsens einer auf Aufklärung und Selbstverantwortung setzenden Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten wird ohne Not aufgekündigt)
  7. Verbesserung der infektionshygienischen Beratung von Prostituierten + Einbeziehung von Prostitutionsstätten in infektionshygienische Überwachung

    (dahinter verbirgt sich die von BKA und Innenministern geforderte Wiedereinführung der erst 2001 gesetzlich abgeschafften regelmäßigen Zwangsuntersuchungen von Frauen in der Prostitution; es geht nicht um eine dringend notwendige personell bessere Ausstattung der STD-Beratungsstellen von Gesundheitsämtern, sondern wieder einmal mehr um schärferen Bestimmungen gegen die Betroffenen.)
  8. Strafbarkeit von Freiern bei leichtfertiger Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen der Opfer von Zwangsprostitution

    (hiermit schafft man nur neue Anlässe für eine Ausschnüffelung der Intimsphäre von Menschen; die Stigmatisierung der Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen dient der gesellschaftliche Ächtung von Prostitutionskunden und richtet sich gegen die Prostitution als Ganzes. Wie sollen Prostitutionskunden die ihnen zugewiesene Aufgabe der Identifizierung sog. „Menschenhandelsopfer“ erfüllen, wenn dies selbst geschulten Polizeibeamten nicht gelingt?)
  9. Sanktionierung von Freiern bei Verstoß gegen Sperrgebietsverordnungen

    (statt endlich Sperrgebietsverordnungen als unzulässige Einschränkung der freien Berufsausübung von Prostituierten abzuschaffen (wie in Berlin), sollen sie erneut legitimiert und dazu missbraucht werden, Prostitutionskunden abzuschrecken und zu kriminalisieren.)
  10. Einführung eines Mindestalters zur Prostitutionsausübung von 21 Jahren

    (eine klare Entmündigung volljähriger, erwachsener Frauen aus dem einzigen Grunde, weil sie sich für eine Tätigkeit in der Prostitution entschieden haben)
Dieser Horrorkatalog, einstimmig beschlossen von bundesdeutschen Innenministern im November 2010 und mehrheitlich gefordert von Mitgliedern des Deutschen Bundesrats im Februar 2011, läuft den berechtigten Interessen von Prostituierten an einer legalisierten Ausübung ihrer Tätigkeit ohne Entrechtung, Entmündigung, Diskriminierung und ständiger Stigmatisierung als ‚gesellschaftliche Risikogruppe‘ diametral zuwider.






Was verdeutlichen diese Grundlinien eines künftigen Umgangs mit Frauen und Männern in der Prostitution anderes als das Programm einer repressiven Wende der deutschen Prostitutionspolitik?

Über Jahre hinweg haben das Bundeskriminalamt, das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium mit ihren wahren Absichten hinterm Berg gehalten und den Eindruck erweckt, es ginge ihnen um eine Fortschreibung des Prostitutionsgesetzes durch eine „gewerberechtliche Regulierung“ von Prostitution.

Der Abschlussbericht der Evaluation des Prostitutionsgesetzes, der Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des ProstG, das BKA, das Bundesinnenministerium: Alle forderten – landauf, landab – eine „gewerberechtliche Regulierung von Prostitution“, konzentriert in der Forderung nach einer „gewerberechtlichen Konzessionierung von Prostitutionsstätten“. „Gleichstellung mit anderen Gewerben“ und „gewerberechtliche Anerkennung“ der Prostitution – so lauteten die Schlagworte.

Viele Fachberatungsstellen, die Prostituierte beraten, pflegten einen Schmusekurs mit BKA und Polizei. Mit einer Stellungnahme vom 21. März 2008 bekundeten etwa der KOK e.V. www.kok-buero.de und die Organisationen Hydra (Berlin www.hydra-berlin.de) und Phoenix (Hannover www.phoenix-beratung.de) ihre Zustimmung zur gewerberechtlichen Reglementierung: „Die Einführung einer Erlaubnispflicht für Bordellbetreiberinnen und Bordellbetreiber in die Gewerbeordnung wird grundsätzlich begrüßt“. Selbständig tätige Prostituierte sollte die Möglichkeit (nicht die Verpflichtung!) zu einer gewerblichen Anmeldung nach § 14 Gewerbeordnung eingeräumt werden. In diesem Sinne äußerten sich auch die bundesweite „AG Recht“ im Dezember 2008 sowie Organisationen in Dortmund, Nürnberg, Bochum und Marburg.

Wie eine Seifenblase ist nun die jahrelang gehegte Vorstellung geplatzt, man könne gemeinsam mit der Polizei und in engstem Schulterschluss mit staatlichen Institutionen substanzielle Politik für die Interessen von Frauen und Männern in der Prostitution machen.

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Mit dem Beschluss der Innenminister und des Bundesrats haben staatliche Institutionen und Polizei eine 180-Grad-Wende vollzogen: Eine „gewerberechtliche Regulierung“ der Prostitution steht plötzlich nicht mehr zur Debatte! Fachberatungsstellen, die auf eine Kooperation mit Polizei und staatlichen Institutionen setzen, haben sich damit öffentlich vorführen und düpieren lassen.

Im November 2010 erklären die Innenminister der Länder im Zusammenhang mit ihrem Forderungskatalog, es sei nicht länger „zielführend“, Prostitution gewerberechtlich zu regulieren. Es gäbe zu viele „moralische Besonderheiten“, daher benötige man eine „eine bundesgesetzliche Regelung sui generis“. Was heißt das anderes, als dass wieder mal Sonderrecht an die Stelle einer Gleichstellung von Prostitution mit anderen Gewerben, mit anderen Berufen treten soll. Erneut soll die rechtliche Ungleichbehandlung von Prostitution zementiert werden.

