ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Jupiter
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

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friederike hat geschrieben: Das Ergebnis wird dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt, wo es auch noch einmal Änderungen geben kann, die ggf. noch vom Bundestag beschlossen werden müssen. Dann geht das Gesetz an den Bundespräsidenten zur Unterschrift ("Ausfertigung"), bevor es im Gesetzblatt veröffentlicht und damit wirksam wird.
Im Eckpunktepapier steht, dass das Gesetz so abgefasst werden soll, dass es nicht dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden muss. Da den Ländern / Kommunen in der Ausführung ein großer Handlungsspielraum eingeräumt werden soll, wird sich die jetzt schon bestehende unkoordinierte Ausführung "verschlimmbessert".
Ziel ist, keine Rechtssicherheit herzustellen.
Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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bienemaya
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Beitrag von bienemaya »

http://www.die-tagespost.de/Gastkomment ... 456,158421

Prostituiertenschutzgesetz – schon mit dem Titel fangen die Probleme an: Wir von SOLWODI sprechen nie von Prostituierten, sondern immer von den „Frauen in der Prostitution“. Denn es geht hier um Menschen, die in Deutschland Tag für Tag einen Sexmarkt bedienen, der nirgendwo auf der Welt so dereguliert ist wie hier. Deutschland – das „Bordell Europas“. Daran wird auch das neue Gesetz nichts ändern, ganz im Gegenteil: Das Gesetz schützt nicht die Interessen der Frauen in der Prostitution, sondern die der Profiteure. Gewonnen haben all jene – SPD, Prostitutionslobby und Selbsthilfeorganisationen – die ein gleichermaßen beliebtes wie falsches Bild von der ach so modernen Frau in der Prostitution verkaufen: Die selbstbestimmte sogenannte „Sexarbeiterin“, die ihrem frei gewählten Traum-„Beruf“ nachgeht. Verloren haben die, die es besser wissen: Frauen in der Prostitution sind in aller Regel Opfer finanzieller, menschlicher und psychischer Zwänge. Rund 90 Prozent kommen aus den Armenhäusern der Welt nach Deutschland. Wer einmal drin ist – das wissen wir aus Tausenden von Beratungsgesprächen – schafft den Ausstieg kaum jemals mit eigener Kraft. Und wenn, dann sind viele von ihnen traumatisiert. Das neue Gesetz hat alle Chancen vertan, diesen Frauen zu helfen: Es bringt keine engmaschigen, verpflichtenden medizinischen Untersuchungen – sondern nur eine gesundheitliche Beratung, die einmal im Jahr mit einem kurzen Gespräch erledigt werden kann. Die Chance, mit dieser Untersuchung Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution einen geschützten Raum allein mit Arzt oder Ärztin zu schaffen – dahin. Zwar wird eine Kondompflicht eingeführt – praktisch ist die aber nicht zu überwachen und damit nicht durchsetzbar. Der einzige Effekt: Ungeschützter Verkehr wird teurer und bringt den BordellbetreiberInnen und ZuhälterInnen noch mehr Geld ein. Das neue Gesetz erlaubt es auch weiterhin, Frauen unter 21 Jahren in der Prostitution tätig zu sein. Dabei sind es gerade die jungen Frauen und Mädchen, bei denen sich aus vermeintlicher Liebe zu einem Mann besonders leicht eine psychische und finanzielle Abhängigkeit entwickelt, die geradewegs zum „Anschaffen“ führt. Und schließlich nützt auch eine Anmeldepflicht nichts, wenn sie einmal im Jahr verlangt wird – die Frauen, die alle paar Monate das Bordell, nicht selten die Stadt wechseln, damit die Stammgäste Abwechslung haben, hatte wieder mal niemand im Blick.

Prostitution ist ein wesentlich von kriminellen Elementen bestimmtes Dunkelfeld – diese Kräfte lassen sich durch so ein unentschlossenes Gesetz nicht beeindrucken. Prostitution ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Deshalb fordert SOLWODI, den Kauf von Sex zu verbieten. So wie es viele andere Länder tun und wie die Europäische Union es von ihren Mitgliedstaaten will. Deutschland übernimmt so häufig eine Führungsrolle in der Welt. Doch hier ist unser Land einsames Schlusslicht in Sachen Menschenwürde – das hat das neue Gesetz einmal mehr bewiesen.

Die Autorin ist Gründerin und Vorsitzende der Hilfsorganisation SOLWODI

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bienemaya
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Beitrag von bienemaya »

http://www.welt.de/regionales/hamburg/a ... ropas.html

"Deutschland bald nicht mehr das Bordell Europas"

Die große Koalition hat sich auf neue Regeln für Prostitution geeinigt. So herrscht künftig etwa Kondompflicht. Besonders groß sind die Auswirkungen für die Rotlicht-Hochburgen Berlin und Hamburg.

Zwei Polizeibeamte sprechen auf dem Hansaplatz in Hamburg-St. Georg mit einer Prostituierten
Die große Koalition in Berlin hat sich am Mittwoch nach monatelangen Verhandlungen auf eine Novellierung des Prostitutionsschutzgesetzes geeinigt. "Es wird erstmalig klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben, die dem Schutz der Frauen dienen", sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) der "Welt". Für die Betreiber von Bordellen werde eine Erlaubnispflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung eingeführt. Für Prostituierte werde es künftig eine Anmeldepflicht geben, so die Ministerin weiter.

