
ehemaliger_User hat geschrieben:Wasser predigen und Wein trinken?
Was macht ein Bundespräsident in diesem Kuratorium?
Absolut, lieber ehemaliger_User!
Nur (auch wenn ich hiermit bestimmt wieder denjenigen, die das System lieber unkritisiert als heilige Kuh verehrt sehen wollen, auf die Nerven gehe):
Wir können doch auch nicht gerechterweise einem Bundespräsidenten (oder auch nur einem kleinen Kommunalpolitiker, oder einem Richter oder einem Polizisten oder Verwaltungsbeamten) verbieten an Gott zu glauben, oder ihm vorschreiben wollen, auf welche Weise er das zu tun hat.
Wir haben doch alle den Radikalenerlass für unrecht befunden, wie können wir also jetzt mit umgekehrten Vorzeichen behaupten, dass ein in dieser Weise religiös engagierter Mensch nicht als Bundespräsident taugt?
Wir können das IMHO nur dann, wenn wir ohne Ansehen der Person sagen, dass *niemand* zum Bundespräsident taugt. Weil dieses Amt eben in einer menschlichen Gesellschaft (wie so viele andere derzeitige "Ämter" auch) keinen Platz hat.
Selbsternannte "Pragmatiker" entschuldigen solche Zustände ja gerne damit, dass wir alle (Bundespräsident eingeschlossen) eben Menschen sind, und es daher in einer Gesellschaft "menscheln" muss.
So weit, so gut. Dem kann (sogar) ich prinzipiell zustimmen.
Die wirklich vernichtende Kritik dieses Systems findet nämlich auf der Metaebene statt: Nicht das "Menscheln" ist das Problem, sondern dass es als Entschuldigung herhalten soll. Somit als Erklärung dafür herangezogen wird, warum die so perfekt ausgedachte demokratische Gesellschaftsordnung in der Praxis keineswegs mit uhrwerksartiger Präzission funktioniert.
Hier zeigt sich, dass diese sogenannten Pragmatiker in Wirklichkeit sturste Ideologen sind, denn nicht die Ideologie wird in Frage gestellt, sondern ihr Versagen mit den sie umsetzenden Menschen erklärt. So als ob die Ideologie nicht einst mit dem Anspruch angetreten sei für die Menschen da zu sein, sondern als ob sie einen über alles Menschliche erhabenen Wert in sich selbst hätte.
Die Frage kann also vernünftig gestellt niemals lauten "Darf der Bundespräsident Creationist sein?" - ja, letztlich stellt sich eigentlich überhaupt keine Frage, sondern es bleibt nur die Feststellung:
In eine menschlichen Gesellschaft kann niemend eine Macht haben, die mit seinen eigenen menschlichen Zügen unvereinbar ist.
Es spricht (aus historische Erfahrung ebenso wie aus psycho-logischer Ableitung) nichts dagegen, dass ein von beiden Seiten als vertrauenswürdig angesehener Schiedsrichter im Streitfall einen gerechten Ausgleich finden soll. Dass aber irgendjemand Macht über andere haben soll, die ihm aktuell nicht vertrauen (in der BRD wird der Präsident vom Parlament gewählt, das sich wiederum aus Personen zusammensetzt, die ausreichend Wählerstimmen bekommen konnten, weil sie ihre niemals eingehaltenen Wahlversprechen so formulieren konnten, dass eine Mehrheit sie für das kleinere Übel hielt - damals als gewählt wurde), ist eine der menschlichen Natur zuwiderlaufende Ideologie.
Dass sie nicht funktioniert ist offensichtlich. Und in der Theorie kann sie ja garnicht funktionieren. Eine geistige Totgeburt sozusagen. Dass sie überhaupt noch existiert verdankt sie ihrer Fähigkeit, die ihr unterstellten Menschen (statistisch gesehen) ebenso geistig (und gefühlsmäßig) tot zu machen.
Ich habe das Folgende an anderer Stelle hier im Forum schon einmal zitiert, für diejenigen, die sich nicht erinnern können (nicht an mein Zitat, sondern daran, dass sie als Menschen dieses Wissen in ihrem tiefsten Inneren selbst besitzen) hier nochmals aus Lao-tse's Tao The King:
17.
Die besten Herrscher waren kaum gekannt - die folgenden geliebt und geehrt •
die folgenden gefürchtet - die letzten verachtet •
Wer selbst kein Vertrauen hat wird auch kein Vertrauen finden •
Wählt er seine Weisung mit Bedacht werden die Werke vollendet •
dem Willen willfahren und das Volk sagt: Wir sind frei •
18.
Wird der rechte Weg verlassen entstehen Güte und Moral •
Wissen und Klugheit kommen auf und große Heuchelei folgt •
Zerbricht die Eintracht der Familie entsteht Kindespflicht und Elternliebe •
Wenn das Land in Wirren und Chaos gerät treten ergebene Staatsdiener auf •
19.
Hört auf mit scheinheilger Klugheit und berechnender List - und das Volk wird wie eine Familie sein •
Hört auf Menschenliebe und Gerechtigkeit zu fordern - und die Erkenntnis des EinsSein wird gefördert •
Hört auf der Lust an Macht und Besitz zu frönen - und die Gefahr durch Diebe und durch Verlust schwindet •
Erreicht werden diese Drei nicht durch Verordnungen und Gesetze, sondern durch Rückkehr zur Wahrhaftigkeit und Einheit •
Erkenne das Einfache - Pflege das Schlichte - Lege die Selbstsucht ab - dann wird Selbstlosigkeit zur Selbstverständlichkeit •
Die Probleme, die Ideologien, und dazu gehört auch die Demokratie, mit dem Menschen (und dazu gehören auich creationistisch glaubende oder sich gebende Bundespräsidenten) hervorbringen, sind durch Intensivierung des falschen Vorgehens nicht zu beheben, das ist einfach nur der Neurosendefinition von Watzlawick entsprechend: Wenn etwas nicht funktioniert, dann versuche es mit mehr davon - das ist die Struktur neurotischen Verhaltens.