Offen bekundet dies der Abschlussbericht des Hamburger „Runden Tisches Sexuelle Dienstleistungen“ vom Juni 2010, der die Handschrift des örtlichen Landeskriminalamts und des damaligen Ex-Verfassungsschutzchefs und späteren Innensenators Vahldieck (CDU) trägt:
  • „Das Gewerberecht scheint uns nicht als der richtige Regelungsort für eine solche Erlaubnis, weil u. a. nicht alle Betreiber von Prostitutionsstätten Gewerbetreibende im Sinne des Gewerberechts sind und deshalb als solche nicht erfasst würden. Dies (die Nicht-Erfassung) trifft z. B. für jemanden zu, der in Verwaltung des eigenen Vermögens eine Wohnung zur Prostitutionsausübung zur Verfügung stellt/vermietet oder für jemanden, der einen Raum unentgeltlich zur Verfügung stellt. So könnte beispielsweise stattdessen im Prostitutionsgesetz geregelt werden, dass‚ wer beabsichtigt, für die Ausübung der Prostitution ohne selbst hieran beteiligt zu sein unmittelbar einen Raum oder mehrere Räume zur Verfügung zu stellen, ... der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf‘.“
(Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg.), Runder Tisch Sexuelle Dienstleistungen – Bericht über Arbeit und Ergebnisse, S.13)

Was dem Verzicht auf eine gewerberechtliche Regulierung von Prostitution zugrunde liegt,
  • ist das Bestreben, jede Unterkunft, in der der Prostitution nachgegangen wird, zukünftig als ‚Prostitutionsstätte‘ überwachen zu lassen;
  • ist die interessiert betriebene Verengung auf eine ausschließlich strafrechtliche Perspektive von Prostitution;
  • ist die vom BKA seit Jahren unablässig vorgetragene Forderung nach dem Recht auf jederzeitige, anlassunabhängige Kontrollen sämtlicher Prostitutionsstätten durch die Polizei statt durch staatliche Fachbehörden;
  • ist der Wunsch nach totalitärer Komplettüberwachung des gesamten Prostitutionsgewerbes.
Jetzt hat man die Hose runter gelassen: Die mit viel Tam-Tam betriebene mediale Reklame für eine angeblich notwendige „Bordellkonzessionierung“ entpuppt sich als Instrument umfassender polizeilicher Reglementierung von Prostitution.






Diesen Zweck verfolgt die Forderung nach einer ‚Bordellkonzessionierung‘ nicht erst seit gestern. Bei der ‚Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten‘ handelt es sich originär um eine Forderung des Wiesbadener Bundeskriminalamts (BKA) aus dem Jahre 1993. Die BKA-Auftragsarbeit „Logistik der Organisierten Kriminalität“ von Prof. Dr. Ulrich Sieber zeichnete seinerzeit Schreckensszenarien einer „zunehmenden Bewaffnung der Milieuangehörigen“ durch Waffen ausländischer Gruppierungen. Um Prostitution aus dieser „kriminalitätsfördernden Grauzone der Halblegalität herauszunehmen“, sollten gewerberechtliche Genehmigungen für Bordelle erteilt werden. Ausgehend von einer „moralischen Ablehnung der Prostitution“ ging es darum, dass die vom Prostitutionsgewerbe genutzten „Strukturen und Märkte beseitigt werden“, hieß es dort.

Das BKA-Konzept war eine von irrationalen Migrationsängsten motivierte Reaktion auf die Entstehung des europäischen Binnenmarkts im Gefolge des Mauerfalls von 1989. Es wurde mit der EU-Osterweiterung von 2004 und 2007 wieder aus der Schublade hervorgeholt und 2006 im BKA-Bericht „Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels unter Berücksichtigung aktueller rechtlicher und tatsächlicher Gegebenheiten“ erneut präsentiert. Das Bundeskriminalamt forderte darin anlassunabhängige (!) Betretungs- und Kontrollrechte in Bezug auf Prostitutionsstätten.

In ihrem Regierungsbericht zur Evaluation des Prostitutionsgesetzes von 2007 übernahm die damalige Familienministerin von der Leyen die Forderung nach einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten mit anlassunabhängigen Zugangs- und Kontrollrechten für die Polizei – die zuvor von niemand außer vom BKA gestellt wurde – eins zu eins direkt von den Strategen der Wiesbadener Behörde.

Erst danach machten sich Kirchen, Verbände und vom Familienministerium finanzierte Fachberatungsstellen diese Forderung zu eigen.

Am 5. Juni 2009 initiierte Bremens Innensenator Mäurer (SPD) den Beschluss, dass die Innenministerkonferenz die „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Kriminalitätsbekämpfung“ überprüfen solle. Damit gaukelte man der Öffentlichkeit und sich selbst vor, polizeiliche Probleme mit der Migrationsbekämpfung seien unmittelbar dem Prostitutionsgesetz, nicht aber – was den Tatsachen entsprach – der EU-Osterweiterung geschuldet. Denn mit ihr waren auf einen Schlag sämtliche osteuropäischen Prostituierten, die zuvor „illegal“ und daher bevorzugtes Objekt ständiger Polizei-Razzien waren, plötzlich legal.

Diese Schlappe schob das BKA aber auf das Prostitutionsgesetz: „Innenminister wollen das Prostitutionsgesetz ändern“, schrieb der SPIEGEL am 28. Mai 2009 anlässlich der 188. IMK in Bremerhaven und verwies darauf, dass die obersten Ordnungshüter den Bordellbetreibern künftig eine Konzession abverlangen wollten.

Die im Juni/Juli 2009 von der Polizei hochgespielte und öffentlich inszenierte Erregung um die so genannten „Flatrate-Bordelle“ sollte die Öffentlichkeit auf die Gesetzesänderungen einstimmen.

Den letzten Schliff besorgten die „AG Kripo“ und der „AK II“ der Ständigen Konferenz der Innenminister, die diesem Gremium am 25. Februar 2010 den Bericht „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Bekämpfung des Menschenhandels“ vorlegten. Darauf fußte Mäurers Positionspapier „Regulierungsbedarfe im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung“ vom 11.10.2010, das schließlich der Einigung der Innenministerkonferenz am 18.11.2010 in Hamburg zugrundelag. Soviel zum Entstehungshintergrund einer Forderung, die eines deutlich macht:

In Deutschland wird Prostitutionspolitik offenbar wie in früheren Jahrhunderten im Hintergrund nach wie vor von der Polizei gemacht.