In Berlin ist das Geschäft mit der käuflichen Liebe am größten, aber Hamburg liegt bundesweit auf dem zweiten Platz. In der Hansestadt arbeiten derzeit etwa 2500 Prostituierte. "Da es bislang keine Anmeldepflicht für Prostituierte gab, basiert diese Zahl auf Schätzungen. Wir können aber relativ genau nachvollziehen, wie viele Arbeitsplätze es gibt, an denen der Prostitution nachgegangen wird. Dazu zählen wir die Straßenprostitution genauso wie das, was in Bordellen, Clubs und Laufhäusern geschieht", sagt Jörn Blicke, 56, der die Abteilung Milieukriminalität des Hamburger Landeskriminalamts (LKA) leitet. Außerdem gebe es etwa 250 Modellwohnungen, in denen Sexarbeiterinnen ihrer Arbeit nachgingen, so Blicke weiter.

Mit der Gesetzesnovellierung soll es nun auch verbindliche Zahlen geben. Die Anmeldepflicht gehört zu den wichtigsten Punkten der neuen Regelung: Die Anmeldung muss jeweils bei Aufnahme gewerbsmäßiger Prostitution in einer Kommune erfolgen. Für Prostituierte, die sich bei der zuständigen Behörde angemeldet haben, wird ein Nachweisdokument eingeführt, das zum Beispiel gegenüber Bordellbetreibern, Behörden und gegebenenfalls auch gegenüber Kunden vorgelegt werden kann.

Anmeldung bei unter 21-Jährigen muss jährlich erneuert werden

CDU und SPD hatten intensiv über die Inhalte des Gesetzesnovellierung diskutiert. Zunächst hatten die Christdemokraten gefordert, dass künftig für die Ausübung der Prostitution ein Mindestalter von 21 statt derzeit 18 Jahren gelten solle. Das kam nicht durch, aber: "Bei unter 21-Jährigen muss die Anmeldung jährlich erneuert werden und der Nachweis über eine medizinische Beratung alle sechs Monate erbracht werden. Das ist ein sehr gutes Instrument, um junge Prostituierte vor Ausbeutung zu schützen", sagte Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Landesvorsitzender der Hamburger CDU, der "Welt". Weinberg betonte zudem: "CDU und CSU war die Novellierung des Prostitutionsgesetzes ein sehr wichtiges Anliegen. Deutschland wird bald nicht mehr das unkontrollierbare Bordell Europas sein."
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Prostitutionsgesetz
Koalition einigt sich auf Kondompflicht für Freier

Für Hamburg sei das Gesetz von großer Bedeutung, weil die Stadt "eine der Rotlichthochburgen des Landes" sei, so der CDU-Familienpolitiker. Durchgesetzt hat sich die CDU mit der Einführung einer Kondompflicht. Das heißt: Wenn der Freier gegen diese Pflicht verstößt, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Die Bordellbetreiber sind verpflichtet, Kondome bereitzuhalten. Allerdings werden die Prostituierten selbst, sollten Verstöße gegen die Kondompflicht festgestellt werden, künftig nicht bestraft.

Jörn Blicke vom LKA begrüßt die Novellierung des Prostitutionsgesetzes. Denn in diesem sei bisher kaum etwas geregelt, kritisiert er. Für Blicke steht fest: "Wir brauchen vor allem die Anmeldepflicht. Denn bislang wird einfach der Prostitution nachgegangen und ein Großteil der Frauen zahlt keine Steuern, ist aber auch nicht kranken- oder rentenversichert."

Etwa 1500 bis 1800 Prostituierte sind Ausländerinnen

Seit 1985 beschäftigt sich Blicke mit der Milieukriminalität. Seine Abteilung geht Straftaten nach, die von Prostituierten angezeigt und/oder an Prostituierten begangen werden, wie beispielsweise Menschenhandel oder Zuhälterei. Er verfolgt aber auch schwere Gewalttaten und Schießereien im Milieu. Im Einzelfall werden auch Verfahren übernommen, wenn zum Beispiel Freier im großen Stil betrogen werden. So zuletzt, als in einer Absteige auf der Reeperbahn die Zahl der Kunden immer größer wurde, von deren EC-Karten an Geldautomaten von Prostituierten viel zu viel Geld abgehoben wurde. Die Geheimnummer hatten die offensichtlich gutgläubigen Freier den Frauen zur Zahlung des Liebesdienstes preisgegeben, aber oft wurde dann deutlich mehr abgehoben als ursprünglich vereinbart.

Auch Prävention sei ein großer Teil seiner Arbeit, berichtet Blicke: "Wir sind im Milieu unterwegs, suchen das Gespräch mit den Prostituierten, den Bordellbetreibern, aber auch mit den Zuhältern." Die momentane Situation im Milieu beschreibt Blicke so: "Es ist relativ ruhig. Die Gebiete sind aufgeteilt und die Zuhälter und Bordellbetreiber wissen: Falls es untereinander Streit gibt, dann ist das schlecht für das Geschäft."

Etwa 1500 bis 1800 Prostituierte, so schätzt das LKA, sind Ausländerinnen. Sie kommen vor allem aus Rumänien und Bulgarien, sind jedoch meist freiwillig hier: "Die Frauen wissen, warum sie nach Deutschland kommen. Sie haben in ihrer Heimat keine Perspektive und wollen hier Geld verdienen. Das nennt man Armutsprostitution", sagt Blicke. "Aber natürlich müssen die Frauen ihren Zuhältern oder auch Beschützern viel Geld geben. Da bleibt manchmal kaum noch etwas übrig. Aber meist ist es immer noch mehr, als sie in ihrer Heimat hätten."

Das Problem des Menschenhandels sei in Hamburg kaum auffällig. In diesem Zusammenhang gebe es nur etwa 30 bis 50 Anzeigen pro Jahr, so Blicke. Viele Frauen hätten schlicht Angst, gegen ihre Peiniger auszusagen.

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bienemaya
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Beitrag von bienemaya »

@ fraences

...Nicht erlaubnispflichtig sind allein arbeitende Personen in der Prostitution eigener bzw. angemieteteter Wohnung. ("Wohnungsinhaber")...