Gesundes Verhalten hingegen heißt: wenn etwas nicht funktioniert, dann versuche es anders. Insbesondere, wenn der andere Weg selbst im allerschlimmsten Fall nicht schlechter ist als der gegenwärtige. Schlimmeres als eine mafiöse Struktur, die alle anderen versklavt kann nicht kommen. Somit ist für 99% der Menschen das Risiko gleich Null. Nur das eine Prozent, das der gegenwärtig "herrschenden" Mafia angehört hat etwas zu verlieren.
Oder glaubt das zumindest. Ich persönlich bin überzeugt, dass auch die Herrschenden von der unmenschlichen Gesellschaftsstruktur mehr Nachteile als Vorteile haben. Denken wir nur an den Bundespräsidenten. Er liebt (vielleicht seine Frau, oder auch nur den Sex, das braucht uns nicht zu interessieren) - den Stress was passieren wird wenn die Richtigen dahinterkommen wieso sie ihm das bieten kann und das für sich (und im Konkurrenzsystem somit gegen ihn) instrumentalisieren, diesen Stress möchte ich nicht haben.
Ganz offen einmal, ich kann mir theoretisch durchaus vorstellen, dass diejenigen, die in ihrer ideologischen Ideenwelt verfangen sind, sich als Motivation für meine Kritik an der unmenschlichen Überbewertung von Ideologien gegenüber dem realen Menschen nur einen unbändigen Haß auf die Herrschenden vorstellen können. Haß aus Neid, dass ich nichts dagegen hätte, wenn ich selbst in einer solchen Herrschaftsposition wäre.
Ein Konstrukt, das nur schwer zu entkräften ist. Ich kann nur ganz klar sagen, dass ich der Überzeugung bin dass ein solches realitätsfern ausgedachtes System, eine Ideologie eben, für die angeblich Herrschenden nicht wirklich besser ist als für die scheinbar Beherrschten. Bindungen sind immer gegenseitig. Man kann niemanden an sich binden ohne selbst genauso gebunden zu sein. Und alleine der Kokainverbrauch der sogenannten "oberen 10000" zeigt, dass Herrschen keineswegs zur natürlichen Zufriedenheit führt.
Ich denke es ist für Alle, für 100%, einschließlich Bundespräsident, Abgeordnete, treue Staatsdiener, banker, höchste Zeit aufzuwachen und zu sehen, dass nicht Konkurrenz, sondern Kooperation unser Leben besser und menschlicher macht. Was viele ja in verschiedenen Situationen schon so praktizieren, die immer noch bestehenden Probleme erfordern, dass dieses Verhalten sich auch einen angemessenen Rahmen verschafft und nicht durch ausgedachte Dinge wie Demokratie und Rechtsstaat in seiner Entfaltung beeinträchtiget wird.
Der Mensch ist so beschaffen, dass er trotz aller Individualität gleichzeitig ein höchst soziales Wesen ist - ein System das das als Gegensätze erscheinen läßt ist nicht menschengemäß.
Und letztlich auch eine Folge eines jeden ausgedachten "Systems" - wir hatten hier ja schon Auseinandersetzungen um diesen Begriff, und inzwischen wird mir auch klar, wo die Wortwahl ein Mißverständnis provoziert haben könnte: Es geht mir nicht darum ein System zu kritisieren um es durch ein anderes zu ersetzen, etwa das demokratische durch ein kommunistisches, sondern um die Feststellung, dass das Leben, und daran sollte der Mensch teilhaben, sich niemals durch irgendein System wird beschreiben lassen können. Das von mir favorisierte "System" ist somit ein nicht-System, und ob das jemand jetzt Brehon Laws oder Taoismus nennt ist mir völlig egal, für Mitteleuropäer (oder auch weiße Nordamerikaner) wohl kaum verständlich, aber bei uns ist "Nationalist" und "Republikaner" das exakte Gegenteil von "Rassist". Also nennt es wie ihr wollt, der Kernpunkt ist, dass Systeme (und dazu gehören auch die angeblich "guten" wie Demokratie und Rechtsstaat) ausschließlich durch irrationale Ängste begründet werden.
Ob Sozialist oder Demokrat, beide sind wie jemand, der Feuer unter der Bettdecke anmacht, um nachzuschauen, ob vielleicht jemand zufälligerweise dort Schießpulver deponiert hat. Und ob man dazu ein Streichholz oder ein Feuerzeug benutzt, darum können dann Glaubenskriege geführt werden. Anstelle einfach zu leben und leben zu lassen. Und einfach mit dem Risiko zu leben, dass wenn jemand solchen Unfug gemacht haben sollte das schon relativ glimpflich abgehen wird, wenn man *kein* Feuer dort anmacht.
Stattdessen scheinen alle Ideologen es zu bevorzugen, *nicht* zu leben in der glückseeligen Gewißheit auf diese Weise nicht vorhandene Gefahren vermieden zu haben.
Eigentlich traurig, aber so überzogen, dass man schon wieder darüber lachen kann.
Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
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