Zu diesem Besorgnis erregenden Sachverhalt, vor allem aber zu den jüngsten Resultaten in Form der Beschlüssen der Innenminister vom November 2010 und des Deutschen Bundesrats vom Februar 2011 hüllen sich seit einem halben Jahr das KOK e.V. – die in Berlin ansässige Clearingstelle diverser Fachberatungsstellen, die Prostituierte beraten – sowie die bislang für eine gewerberechtliche Reglementierung der Prostitution eintretenden Fachberatungsstellen in tiefes Schweigen. Nach einer kritischen Stellungnahme zu den vorliegenden Eckpunkten einer reaktionär-polizeilichen Reglementierung von Prostitution sucht man vergebens.

Es gibt nach unserem Dafürhalten aber keinen Grund, von der Forderung nach einer gewerberechtlichen Anerkennung von Prostitution Abstand zu nehmen.

Konkret heißt das:
  • Selbständig ausgeübte Prostitutionstätigkeit sollte in Anlehnung an § 6 GewO rechtlich als ‚freiberufliche Tätigkeit‘ eingestuft werden. Das gilt auch für das Bau- und Steuerrecht. Nach wie vor weigert sich der ‚Bund-Länder-Ausschusses Gewerberecht‘, diese logische Konsequenz aus seiner Position, ‚Gewerbeanmeldungen sind abzuweisen‘, zu ziehen.
  • Prostitutionsbetriebe sollten nach § 14 GewO als „anzeigepflichtige“ Gewerbebetriebe eingestuft und behördlich registriert werden. Auch für anzeigepflichtige Prostitutionsbetriebe räumt § 35 GewO die „Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit“ ein. Nach wie vor verweigern fünf Bundesländer die Einstufung von Prostitutionsbetrieben nach § 14 GewO. Das ist nicht einzusehen.

    Um Auflagen für Prostitutionsbetriebe einzuführen, braucht man keine ‚Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten‘. Sollte man dies dennoch erwägen, müssten dafür stichhaltige und unabweisbare Gründe genannt werden und folgende Punkte allesamt zuvor Konsens sein:
    1. eindeutige Abschaffung der so genannten Sittenwidrigkeit von Prostitution im BGB;
    2. Abschaffung sämtlicher auf Prostitution zielender diskriminierender Spezialparagrafen im Strafrecht, Ordnungs-widrigkeitenrecht und Polizeirecht;
    3. Erlaubnispflicht ausschließlich im regulären Gewerberecht mit Kontrollen der fachlich zuständigen öffentlichen Stellen, nicht aber der Polizei;
    4. Gleichzeitige Anerkennung selbständig ausgeübter Prostitution als freiberufliche Tätigkeit im Gewerbe-, im Bau- und im Steuerrecht.
Diese Voraussetzungen sind bislang nicht gegeben, für eine ‚Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten‘ – ob innerhalb oder außerhalb des geltenden Gewerberechts – fehlt mithin jegliche Grundlage. Gegenwärtige Gesetzesvorschläge zielen stattdessen auf eine umfassende polizeiliche Reglementierung von Prostitution, die weder den Interessen der in diesem Gewerbe tätigen Menschen gerecht wird, noch einem legitimen gesamtgesellschaft-lichen Interesse entspricht.

Angesichts dieser Umstände und im Hinblick auf notwendige Schlussfolgerungen muss man klar und deutlich sagen: Die Strategie der Zusammenarbeit von Fachberatungsstellen mit Polizei und staatlichen Institutionen ist auf der ganzen Linie gescheitert. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Statt mehr Rechte für Frauen und Männer in der Prostitution soll es mehr Rechte für die Polizei, mehr Kontrollen und Überwachung, mehr Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung geben.

Wir halten diesen Zustand für ausgesprochen gefährlich. Höchste Zeit, dass für die Interessen der Frauen und Männer in der Prostitution öffentlich laut und vernehmlich wieder mit einer Stimme gesprochen wird.

Die Alimentierung durch staatliche Stellen, wie sie bei vielen Fachberatungsstellen der Fall ist, darf keine Schweigeprämie sein, will man nicht den in der Prostitution tätigen Frauen und Männern in den Rücken fallen.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den vorliegenden Positionen der Innenminister und des Deutschen Bundesrats ist ebenso überfällig wie eine Bilanzierung der letzten 10 Jahre Prostitutionspolitik in Deutschland. Dazu sollte man sich solidarisch zusammenfinden.

Doña Carmen e.V. schlägt deshalb die Durchführung einer gemeinsamen Konferenz vor, zu der wir aus gegebenem Anlass alle interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen, Verbänden und Institutionen, die mit Menschen in der Prostitution arbeiten, für den Herbst dieses Jahres nach Frankfurt einladen. Über den genauen Zeitpunkt sollte noch Einvernehmen hergestellt werden.

Ziel sollte es u. E. sein, unter Hintanstellung von Differenzen eine breite Front gegen die vorliegenden Eckpunkte einer polizeilichen Reglementierung des Prostitutionsgewerbes und die Pläne von Bundesministerin Kristina Schröder für ein verschärftes Bordell-Gesetz auf die Beine zu stellen. Die mit dem ProstG von 2001 begonnene Legalisierung der Prostitution in Deutschland war ein – wenn auch sehr bescheidener – Schritt nach vorne, den man verteidigen muss, nicht aber preisgeben darf.





Wir von Doña Carmen e. V. würden es sehr begrüßen, wenn der Vorschlag zu einer solchen Konferenz breit debattiert wird und uns von allen, die dieses Schreiben erreicht, eine (hoffentlich) zustimmende oder gegebenenfalls auch ablehnende Stellungnahme zugesandt wird. Ideen und Vorschläge für die Vorbereitung und inhaltliche Ausgestaltung einer solchen Konferenz sind jederzeit willkommen und sollten unter allen Interessierten offen und freimütig ausgetauscht werden.


In Erwartung Eurer / Ihrer Antwort verbleibe ich
mit kollegialen Grüßen


Juanita Henning
Sprecherin von Doña Carmen e.V.

www.donaCarmen.de




____
Fachtagungen Prostitution:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=572

Verzeichnisse der Beratungsstellen:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=3140

Bundesratsvorlage zum ProstG:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=7572

Artikel der TAZ 26.05.2011: Ministerin fordert Konzessionen für Bordelle - Die Prostituierten protestieren :
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=99316#99316
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 17.06.2011, 11:39, insgesamt 4-mal geändert.

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Beitrag von rene-hb »

Danke Marc, dass Du dieses Schreiben hier veröffentlichst.