@ Dona Carmen e.V. (Offener Brief an den Deutschen Juristinnenbund u.a.l)

...Wie erklären Sie sich, dass die Erlaubnispflicht sogar dann greifen soll, wenn sich eine einzige Frau eine Wohnung zwecks Ausübung der Prostitution anmietet (z. B. weil sie Sexdienstleistungen in der Wohnung, in der sie und ihre Familie leben und wohnen, nicht anbieten möchte)?...


Bei Francesés Wortmeldung entnehme ich, dass möglicherweise die Anmietung einer eigenn Wohnung zur Ausübung der Prostitution (Nebenwohnung bzw. Zweitwohnung) nicht erlaubnispflichtig sei bzw. sein könnte.

Aus dem Offenen Brief von Dona Carmen entnehme ich, dass dies möglicherweise doch unter die Bezeichnung "Prostitutionsstätte" fällt und somit "erlaubnispflichtig" wird.

Wie seht ihr das? Oder ist diese Frage verfrüht? Oder bezieht sich "eigene Wg" speziell auf Wohneigentum?

Lb. Grüße bienemaya

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Beitrag von fraences »

Ich denke man muss die genaue Formulierung des Gesetzesentwurf abwarten.

Ob es ab 2 Sexarbeiterinnen genehmigungspflichtig ist, oder beraits ab eine Sexarbeiterin wenn sie nicht dort wohnt und gemeldet ist.

Das ist nicht klar, wie Wohnungsinhaberin juristisch zu werten ist.
Wie es im Eckpunkt papier formuliert ist.
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bienemaya
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Beitrag von bienemaya »

Danke fraences!

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Beitrag von bienemaya »

PS:
:006
Das würde mich sehr interessieren, aber Du hast recht. Man muss es abwarten.

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friederike
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

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Jupiter hat geschrieben:          Bild
Im Eckpunktepapier steht, dass das Gesetz so abgefasst werden soll, dass es nicht dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden muss. Da den Ländern / Kommunen in der Ausführung ein großer Handlungsspielraum eingeräumt werden soll, wird sich die jetzt schon bestehende unkoordinierte Ausführung "verschlimmbessern".
...
Gruß Jupiter
Ja - aber ich bezweifle dass das möglich sein wird. Nicht alles was sich die GroKo wünscht wird wahr.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@all

eins ist auf jeden Fall schon jetzt klar: Das Gesetz bringt den SW und den Betreibern gar nichts, treibt die Verwaltung in den Wahnsinn, überlastet die Gerichte und freut alle Rechtsanwälte (Kasharius ruft: jipiiiiijeh!!!). Kurzum: Op gelungen, Patient TOD

Wir sehen HERRLICHEN ZEITEN entgegen...!

Kasharius grüßt

Doris67
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Beitrag von Doris67 »

Kasharius: Dieses Gesetz wird Sexabeitern/-innen sehr wohl etwas bringen, nämlich die immer stärkere Verunmöglichung der Ausübung ihres Berufs. Im Endeffekt ein Berufsverbot. Und das ist volle Absicht.
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nina777
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Beitrag von nina777 »

12.2.2015

PROSTITUTION

Lümmeltütenpolizei und saubere Großpuffs

Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 sollte die rechtliche und soziale Situation von Sexarbeiterinnen verbessert werden. Jetzt will die Große Koalition nachbessern und hat Eckpunkte für eine Novelle vorgelegt. Erklärtes Ziel: die Prostituierten besser schützen, ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Aber die Betroffenen sehen das ganz anders.

Samstagnacht. Das "Café Pssst!" in Berlin-Wilmersdorf ist gut besucht. Frauen und Männer sitzen auf Barhockern und an kleinen Tischen, nippen an ihrem Sekt oder knabbern Chips. Schummriges Licht schafft eine intime Atmosphäre, an den Wänden hängen Kristallspiegel. Doch das "Café Pssst" ist keine Bar wie jede andere. Die dunkle Skulptur auf dem Tresen, eine nackte Liegende, verrät, worum es wirklich geht. Hier bieten Sexarbeiterinnen Liebesabenteuer auf Zeit.

"Wir müssen leider Politik machen ... Hi, Hallo" ...

Felicitas Schirow führt den bodellartigen Betrieb. Sie vermietet stundenweise Zimmer an die selbstständigen Frauen. Für das Interview führt sie ihren Besuch lieber ins Souterrain, dort ist es ruhiger. Das Thema liegt ihr am Herzen. Von der Novellierung des Prostitutionsgesetzes hält die 58-jährige nichts. Wer sich prostituieren will, muss das künftig den Behörden melden und die Bescheinigung alle zwei Jahre erneuern.

"Das ist eine zusätzliche Erfassung, die nichts mit einer Erfassung zu tun hat, die es in irgendeiner anderen Branche gibt. Sondern das ist eine Erfassung, die für mich dazu dient der Kontrolle, damit man eine Übersicht hat über die Aktivitäten. Wie verteilt sich die Prostitution, wie bewegen sich die Frauen. Und das hat für mich auch nichts mit Schutz der Frauen zu tun, sondern das ist in meinen Augen ein Vorwand, um eben die volle Kontrolle zu haben."

Großbordelle werden gestärkt

Felicitas Schirow redet sich in Rage. Solch ein Dokument kann ja auch mal verloren gehen oder die Handtasche wird geklaut. Mit diesem Ausweis fühle sie sich gebrandmarkt, sagt sie. Will sie ihre Konzession nicht verlieren, muss sie die Frauen, die bei ihr arbeiten, künftig den Behörden melden. Unterlaufe ihr dabei mal einen Fehler, sei die Erlaubnis schnell weg. Diese Restriktionen hätten nur ein Ziel, glauben Felicitas Schirow und ihre Kollegin Juljenka.