Ich finde es super wichtig, dass sich SW jetzt endlich einmal um Ihre Rechte sorgen und auch für Ihre Rechte eintreten.

Mir wird ganz elend, wenn ich von den geplanten Gesetzesänderungen lese und ich würde mich sehr gerne daran beteiligen so einen Katalog des Grauens zu verhindern.

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Ariane
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Beitrag von Ariane »

Ich vertrete die exakt gleiche Position und Einschätzung wie Dona Carmen.
Da es mit einer Standesvertretung und Gewerkschaft nicht klappt, ohne Basis etc., trage ich mich ernsthaft mit dem Gedanken, eine Partei zu gründen und zur nächsten Bundestagswahl anzutreten. Es gibt so viel zu tun.

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Beitrag von ehemaliger_User »

@Ariane

Meine Stimme hast Du!

Ich hoffe nur, dass Dieses Gesetz nicht im Hau-Ruck-Verfahren durchgezogen wird.

Prostitution ist ja auch im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter "Frauen vor Gewalt schützen" angesiedelt. Das zeigt doch schon die Grundeinstellung. Ich empfehel Frau Schröder, mal für 6 Wochen in einem Bordell zu arbeiten damit sie weiss, wovon sie redet. Wenn sie das nicht will soll sie endlich Fachfrauen aus der Prostitution bei ihren Beratungen beiziehen!
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Marc of Frankfurt
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Re: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Marc of Frankfurt »

sollten folgende Punkte allesamt zuvor Konsens sein:
  1. eindeutige Abschaffung der so genannten Sittenwidrigkeit von Prostitution im BGB;
  2. Abschaffung sämtlicher auf Prostitution zielender diskriminierender Spezialparagrafen im Strafrecht, Ordnungs-widrigkeitenrecht und Polizeirecht;
  3. Erlaubnispflicht ausschließlich im regulären Gewerberecht mit Kontrollen der fachlich zuständigen öffentlichen Stellen, nicht aber der Polizei;
  4. Gleichzeitige Anerkennung selbständig ausgeübter Prostitution als freiberufliche Tätigkeit im Gewerbe-, im Bau- und im Steuerrecht.

Das Sexworker Forum ist eine sehr offene Plattform, die jeder User und auch die Öffentlichkeit etwas anders versteht und wo nur das stattfindet, was Leute aus eigenem Antrieb beisteuern. Nicht zuletzt ist das Forum eine Privatinitiative weniger Leute. Sexworker im Verein mit Nichtsexworker-Supportern sind hier seit 2005 öffentlich wirksam, die Situation der Sexworker neben A und CH auch in D zu verbessern und zuletzt ist das Sexworker Forum hervorgetreten als NGO gegenüber wichtigen UN-Gremien.

Wir sollten anstreben einen internen Meinugsbildungsprozess zu starten, dann zu einer integrierten Position zu gelangen um sowohl als Sexworker Forum auf diese Einladung von Dona Carmen antworten zu können als auch um uns als Sexworker Community in Deutschland vernetzt via sexworker.at gegenüber den geplanten Gesetzesänderungen öffentlich zu positionieren ... als eine deutlich hörbare Stimme der Sexworker.





1. Gibt es methodische Vorschläge wie wir vorgehen sollten?

2. Welcher Zeitrahmen ist gut?

3. Gibt es jemand der das ganze moderieren oder in besonderer Weise unterstützen möchte? Ich möchte meine bisherige selbstgewählte Rolle als Verbindungsperson zwischen Dona Carmen e.V. und anderen Teilen der Hurenbewegung an neue Leute und Sexworker weitergeben.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 05.06.2011, 00:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Wir sollten anstreben einen internen Meinugsbildungsprozess zu starten, dann zu einer integrierten Position zu gelangen um sowohl als Sexworker Forum auf diese Einladung von Dona Carmen antworten zu können als auch um uns als Sexworker Community in Deutschland vernetzt via sexworker.at gegenüber den geplanten Gesetzesänderungen öffentlich zu positionieren ... als eine deutlich hörbare Stimme der Sexworker.
Ich halte hierfür unsere Deklaration für ausreichend.

Gibt es jemanden, der diese nicht für *unsere* öffentliche Positionierung hält?

Wobei ich voraussetze, dass wir so ehrlich sein sollten unsere öffentliche Positionierung in jeder Richtung zu vertreten, also nicht beispielsweise bei internen Gesprächen mit DonaCarmen eine andere Meinung vertreten dürfen. Ist jedenfalls meine Überzeugung und zu Anderem stehe ich nicht zur Verfügung.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

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Jupiter
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RE: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Jupiter »

Zunächst mal ein großes Lob an donacarmen für diese ausführliche cronologische Zusammenfassung.

Dies passt doch in dem Bestreben der Sicherheitsbehörden, eine weitere anlassunabhängige Datenspeicherung zu generieren.

Begründung ist ja, dass Prostitution in einem kriminellen Umfeld stattfindet und damit die Prostituierten und die Prostitutionsstätten erfasst werden müssen. Ich sehe hier die Parallelen zur Vorratsdatenspeicherung, welche ja in der alten Form durch das oberste Gericht gekippt wurde.

Im Augenblick sträubt sich ja noch die Justizministerin gegen die Vorratsdatenspeicherung. Wir sollten diese auf jeden Fall auch adressieren und aufzeigen, dass hier auch anlassunabhängig erfasst werden soll.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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RE: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von fraences »

Ich gehe konform mit DonaCarmen und begruesse sehr diesen Aufruf Gemeinsam gegen die repressive Wende in der deutschen Prostitutionspolitik! Meine Einschaetzung ist aber, das wir zu spaet dran sind, hier noch in unserem Interesse etwas zu bewirken.Aber jede Stimme gegen die zur Zeit radikale Politik gegen Prostitution zaehlt. Je mehr SW sich vernetzen und für ihre Rechte aufstehen um so höher ist unsere Chance. Wie heist dieses Lied: "Stand up for your rights" Liebe Gruesse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier wurde der Brief schon zwei Stunden später von Heraklit weitergetragen:
www.bw7.com/forum/showthread.php?t=47086

- User Old Guy schlägt eine Bundestags-Petition vor, was aber namentliche Unterschriften verlangt und viele bei Prostitution nicht leisten wollen. Aber es wäre dennoch eine Möglichkeit zu zeigen, dass es auch geoutete Sexworker und Kunden gibt:
https://epetitionen.bundestag.de
(Eine der bisher erfolgreichsten e-Petitionen war von Susanne Wiest zum BGE mit 50.000 Unterschriften in kurzer Zeit und hat zu einer Anhörung geführt und das Anliegen in den Medien vorangebracht.)

- Tanja beschwert sich zu recht, dass wir Sexworker auch von Dona Carmen e.V. nicht eingeladen wurden. Ob wir nicht zu den Adressaten gehören, weil wir immer noch nur eine .at Domain haben und nicht z.B. auch die Domain sexworker-online.de dazugenommen haben? (In unserem Antwortschreiben sollte daher nachgefragt werden, warum nicht die Sexworker Netzwerke angeschrieben wurden, falls wir ein Antwortschreiben zustandebringen und uns nicht auf bestehenden Papieren wie der Sexworker Forum Deklaration ausruhen).

- In Spanien ist die Sexworker-Organisation Hetaira Teil der Revolution:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=99653#99653





Wer hat die Einladung noch in anderen Foren gesehen oder sie dort reingestellt?

Liste aller bekannten P6-Foren:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=17234#17234 (SW-only)
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 05.06.2011, 23:27, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Ariane »

Ich habe die Info jetzt im Verkehrsberichte Forum sowie im MC Escort Forum platziert (wg. max. Textlänge bzw. Überschreitung konnte ich nur einen Link zum Aufruf setzen).
Ich kann mich allerdings in den nächsten Monaten weder hier noch anderswo engagiert in Diskussionen einbringen, da ich aus beruflichen Gründen kaum Zeit habe und teils im Ausland weile. Ich hoffe auf euer Verständnis.



http://www.mc-escort.de/forum/showthread.php?t=16484


http://www.verkehrsberichte.de/wb/index ... post330943
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Re: Nächste Schritte

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:(..., falls wir ein Antwortschreiben zustandebringen und uns nicht auf bestehenden Papieren wie der Sexworker Forum Deklaration ausruhen).
Mir scheint diese Formulierung einen wenig zweckdienlichen Aktivismus seiner selbst Willen provozieren zu wollen.

Es macht IMHO wenig Sinn sich mit immer neuen Papieren hervortun zu wollen, als seien unsere bisherigen Anstrengungen auf einmal wertlos und nicht mehr verfolgenswert.

Ich weiß auch nicht wen du mit "uns ausruhen" meinst, Marc, *wir* jedenfalls arbeiten auf verschiedenen Ebenen an der Umsetzung der Ziele unserer Deklaration, die wir nach wie vor vertreten.

Aber damit es vielleicht auch für Systematiker verständlich wird:

Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:1. Gibt es methodische Vorschläge wie wir vorgehen sollten?

2. Welcher Zeitrahmen ist gut?

3. Gibt es jemand der das ganze moderieren oder in besonderer Weise unterstützen möchte? Ich möchte meine bisherige selbstgewählte Rolle als Verbindungsperson zwischen Dona Carmen e.V. und anderen Teilen der Hurenbewegung an neue Leute und Sexworker weitergeben.
Zu Punkt 1 methodisches Vorgehen:
Punkt 1.1. Bedarfsklärung
1.1.1. Wer hält es für notwendig, dass wir uns anders positionieren als das in unserer Forums-Deklaration geschehen ist?
1.1.2. Wer hält das für nicht notwendig, aber wünschenswert?
Da alles Weitere mit Ausnahme von Punkt 3. Satz 2 keinen Sinnmacht wenn kein Bedarf vorliegt, halte ich es für verfrüht zur Klärung dieser Punkte Ressourcen aufzuwenden.

Punkt 3. Satz 2 hingegen ist von der hier diskutierten Fragestellung unabhängig.

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Zwerg
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Re: Nächste Schritte

Beitrag von Zwerg »

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Aoife hat geschrieben:halte ich es für verfrüht zur Klärung dieser Punkte Ressourcen aufzuwenden.
Ich erlaube mir, aus meiner Sicht der Dinge, anzumerken: Nicht nur verfrüht - sondern zum jetzigen Zeitpunkt sogar kontraproduktiv! Und dies absolut nicht, weil wir uns ausruhen!

christian

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Dennis
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RE: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Dennis »

Task Force gegen Prostituierte

Am Morgen nach der Meisterfeier von Borussia Dortmund wurde der Straßenstrich in der Dortmunder Nordstadt dichtgemacht. Seitdem setzt man dort auf Repression. Dabei hatte die Kooperation von Stadt und Sexarbeiterinnen Modellcharakter, der auch international Beachtung fand. Peter Rehberg sprach darüber mit Claudia Fischer-Czech, Vorstandsmitglied des Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas).

Wie sah die Zusammenarbeit von Stadt und Sexarbeiterinnen in Dortmund bisher aus?

Die Kooperation fand mit der vom Sozialdienst Katholischer Frauen getragenen Kommunikations- und Beratungsstelle, KOBER, statt. Die hatte einen Container direkt am Straßenstrich, wo die Frauen sich beraten lassen, sich aufwärmen konnten, wo es auch mal eine Mahlzeit gab. Daneben gab es Verrichtungsboxen, in denen die Freier ihr Auto abstellten, sodass nichts mehr in der Öffentlichkeit stattfand. Das Ganze war natürlich auch eine Beruhigung der Nachbarschaft. Insgesamt ein sehr erfolgreiches Modell.

“Verrichtungsboxen” mit Alarmknopf auf der Beifahrerseite

Erklären Sie uns bitte die Idee der sogenannten „Verrichtungsboxen“. Es gab dort zum Beispiel Alarmknöpfe …

Sexarbeiterinnen sind durchaus Gewalt von Freiern ausgesetzt. In den Boxen konnten die Autotüren nur auf der Beifahrerseite geöffnet werden, auf der es Alarmknöpfe gab. Bei Betätigung ging das Licht an und alarmierte Kolleginnen und die Frauen von KOBER. Das hat die Arbeit für die Frauen natürlich viel sicherer gemacht.

Welche Gesundheitsdienste konnten denn die Frauen dort bisher in Anspruch nehmen?