"Die Tendenz geht tatsächlich dahin, dass die Großbordelle dadurch gestärkt werden sollen. Es ist so, dass sie natürlich am liebsten ein Haus haben, wo die ganzen Weiber drin sind. Weg mit den Schmuddelstrichen, am besten nur saubere Großpuffs."

Absurde Kondompflicht

Sophia, die neben ihr sitzt, nickt. Die hübsche junge Frau mit dem dunklen Kurzhaarschnitt macht den Job in Vollzeit. Die Kondompflicht findet sie absurd. Sie könne zwar schüchternen Frauen helfen, sich gegenüber einem Freier durchzusetzen. Aber wer überprüfe das denn? Gegen eine polizeiliche Kontrolle hat sich die Berliner Polizeigewerkschaft bereits ausgesprochen. Die Beamten hätten genug zu tun. Rechte, Linke, Salafisten - nun auch noch Lümmeltütenpolizei – das gehe gar nicht, schrieb Landesvorsitzender Bodo Pfalzgraf in einer Pressemitteilung. Das findet Sophia auch.

"Auf jeden Fall ist für mich ganz klar, dass das alles andere als Schutz für die Frauen ist. Und, die wir das freiwillig machen, die Arbeit so zu erschweren, dass wir entweder aufhören, uns outen oder im Untergrund verschwinden müssen, macht für mich überhaupt keinen Sinn."

Ziel des novellierten Gesetzes ist vor allem, die Zwangsprostitution einzudämmen. Laut Bundeskriminalamt ist die Zahl der in Deutschland bekannt gewordenen Fälle in den letzten Jahren zwar gesunken. 2013 wurden 425 Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Nach wie vor müsse man aber von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer ausgehen. Maya Perrier vom Zentrum für sexuelle Gesundheit beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf glaubt jedoch nicht, dass eine Meldepflicht oder eine gesundheitliche Beratung diese Frauen schützen wird.

"Die Gesundheitsämter kennen das ja, früher gab es ja so was. Das ist ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand. Wo noch gar nichts an Qualität für Beratung, von Mitteilung, von Information, von dem Eindruck wie freiwillig, wie unter Stress oder wie gezwungen sitzt mir jemand gegenüber aussagt."

Kostenlose Kondome und Aufklärung gefordert

Statt mehr Kontrolle, sollte mehr Geld in die Aufklärung gesteckt, Kondome kostenlos verteilt und anonyme Beratungen in den Bordellen durchgeführt werden. Marc Schulte, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten in Wilmersdorf, sieht das ähnlich. Er findet die ganze Gesetzesdebatte verlogen. Bordelle gelten als störend. Solange das Baurecht vorschreibt, dass sie nur in Gewerbegebieten angesiedelt sein dürfen, sozusagen im Verborgenen, werde sich nichts ändern. Je größer ein Betrieb sei, desto schwerer sei er zu überwachen. Er glaubt, die Novellierung schade darum gerade den kleineren, halblegalen Bordellen, die es im Stadtzentrum noch gibt.

"Warum sind sie immer was, was man verheimlicht. Das gehört eben auch dazu, wenn man das ernst meint und sagt, Prostitution ist ein Beruf. Oder man geht eben den anderen Weg, den ja auch viele Feministinnen für sich entschieden haben, zu sagen, wir verbieten Prostitution insgesamt. Aber das finde ich unehrlich."

http://www.deutschlandfunk.de/prostitut ... _id=311428
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Beitrag von Kasharius »

@Doris

ich sehe das auch so und hätte schreiben wollen ..."es bringt SW nichts POSITIVES

Kasharius grüßt

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Vereinbarungen der Koalitionsfraktionen zum Prostituiertenschutzgesetz vom 03.02.2015 in Ergänzung zu den im August 2014 vereinbarten Eckpunkten

Punkt 9:

Zitat:
Wenn bei Anmeldung Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Person nicht über die zu ihrem Schutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt oder in einer Zwangslage
durch Dritte ausgebeutet wird, hat die zuständige Behörde die für den Schutz der Person erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.**Darüber hinaus kann die Anmeldebescheinigung verweigert werden, wenn Anhaltspunkte für Menschenhandel oder Zwangsprostitution bestehen, die sich wiederum an den
bereits bestehenden strafrechtlichen Normen orientieren.

http://berufsverband-sexarbeit.de/blog/ ... gesetz.pdf
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Beitrag von nina777 »

13.02.2015

Prostitutionsgesetz

"Jetzt kann die Stadt handeln"

Die Stuttgarter CDU -Bundestagsabgeordnete Karin Maag hat sich in Berlin stark für eine Reform des Prostitutionsgesetzes gemacht. Sie ist überzeugt, dass sich dadurch auch in Stuttgart illegale Prostitution wirksam bekämpfen lässt.


Stuttgart - Frau Maag, waren Sie schon mal im Stuttgarter Rotlichtviertel?

Ich bin mit Ordnungsbürgermeister Martin Schairer von 23 Uhr bis zum frühen Morgen durchs Viertel gezogen, war unter anderem in einem Bordell und habe mir aus weiteren Abstechern ein Bild machen können. Informativ war auch mein Besuch im La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Viertel.

Was haben Sie bei Ihrem Streifzug erlebt?

Je später es wurde, desto mehr sind die Preise für den Sex gefallen. Der reguläre Preis liegt in Stuttgart bei 30 Euro. Gegen 2 Uhr haben die Freier den Lohn der Frauen auf acht Euro gedrückt. Das ist Ausbeutung, und das wissen die Männer auch. Deshalb muss das Strafgesetz so geändert werden, dass solche Freier belangt werden können.

Zunächst wird jetzt das Prostitutionsgesetz reformiert. Was ändert sich genau?