KOBER hat Kondome verteilt, zu HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten beraten, Adressen für die Untersuchung ausgegeben und mit Sprachvermittlerinnen gearbeitet, um auf Frauen aus anderen EU-Ländern zuzugehen. Außerdem war einmal in der Woche eine ehrenamtlich arbeitende Ärztin anwesend. Das Gesundheitsamt hat dagegen keinen Service angeboten.

“Stimmungsmache und offener Rassismus”

Wie hat sich die Situation in Dortmund in den letzten Jahren verändert?

Es ist passiert, was in vielen Städten Deutschlands passiert: Rumäninnen und Bulgarinnen, die hier legal einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen können, sind nach Deutschland gekommen, um sich hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Stadt Dortmund behauptet, das Ganze sei angeschwollen auf eine Größe von 700 Frauen.

Sie zweifeln an diesen Zahlen?

Ich glaube nicht, dass es 700 Frauen waren. Ich kenne die Straße, ich kann mir das nicht vorstellen. Täglich waren etwa 70 Frauen da, selten mehr. Und wenn, dann sind sie sicherlich nicht alle zeitgleich dagewesen, sondern in Schichten. Der Ton, der hier angeschlagen wird, ist wirklich auch sehr rassistisch.

Aus Ihrer Perspektive ist durch den Zuwachs der Sexarbeiterinnen aus Bulgarien das Kooperationsprojekt nicht belastet worden?

Nein, es waren einfach mehr Frauen da. Aber letztlich hat das Modell ja funktioniert. Die Frauen sind gezielt dort hingegangen. Es war nicht so, dass Rumäninnen und Bulgarinnen überall in der Stadt herumstanden und angeschafft haben. Sie haben ganz klar den Ort erkannt und auch genutzt.

Wenn die örtliche SPD von „Menschenhandel“ und „Bandenkriegen“ spricht, dann ist das also Stimmungsmache – oder wie bewerten Sie das?

Ich bewerte das als Stimmungsmache und als einen ganz offenen Rassismus. Was neu ist an der Situation von Frauen, die aus EU-Ländern kommen: dass auch ihre Familienmitglieder nachzogen, im Unterschied zu Frauen, die drei bis sechs Monate hier arbeiten und wieder zurück gehen. Einige der Roma haben ihre Männer mitgebracht, die aufgrund der rechtlichen Regelungen nicht abhängig beschäftigt arbeiten können, deshalb auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben und dann als Nicht-Arbeitnehmer als ihre „Zuhälter“ bezeichnet wurden. Auch da ist schon Stimmungsmache drin.

Vertreibung von Prostitution aus den Innenstädten

Sehen Sie die Prostitution als einen Vorwand, vor Ort eine ausländerfeindliche Politik zu betreiben?

Ja. Das passt auch ganz gut zusammen, wenn man sich die Entwicklung in der Prostitutionspolitik allgemein anschaut. Es gibt da einen Backlash. Es ist nicht nur in Dortmund so, sondern auch in Hamburg, wo Investoren darum kämpfen, dass der Stadtteil Sankt Georg aufgewertet wird. Da ist der Straßenstrich am Hansaplatz ein Dorn im Auge. So etwas beobachten wir überall, auch europaweit. Es geht wirklich um die Vertreibung der „sichtbaren, öffentlichen“ Prostitution aus den Innenstädten.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Vorstoß des Bundesrats, bei dem es um die Verschärfung des Prostitutionsgesetzes hinsichtlich des Kondomgebrauchs geht?

Das hat mit dem Prostitutionsgesetz im Prinzip gar nichts zu tun. Das Prostitutionsgesetz regelt die Sittenwidrigkeit – die abgeschafft worden ist. Es regelt nicht nur, dass man legal arbeiten, sondern auch entweder selbstständig oder angestellt arbeiten kann. Dass die Kondompflicht jetzt dazu kommt, passt für mich in die gesellschaftliche Stimmungslage: jetzt mit Repression zu arbeiten, statt bei der Umsetzung des Prostitutionsgesetzes weiterzumachen. Das Gesetz gibt es ja schon seit zehn Jahren, und trotzdem wird die Ausstrahlungswirkung einfach nicht wahrgenommen.

Was meinen Sie damit?

Eine Forderung ist seit langem zum Beispiel, dass Prostitution als Gewerbe angesehen und auch dementsprechend behandelt wird. Das heißt, wir fordern, dass nicht mehr die Polizei kontrolliert – denn Prostitution hat nichts mit Strafrecht zu tun – , sondern dass die Gewerbeaufsicht verantwortlich ist und schauen muss: Wie sieht es mit der Hygiene aus? Wie ist die Sicherheit der Frauen und auch der Kunden gewährleistet? Wie sind die Arbeitsbedingungen? Wir klagen eine Normalisierung ein statt eine weitere Kriminalisierung durch die Kondompflicht. Wir reden hier über eine Tätigkeit, die nicht nur legal ist, sondern die auch unter dem Schutz des Grundgesetzes steht. Das wird immer vergessen.

In Bayern überprüfen Polizisten die Kondompflicht

In Bayern gibt es bereits die Kondompflicht. Welche Erfahrungen wurden dort gemacht?

In München wurden Frauen überprüft, ob sie einen Service ohne Kondom anbieten. In Augsburg wurde ähnlich vorgegangen.

Wie kann man das überprüfen?

Indem ein Polizist, der sich als Freier ausgibt, die Frau aufsucht und fragt, ob sie den einen oder anderen Service auch ohne Kondom anbietet. Wenn die Frau dem zustimmt, war das letztendlich schon der Beweis, dass es auch so vollzogen würde.

Was würde in dem Fall mit einer Frau, die in Bayern als Prostituierte arbeitet, passieren?

Beim ernsten Mal gibt es eine Verwarnung, im Wiederholungsfall kann es zu Bußgeldern und im weiteren Verlauf zu Haftstrafen kommen. In Nürnberg hat sich die Polizei geweigert, diesen Weg der Bespitzelung zu gehen. In dem Fall ist sie kein scharfes Schwert mehr. Es ist eine Verordnung, aber wer will sie überprüfen und wie?

In Dortmund kann Prostitution jetzt nicht mehr legal auf der Straße stattfinden. Welche Folgen hat das für die Prostituierten?