Alle Prostitutionsstätten und Betreiber brauchen eine behördliche Erlaubnis. Bislang mussten die Behörden einen konkreten Anlass haben, um Bordelle zu kontrollieren. Jetzt können die Betriebe jederzeit überprüft werden. So weiß man, was in einem Haus passiert. Soll ein Bordell eröffnet werden, muss der Betreiber nachweisen, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist.

Was bedeutet das für Stuttgart?

Die Ordnungsbehörden können im Bordell überprüfen, ob Anhaltspunkte für Menschenhandel und Zwangsprostitution bestehen. Gegebenenfalls kann der Betrieb geschlossen werden. Gehen die Frauen eines Betriebs auf der Straße auf Freier-Suche, was nicht nur im Leonhardsviertel, sondern in der gesamten Innenstadt verboten ist, kann dem Bordellbetreiber ebenfalls die Genehmigung entzogen werden. Die Stadt hat durch die Reform wesentlich größere Zugriffsmöglichkeiten, um illegale Prostitution zu unterbinden.

Stehen die illegalen Bordelle im Rotlichtviertel damit kurz vor dem Aus?

Wie gesagt, durch die Reform hat Ordnungsbürgermeister Schairer größere Zugriffsmöglichkeiten auf illegale Betriebe. So langwierige Prozesse wie um die Schließung zweier Bordelle in der Leonhardstraße wird es nicht mehr geben. Eines hat vor kurzem dichtgemacht. Vielleicht ist das schon eine erste Reaktion auf die Reform.

Wann greift die Gesetzesänderung?

Theoretisch vom 1. Juni an. Vermutlich wird es etwas länger dauern, bis alles perfekt ist. Doch der Zeitrahmen ist überschaubar. Bis Jahresende soll auch das Strafrecht so geändert sein, dass Freier, die Frauen ausbeuten, belangt werden können.

Was muss die Stadt tun, um beim Wirksam-Werden des Gesetzes loslegen zu können?

Ganz wichtig ist die Bestandsaufnahme der Rotlichtbetriebe in und rund ums Leonhardsviertel. Es muss geklärt sein, wie viele Bordelle und Laufhäuser tatsächlich vorhanden sind, wer sie betreibt, welche Häuser Bestandsschutz haben und welche nicht. Derzeit gibt es ein Sammelsurium von Eta­blissements mit ungeklärtem Rechtsstatus.

Was ist Ihnen bei der Reform am wichtigsten?

Mir geht es vor allem um den Schutz der Frauen. Das Gesetzt heißt ja auch Gesetz zum Prostituiertenschutz. Durch die neue Pflicht der Frauen, sich in einem geschützten Bereich wie dem Gesundheitsamt medizinisch beraten zu lassen, hat der Arzt die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass Zuhälter bei der Polizei angezeigt werden können. Und er kann Möglichkeiten aufzeigen, aus dem Gewerbe auszusteigen.

Kritiker behaupten, es gehe statt um Schutz um Kontrolle wie zum Beispiel bei der persönlichen Meldepflicht für Prostituierte.

Auch die Meldepflicht dient dem Schutz Derzeit weiß keiner, wie viele Prostituierte tatsächlich in Stuttgart arbeiten. Durch die Meldepflicht verschwinden die Frauen nicht mehr einfach auf dem Weg durch die Bordelle Europas. Im Kampf gegen die Zwangsprostitution ist die persönliche Meldepflicht unerlässlich. Außerdem werden auch Gelegenheitsprostituierte erfasst und müssen Steuern zahlen. Das macht das Gewerbe unattraktiver.

Werden Zuhälter Zwangsprostituierte nicht zur Anmeldung zwingen?

Dass lässt sich nicht ausschließen. Aber es geht darum, die illegale Prostitution so weit wie möglich einzudämmen. Beim verbindlichen Termin ohne Zuhälter können sie sich offenbaren. Die eine oder andere Zwangsprostituierte bekennt sich dann eventuell doch zu ihrer Situation, so dass der Zuhälter belangt werden kann.

Kritiker des Gesetzes machen sich über die Kondompflicht lustig. Zu Recht?

Ja, ja! Auch Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter hält das für Unsinn. Aber es geht nicht darum, die Kondompflicht zu überwachen. Es geht darum, Bordellbetreiber belangen zu können, die keine Kondome vorhalten. Und es geht darum, den Frauen ein Argument zu geben, gegenüber den Freiern auf dem Benutzen von Kondomen zu beharren.

Besteht bei der Reform nicht die Gefahr, dass die Prostitution aus dem Leonhardsviertel in andere Stadtteile abwandert?

Die Gefahr besteht immer. Aber wir wollen Prostitution ja nicht generell verbieten, sondern sie kontrollierbar machen.

Was halten Sie von OB Kuhns Konzept ?

Er will die Hälfte aller Bordelle schließen. Das ist ein Anfang, und es wäre ein großer Erfolg, wenn das gelingt. Allerdings müssen jetzt echte Angebote für ausstiegswillige Frauen folgen. Ich denke an psychologische Beratung. Viele Frauen sind durch ihre Tätigkeit traumatisiert. Auch muss Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, damit sie nicht wieder in die Prostitution geraten.

Mit einer Kampagne auch an Stuttgarter Schulen sollen die künftigen Freier zum Nachdenken gebracht werden. Wie realistisch ist das?

Ich befürchte, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte, junge Männer neugierig werden und käuflichen Sex ausprobieren wollen. Aktionen mit Großplakaten, die alle Altersgruppen erreichen, wie zum Beispiel früher bei der Aids-Kampagne, halte ich für vielversprechender.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... af748.html
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Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »




Stigmatisierung kein Schutzanlass

Am 10. und 11. Februar organisierte das Friedrich-Erbert-Institut unter dem Titel Blaulicht triff auf Rotlicht sein drittes Seminar im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe. Untertitel: Der Kontext der Begleitkriminalität im Umfeld eines Teils der Sexarbeit.