Es wurde eine Task-Force eingerichtet, die Prostituierte jagt. Bürger werden aufgefordert, mitzuteilen, wenn ihnen etwas auffällig vorkommt, wenn die Frauen sich eventuell einen anderen Ort suchen auf der Straße. Das ist die absolute Hetze. Das ist das Schlimmste, was ich seit Jahren erlebt habe. Sicherlich ist es auch für einige Frauen möglich, in Clubs und Bars zu arbeiten. Aber das ist auch mit Kosten verbunden. Auf der Straße müssen sie keine Miete zahlen. Die Frage ist, gehen Frauen in angrenzende Städte wie Bochum oder Essen?

Hetze gegen Prostituierte verhindert Prävention

Kann man in dieser Lage die Frauen überhaupt noch präventionstechnisch erreichen?

Natürlich nicht, das ist ja genau das Absurde. Auch KOBER sagt, es hat lange gedauert, Vertrauen aufzubauen, die Arbeit mit den Mediatorinnen zu manifestieren, so dass man mit den Frauen auch arbeiten kann, denn die hatten häufig ein anderes Gesundheitsverständnis. Die Streetworkerinnen haben ihnen gesagt: Es ist wichtig, dass du auf deinen Körper achtest, und sie haben ihnen auch gezeigt, wie man zum Beispiel safe arbeiten kann. Das geht jetzt nicht mehr, wenn man seine Klientinnen auf der Straße suchen muss, mit der Task Force im Hinterhalt.

Das klingt wie in einem schlechten amerikanischen Krimi.

Es ist furchtbar, ja. Aber eine Prostituierte aus Dortmund hat Klage eingereicht gegen die Erweiterung des Sperrbezirks. Ihre Argumentation: Sie wird an ihrer freien Berufsausübung gehindert.

Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe zum Internationalen Hurentag 2011

Erklärung des bufas zum Internationalen Hurentag am 2. Juni

Quelle: blog.aidshilfe.de

http://blog.aidshilfe.de/2011/06/02/tas ... tituierte/
Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen.

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Aoife
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Re: RE: Gemeinsam gegen neue Polizeigesetze zur Prostitution

Beitrag von Aoife »

Danke, Dennis, für deinen Beitrag!

Ich habe mir erlaubt

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an der wir auch beteiligt waren und die im Forum veröffentlicht ist mit klickbarem link zu unterlegen.

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Frederik
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Beitrag von Frederik »

Ich vermisse ein Positionspapier des Papstes zu den Zehn Geboten. Evaluiert hat er sie auch noch nicht. Was soll ich bloß den ganzen Tag lesen? Mein Fernseher ist doch kaputt!
Deutsche Wikipedia: BGE steht als Abkürzung für:
• Bedingungsloses Grundeinkommen
• Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn
• Berlin-Görlitzer Eisenbahn
• Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel
• Beyond Good & Evil, Spiel
• Blender Game Engine, Spiel-Engine der Software Blender
• Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, amtliche Sammlung
Ich finde es suboptimal, wenn normale Menschen sich mit nackten §-Hausnummern bewerfen. Juristen dürfen das. Die haben das gelernt. Hoffentlich haben sie sonst noch was gelernt.
§ 6 GewO Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, auf die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Notare, der Rechtsbeistände, der Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, der vereidigten Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften, der Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften sowie der Steuerbevollmächtigten, auf den Gewerbebetrieb der Auswandererberater und das Seelotswesen. Auf das Bergwesen findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält; das gleiche gilt für den Gewerbebetrieb der Versicherungsunternehmen, die Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht. Ferner findet dieses Gesetz mit Ausnahme des Titels XI auf Beförderungen mit Krankenkraftwagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes keine Anwendung.
(1a) § 6c findet auf alle Gewerbetreibenden und sonstigen Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 4 Nummer 2 der Richtlinie 2006/123/EG Anwendung, deren Dienstleistungen unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
(2) Die Bestimmungen des Abschnitts I des Titels VII finden auf alle Arbeitnehmer Anwendung.

§ 14 GewO Anzeigepflicht
(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn
1. der Betrieb verlegt wird,
2. der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
oder
3. der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.
(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.
(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist,
haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

Die übrigen 2 ½ Seiten sind hier nachzulesen: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/gewo/gesamt.pdf

§ 35 GewO Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit
(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder
teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Das Untersagungsverfahren kann fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird.
(2) Dem Gewerbetreibenden kann auf seinen Antrag von der zuständigen Behörde gestattet werden, den Gewerbebetrieb durch einen Stellvertreter (§ 45) fortzuführen, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Führung des Gewerbebetriebes bietet.
(3) Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf
1. die Feststellung des Sachverhalts,
2. die Beurteilung der Schuldfrage oder
3. die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist. Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des
Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.
(3a) (weggefallen)
(4) Vor der Untersagung sollen, soweit besondere staatliche Aufsichtsbehörden bestehen, die Aufsichtsbehörden, ferner die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer und, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt, auch der Prüfungsverband gehört werden, dem die Genossenschaft angehört. Ihnen sind die gegen den Gewerbetreibenden erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und die zur Abgabe der Stellungnahme erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Die Anhörung der vorgenannten Stellen kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist; in diesem Falle sind diese Stellen zu unterrichten.
(5) (weggefallen)
(6) Dem Gewerbetreibenden ist von der zuständigen Behörde auf Grund eines an die Behörde zu richtenden schriftlichen Antrages die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.
(7) Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält oder in den Fällen des Absatzes 2 oder 6 unterhalten will. Bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung sind die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Für die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung sind auch die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll.
(7a) Die Untersagung kann auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 sind entsprechend anzuwenden.
(8) Soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder
Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des
Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sind die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für Vorschriften, die Gewerbeuntersagungen oder Betriebsschließungen durch strafgerichtliches Urteil vorsehen.
(9) Die Absätze 1 bis 8 sind auf Genossenschaften entsprechend anzuwenden, auch wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt; sie finden ferner Anwendung auf den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und
Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und auf den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

§ 18 EStG
(1) Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind
1.
Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. 2Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe. 3Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. 4Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen;
2.
Einkünfte der Einnehmer einer staatlichen Lotterie, wenn sie nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind;
3.
Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z. B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied;
4.
Einkünfte, die ein Beteiligter an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht, als Vergütung für Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks erzielt, wenn der Anspruch auf die Vergütung unter der Voraussetzung eingeräumt worden ist, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben; § 15 Absatz 3 ist nicht anzuwenden.