Am 11.02. stellte Herr Dr. Matthias Bartke, Mitglied des Bundetstages, SPD, Berichterstattender zu Fragen des Menschenhandels den derzeitigen Diskussionsstand um das sogenannte ProstSchutzG in der Koalition dar und stellte sich den Fragen insbesonerre von Beratungsstellen und Mitgliedern des BesD e.V. Er sagte zu erhaltene Anregungen und geäusserte Argumente in die koalitionsinterne Diskussion einzubeziehen. Z.B. war ihm nicht bekannt, dass trotz österreichischer Meldepflicht von Sexarbeitenden keine neuen Erkenntnisse über Betroffene von Menschenhandel in die sexuelle Ausbeutung gewonnen werden konnten, es also eine praktische Evidenz gibt, dass eine Meldepflicht nicht zu den Effekten führt, derentwegen sie jetzt in Deutschland eingeführt werden solll.

Dr. Bartke berichtete zudem über die Bestrebungen zu einer Neufassung des Menschenhandelsstrafrechtes. Demnach soll zukünftig nicht mehr der Handel von Menschen in Ausbeutungsverhältnisse ohne deren Einwilligung (durch Zwang, Betrug, Manipulation) den zentralen Tatbestand bilden, sondern Ausbeutung und

schwere Ausbeutung im Sinne sklavereiähnlicher


Arbeitsverhältnisse soll als Tatbstand genügen, um Verurteilungen herbeizuführen. Der ZeugInnenbeweis, der notwendig war, um die unwillentlich Verbringung in Ausbeutung zu belegen wird damit unwichtig. Es genügen dann Indizienbeweise oder Zeugenaussagen Dritter, die die Ausbeutung belegen. Wie Ausbeutung definiert sein wird ist noch nicht eindeutig.

Damit findet der Begriff der Sklaverei verstärkt Anwendung auf den Menschenhandel. In der öffentlichen Wahrnehmung werden derzeit Sexarbeit und Menschenhandel oft synonym verstanden. Das wird den gegen die Sexarbeit geführten Diskurs emotional befeuern und dürfte neben der eigentlichen Rechtswirkung, der Hinlänglkichkeit von Zeugenaussagen Dritter und der Indizienbeweise bei Wegfall der Aussage der mutmasslich Geschädigten, die Bereitschaft zur Ächtung des Feldes der erotischen und sexuellen Dienstleistungen wohl erhöhen.

Dr. Bartke sah, auf die Tatsache der allgenewärtigen und historisch verfestigten Stigmatisierung angesprochen, keinen Handlungsbedarf, der durch ein ProstSchutzGesetz abzudecken sei. Das ProstSchutzGesetz verfolgt, so. Dr. Bartke im wesentlichen das Ziel, Schutz vor sexueller Ausbeutung zu realisieren.

Es handelt sich beim ProstSchutzGesetz, diesen Ausführungen folgend, also um eine Verlängerung und Spezifizierung der juristischen Massnahmen gegen die sexuelle Ausbeutung, die begrifflich mit Prostitution und Sklavereiähnlichkeit markiert werden. Im Gesetz kommt der Regelfall der einvernehmlich zwischen Erwachsenen erfolgenden erotischen und sexuellen Dienstleistung nicht vor. Ein Schutz des grundrechtlich geschützen Feldes der erotischen und sexuellen Dienstleistungen (Persönlichkeitsrechte, freie Berufswahl) vor Stigmatisierung scheint zu keiner Zeit Thema der Koalitionsverhandlungen gewesen sein. Aufrufe zur Ächtung der Sexarbeit, mit denen die Grundrechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf freie Berufswahl in Frage gestellt werden, mithin also verfassungsfeindlich Äusserungen, die zudem Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Diskriminierung, Diffamierung fördern, die im Sinne von sozial-relationaler und psychisch-verbaler Gewalt körperverletzend sind, gehören, so muss geschlussfolgert werden, derzeit nicht zu den Verletzungen, vor denen Aktive des Feldes der erotischen und sexuellen Dienstleistungen staatlich zu schützen sind.

Ich wiederhole mich sicher, aber die Verweigerung der Diskussion um den Schutz der Grundrechte von Aktiven im Feld der erotischen Dienstleistungen seitens der Gesetzgebung, die Biligung der Ächtung des Feldes durch staatliche Gewalt sind für mich

Rechtsförmiger Terror


Ich benutze den Begriff immer dann, wenn rechtsförmiges staatliches Handeln ungerechtfertigte Grundrechtseinschränkungen zur Folge hat. Die Nichtberücksichtigung des Schutzes vor sozialer Ächtung der Aktiven im Feld der erotischen und sexuellen Dienstleistungen durch ein Gesetz, dass vorgeblich den Schutz dieser Gruppe zum Ziel hat, ist eine Billigung von Grundrechtsverstössen. Niemand darf wegen seiner Berufswahl oder seiner sexuellen Vorlieben sozialer Ächtung ausgesetzt werden und alle staatliche Gewalt hat die Aufgabe, Grundrechtsverstösse zu verhindern.
Zuletzt geändert von Klaus Fricke am 13.02.2015, 13:55, insgesamt 4-mal geändert.

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Beitrag von fraences »

Danke, Klaus für deinen Bericht.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »




Rechtssicherheit erhöhen?



Das Büro der Bundestagsabgordneten Schön hat uns auch im Namen von MdB Weinberg geantwortet
per E-Mail
sib-swinfobremen@gmx.de
Berlin, 11. Februar 2015
Fragen zum Umgang mit Stigmatisierung von Sexarbeitenden, die wesentlicher Inhalt unseres Briefes an Frau Schön und Herrn Weinberg waren, wurden nicht beantwortet. Die Stimatisierung der Aktiven im Feld der erotischen und sexuellen Dienstleistungen ist sowohl für die SPD als auch für die CDU kein relevantes Thema (siehe http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 551#145551).