Absätze 2-4 sind nachzulesen unter
http://www.gesetze-im-internet.de/estg//__18.html

§ 2 GewStG Steuergegenstand
(1) 1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. 2Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. 3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.
(2) 1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der
Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung), Genossenschaften einschließlich Europäischer Genossenschaften sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit. 2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 des Körperschaftsteuergesetzes, so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.
(3) Als Gewerbebetrieb gilt auch die Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nichtrechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten.
(4) Vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, heben die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf.
(5) 1Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. 2Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird.
(6) Inländische Betriebsstätten von Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich in einem ausländischen Staat befindet, mit dem kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, unterliegen nicht der Gewerbesteuer, wenn und soweit
1. die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten im Rahmen der beschränkten
Einkommensteuerpflicht steuerfrei sind und
2. der ausländische Staat Unternehmen, deren Geschäftsleitung sich im Inland
befindet, eine entsprechende Befreiung von den der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern gewährt, oder in dem ausländischen Staat keine der Gewerbesteuer ähnlichen oder ihr entsprechenden Steuern bestehen.
(7) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch
1. der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden oder dieser der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dient, und
2. der nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehörende Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets, das nach den Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als solches bestimmt ist.


§ 3 GewStG Befreiungen
Von der Gewerbesteuer sind befreit
1. das Bundeseisenbahnvermögen, die Monopolverwaltungen des Bundes, die staatlichen Lotterieunternehmen, die zugelassenen öffentlichen Spielbanken mit ihren der Spielbankenabgabe unterliegenden Tätigkeiten und der Erdölbevorratungsverband nach § 2 Abs. 1 des Erdölbevorratungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.Dezember 1987 (BGBl. I S. 2509);
2. die Deutsche Bundesbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die
Landwirtschaftliche Rentenbank, die Bayerische Landesanstalt für
Aufbaufinanzierung, die Niedersächsische Gesellschaft für öffentliche
Finanzierungen mit beschränkter Haftung, die Bremer Aufbau-Bank GmbH,
die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank, die Bayerische
Landesbodenkreditanstalt ……

Mannomann, es scheint ja richtig schwierig, nicht befreit zu sein. Bitte unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht ... gesamt.pdf mal nachlesen, ob Euer Name da auftaucht.

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Beitrag von Aoife »

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Frederik hat geschrieben:Bitte unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht ... gesamt.pdf mal nachlesen, ob Euer Name da auftaucht.
Nein tut er nicht. Prostitution ist zwar kein Gewerbe, aber trotzdem gewerbesteuerpflichtg.

Die dahinterstehende Logik ist über jede Diskussion erhaben.


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Frederik
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Beitrag von Frederik »

Liebe AO,
(nein, das heißt nicht Abgabenordnung) - gut daß Du das gepostet hast. Ich traue mich nämlich nicht mehr, seit ich wegen einer ähnlichen Aussage - aber natürlich auf Deutsch - beinahe vor Gericht gelandet wäre, wenn nicht noch jemand, der ein schlechtes Gewissen mir gegenüber hatte, seine schützende Hand über mich gehalten hätte.

Allerdings ging es nicht um Dollars, sondern um Deutschmarks, und ich habe Faustfeuerwaffen nicht angesprochen, sondern von einem Knüppel geredet.

Dem Norddeutschen Rundfunk www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s-h_maga ... er101.html verdanke ich einen Hinweis auf Henker Hennings in Mölln (etwas nördlich von Hamburg, wo angeblich Till Eulenspiegel begraben liegt), der nach der Folter auch für die Heilung der Gequälten zustänig war; außerdem mußte er die Toiletten der Statdt reinigen, war Abdecker und trieb die Steuern ein. Ja, so war das (bis 1828) in Mölln.

In Hamburg dagegen habe ich vor dreißíg Jahren gelernt: Nö, von den Damen nehmen wir nur Geld, wenn sie es uns aufdrängen.

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Beitrag von Aoife »

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Frederik hat geschrieben:Liebe AO
So hat mich noch keiner angesprochen :002 - die üblichen Formen sind Eefy oder Aoifs ....
Frederik hat geschrieben:Allerdings ging es nicht um Dollars, sondern um Deutschmarks, und ich habe Faustfeuerwaffen nicht angesprochen, sondern von einem Knüppel geredet.
Ja klar, das $-Zeichen und die schwarz-weiße vor-Technicolor Ausführung zeigen, dass es sich um die USA vor der Verfassungsänderung von 1930 handelt :002

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Marc of Frankfurt
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öffentlichkeitswirksame Petition

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Frederik hat geschrieben:BGE

Habs nachgetragen, sorry. Gemeint war die Petition von Susanne Wiest zum bedingungslosen Grundeinkommen, die in kurzer Zeit 50.000 Unterschriften bekam...

rene-hb
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Beitrag von rene-hb »

Finde es schade, dass so ein wichtiges Thema einfach wieder so in der Versenkung verschwindet.
Verstehe auch nicht, dass es jetzt der falsche Zeitpunkt sein soll gegen eine geplante Gesetzesverschlechterung anzugehen.
Halte es für bedenklich den Eindruck zu erwecken, dass irgendwo im Hintergrund massiv gegen Bestrebungen die Gesetze für SW´s zu verschlechtern an gearbeitet wird.
Finde es statt dessen wichtig immer wieder zu betonen, dass sich solche negativen Gesetzesänderungen nur verhindern lassen, wenn die SW´s die es betrifft selbst mitreden und sich zu Wort melden.
Leider ist auch mir klar, dass ich in der Sexbiz Scene nicht mit Massenprotesten rechnen kann, aber in Anbetracht der aus meiner Sicht massiven geplanten Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für SW´s, ist es mir ein totales Rätsel warum es scheinbar überhaupt keinen Wiederstand gibt.

Warum nehmen sich SW nicht die Geschichte zum Vorbild und kämpfen mit einem symbolischen Tag der Enthaltsamkeit für mehr Aufmerksamkeit für Ihre Situation und gegen die Verschlechterung der Lebens- & Arbeitsbedingungen.