Text der Email
Sehr geehrte Frau Freudmann,
sehr geehrter Herr Fricke,

vielen Dank für Ihre E-Mail an Herrn Weinberg MdB und mich, die ich auch in seinem Namen beantworte.

Sie weisen in Ihrem Schreiben auf den offenen Brief des Deutschen Frauenrates und des Deutschen Juristinnenbundes zur Nachsteuerung des Prostitutionsgesetzes hin. Ich möchte Sie gerne auf den offenen Brief des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) zur selben Thematik aufmerksam machen, der "ausdrücklich eine andere als die vom Deutschen Frauentrat … kommunizierte Auffassung" vertritt. Der KDFB unterstützt das von CDU/CSU und SPD vereinbarte umfassende Gesundheits- und Beratungsangebot für die in der Prostitution Tätigen. Auch der saarländische Frauenrat hat sich positioniert und zahlreiche Punkte gefordert, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verhandelt wurden.

Zu einer freien Gesellschaft gehört für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass sich Frauen und Männer frei und selbstbestimmt zur Prostitution ihres Körpers entscheiden dürfen. Wir verfolgen mit der Regulierung des Prostitutionsgesetzes daher einerseits das Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Männern in der Prostitution zu stärken, indem wir die Rechtssicherheit für die legale Ausübung der Prostitution verbessern. Wir verfolgen daneben aber auch das Ziel, die Männer und Frauen, die diesen Beruf nicht selbstbestimmt ausführen, besser zu schützen und die nichtselbstbestimmte Prostitution zu bekämpfen. Denn Elends-, Armuts- und Zwangsprostituierte sind leider keine Randgruppe innerhalb der Prostituierten.

Durch die medizinische Beratung beim öffentlichen Gesundheitsdienst, die Voraussetzung für die Aushändigung der Anmeldebestätigung sein wird, können alle - also auch die Zwangsprostituierten - erreicht werden. Diese Beratung ist eine Chance für die in der Prostitution Tätigen, mit Menschen außerhalb des Milieus in Kontakt zu kommen und ein Ort, an dem mögliche Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution Hilfe suchen können. Ohne die Verpflichtung würden gerade diejenigen vom Zugang zu vertraulicher Beratung nicht profitieren, die aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, Orientierung, Erfahrung oder Einsicht einen solchen Schutzraum am Nötigsten haben. Wir hoffen so verhindern zu können, dass junge Menschen sich prostituieren, ohne zu ahnen, was in dem Beruf auf sie zukommt.

Mit den geplanten gesetzlichen Neuregelungen wollen wir Frauen und Männer in der Prostitution vor Gewalt und Ausbeutung schützen. Die von Ihnen aufgeführten Praxismodelle können darüber hinaus eine wirksame Unterstützung, aber unserer Auffassung nach kein Ersatz für die von uns angestrebte gesetzliche Neuregelung sein.

Mit freundlichen Grüßen
Nadine Schön MdB

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lust4fun
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von lust4fun »

Sex soll Privatsache bleiben

ANMELDUNG Zum besseren Schutz von Prostituierten plant die Bundesregierung eine Meldepflicht. Diese verstieße gegen den Datenschutz, warnen ExpertInnen

VON TOBIAS MÜLLER UND HEIDE OESTREICH

BERLIN/AMSTERDAM taz | Sind alle Huren registriert, wird es auch keine illegale Prostitution und keinen Menschenhandel mehr geben. So die Hoffnung der Bundesregierung, die Anfang Februar die Grundzüge eines neuen Gesetzes zum Schutz der Prostituierten beschlossen hat. Demnach sollen sich Prostituierte künftig alle zwei Jahre neu anmelden und den Nachweis über die Anmeldung auf Verlangen gegenüber Behörden vorlegen. Der Vorschlag erntete gemischte Reaktionen, insbesondere die Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel befürchteten eine Verdrängung ihrer Klientel in die Illegalität, wo sie nicht mehr erreichbar wäre.

Diese Sichtweise untermauert nun der Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK) mit einer Expertise von DatenschutzexpertInnen. Ihrer Einschätzung zufolge wirft die Anmeldepflicht für Prostituierte erhebliche datenschutzrechtliche Probleme auf. Es handele sich bei Erhebungen über Sexarbeit nämlich um besonders "sensible Daten" im Sinne des Artikels 8 der Datenschutzrichtlinie der EU, argumentieren die AutorInnen in der Studie, die am Dienstag veröffentlicht wird und der taz vorab vorliegt. Genauso wie Angaben über ethnische Herkunft, politische Meinungen sind jene zur Gesundheit und eben auch zum Sexualleben durch Artikel 8 besonders geschützt.

"Wir würden doch auch nicht andere Gruppen wie Lesben oder Schwule in einer Datei registrieren, um sie vor homophoben Übergriffen zu schützen", argumentiert die Koautorin der Studie, Bärbel Heide Uhl, gegenüber der taz. "Das hat mit Fürsorge nichts zu tun, es verstärkt nur die Stigmatisierung." Uhl glaubt nicht, dass man durch eine Meldepflicht die Opfer von Menschenhandel besser erreicht. "Verbrechensopfer brauchen Anonymität", so Uhl. Betroffenen von Menschenhandel sei auch nicht durch ein Gespräch und ein Faltblatt zu helfen. Es brauche eine lange Phase des Vertrauensaufbaus, die nur Fachberatungen leisten könnten.

Ausnahmen von der EU-Datenschutzrichlinie sind nur "aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses" möglich. Eben dieses hatte der niederländische Innenminister geltend gemacht, der 2011 ebenfalls eine Meldepflicht für Prostituierte einführen wollte. Doch der niederländische Senat hatte daran im Sommer 2013 erhebliche Zweifel: mit deutlicher Mehrheit lehnte er den entsprechenden Teil eines neuen Prostitutionsgesetzes ab.

Eine Frage, mit der sich die Senatoren beschäftigten, war, ob Prostitution als privates und damit besonders schützenswertes Sexualleben zu werten sei oder als Beruf. Allerdings sind Beruf und Privatleben in der europäischen Rechtssprechung oft nicht einfach zu trennen. Widersprüchlich war auch, dass Daten zur Frequentierung von SexarbeiterInnen sensibel sein sollten, während dies für die Tatsache, Sexarbeiterin zu sein, nicht gelten solle. War also ein Eingriff in diese Schutzsphäre gerechtfertigt? Daran bestanden Zweifel: Der Nutzen der Registration sei "unbewiesen", und es sei fraglich, ob die Umsetzung juristisch machbar sei, hieß es.

Der Senat schloss sich zudem der Skepsis vieler ExpertInnen an, ob die Anmeldepflicht ein geeignetes Mittel sei, um gegen Missstände in der Sexbranche vorzugehen. Die Kritik konzentrierte sich vor allem auf zwei Aspekte: die Registrierung bei der zuständigen Kommune und die damit verbundene Speicherung von Ausweis-, Telefon- und Steuernummer in einer landesweiten Datei. Sowie die "Pflicht zur Vergewisserung". Freier sollten demnach per SMS überprüfen, ob die Frau ihres Begehrs angemeldet sei.

Innerhalb der Branche wurde der Plan generell weithin abgelehnt. Die heute nicht mehr aktive Prostituiertenvertretung De Rode Draad verwies auf eigene Recherchen, wonach Prosituierte sich der Registrierung entziehen und ohne Genehmigung arbeiten würden. "Man kann davon ausgehen, dass es im illegalen Feld mehr Missstände gibt", sagt ein ehemaliges Mitglied. Für osteuropäische Sexarbeiterinnen stelle sich das Problem, dass ihre Tätigkeit in ihrem Herkunftland keineswegs legal ist, was bei einer möglichen Rückkehr zu Problemen führt.

Auch der CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen, der weltweit über die Frauenrechte wacht, hatte das Vorhaben kritisiert. Es könne die "Verwundbarkeit von Prostituierten erhöhen", heißt es in den Anmerkungen des Ausschusses. Ein geänderter Gesetzesentwurf liegt dem Parlament in Den Haag seit 2014 vor. Eine Meldepflicht ist darin nicht mehr vorgesehen.

Zu dem deutschen Vorschlag wollt sich die Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff, auf taz-Anfrage noch nicht äußern. Sie wolle erst den Gesetzentwurf abwarten

"Das hat mit Fürsorge nichts zu tun, nur mit Stigmatisierung"

BÄRBEL-HEIDE UHL, DATENSCHÜTZERIN

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/arti ... e96622d51d

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Eben. Einer der vielen "Stolpersteine" dieses "Gesetzes"!

Kasharius grüßt

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Pressemitteilungen
JuLis: Kondompflicht bleibt plumpe Bigotterie


Union und SPD haben sich auf die Eckpunkte eines neuen Prostitutionsgesetzes geeinigt. Damit möchte die Große Koalition den Prostituierten eine Reihe zusätzlicher Pflichten auferlegen. Neben neuen Anmelde- und einer Beratungspflichten soll es künftig auch eine Kondompflicht geben. Dazu erklärt der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE:

„Mit ihrem sogenannten Prostituiertenschutzgesetz bezwecken Union und SPD vieles, nur keinen besseren Schutz für Prostituierte. Statt an Verbesserungen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter zu arbeiten, versuchen sich die Koalitionäre am großen Rollback in Richtung Prüderie der Vergangenheit. Richtig wäre es gewesen, das Sexgewerbe weiter zu enttabuisieren und die Rechte von Sexarbeiterinnen bzw. Sexarbeitern zu respektieren. Völlig falsch ist es jedoch, die Stigmatisierung von Prostituierten mittels Anmeldepflicht gesetzlich festzuschreiben. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die Union und SPD ja angeblich schützen wollen, werden dadurch künftig wieder in die Illegalität gedrängt und für Sozialarbeiter kaum noch erreichbar.“

KUHLE weiter: „Ebenso absurd bleibt die geplante Kondompflicht, deren Einhaltung behördlich kontrolliert werden soll. Wie das letztlich aussieht konnte bisher niemand erklären. Das macht schon jetzt deutlich, dass diese Regelung an Plumpheit und Bigotterie kaum zu überbieten ist. Die Initiative von Union und SPD zeigt vor allem eines: Die Große Koalition scheint mehr Respekt vor bürgerlichen Behaglichkeitswünschen zu haben, als vor der Existenz von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Statt tatsächliche Problemfelder wie Menschenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen, widmet man sich der Verdrängung der Prostitution aus dem eigenen Blickfeld.“

„Vor allem Vertreter der Union lassen keine Gelegenheit aus, die freiwillige Entscheidung zu Sexarbeit automatisch mit Zwangsprostitution gleichzusetzen. Dies ist eine Ohrfeige für viele Frauen und Männer, denen mit Ehrlichkeit und Offenheit mehr geholfen ist als mit Tabuisierung. Es braucht eine neue Initiative, um mehr Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in geordnete Beschäftigungsverhältnisse oder in die Selbstständigkeit zu überführen. Hier wird deutlich, dass es an einer politischen Kraft im Parlament fehlt, die Politik nicht als Instrument zur Steuerung der Gesellschaft begreift. Liberale wissen, dass Probleme nicht dadurch verschwinden, dass man das älteste Gewerbe der Welt wieder unsichtbar macht“, so KUHLE abschließend.

http://www.julis.de/presse/archiv/press ... 94d8fc54c7
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