Runder Tisch Prostitution NRW

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Marc of Frankfurt
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Runder Tisch Prostitution NRW

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Land lädt zum Runden Tisch Prostitution

Prostitution und Paragrafen



Das Prostitutionsgesetz handhaben die Städte in NRW verschieden. Die Landesregierung will das ändern und hat dazu einen Runden Tisch einberufen.

Ministeriale, Sozialarbeiter und 2 Prostituierte beraten heute erstmals.


Seit neun Jahren gelten sexuelle Dienstleistungen in Deutschland vor dem Gesetz nicht mehr als sittenwidrig. Die Situation der Sexarbeiter und -arbeiterinnen hat sich damit zwar verbessert, allerdings noch nicht so wirkungsvoll wie gewünscht.

Viele angestellte Prostituierte arbeiten nach wie vor ohne Arbeitsvertrag. Auch längst nicht jede ist renten- und krankenversichert. Außerdem klagen Sexarbeiter und -arbeiterinnen über zu viel Bürokratie.

[Wie realistisch ist es hier, wenn über die mit dem ProstG von 2002 www.sexworker.at/prostg geschaffene abstrakte Möglichkeit auf Arbeitsverträge hingewiesen wird? Denn die Realität in der Sexarbeit wird nicht nur vom idealistischen und emanzipatorischen ProstG, sondern immer noch von dem teilweise widersprüchlichen Zusammenspiel von lokalen Polizei- und Verwaltungsmaßnahmen, konservative Rechtsprechung, Steuergesetze, Strafgesetzbuch und Ausländerpolitik bestimmt... Rahmenbedingungen für 'gute' Betreiber, die Arbeitsverträge anbieten könnten, finden sich fast kaum. Arbeitsverträge für richtige Sexworker im Gegensatz zu Barpersonal gibt es daher selbst 8 Jahre nach Einführung des ProstG so gut wie nirgendswo im ganzen Land. Anm.]

Um den Schutz von Prostituierten zu optimieren, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung jetzt einen Runden Tisch eingerichtet.

Am Dienstag (25.01.11) treffen sich Vertreter von 6 Landesministerien, kommunalen Spitzenverbänden und Beratungsstellen zum ersten Mal.

Zu der Sitzung sind ebenfalls 2 Prostituierte eingeladen. Nach Schätzungen von Experten sollen bis 36.000 weibliche Prostituierte in NRW arbeiten.

[Da Sexworker großräumig fast nur über dieses intl. Forum vernetzt oder organisiert sind, ist die Gremienarbeit oder Sexworker-Interessenvertretung eine sehr schwierige bis fast unmöglich zu leistende Aufgabe (und es wird stillschweigend erwartet dass sie ehrenamtlich erbracht wird). Hoffentlich hat die Politik die Sexworker nicht nur als Feigenblatt eingeladen, um nachher behaupten zu können, die Sexworker waren ja dabei und haben gegen den Maßnahmenkatalog nicht protestiert.

Sinnvoll wäre es, es gäbe in jedem Betrieb und in jedem Rotlichtviertel und in jeder Stadt und in jedem Regierunsbezirk, also auf allen Ebenen, entsprechend ausgestattete Infrastruktur mit und für Sexworker-Vertreter. Dafür sollte sich die Politik einsetzen, wenn sie Sexworker wirklich stärken will, nämlich in ihrer Kapazität für ihre Rechte selbst eintreten zu können (Inklusion & Empowerment). Anm.]






Porträt von Sozialarbeiterin Andrea Hitzke

Eine der Vertreterinnen der Beratungsstellen am Runden Tisch ist Andrea Hitze, stellvertretende Leiterin der Mitternachtsmission in Dortmund [der Diakonie der evangelischen Kirche. Anm.]. Die 49-jährige Sozialarbeiterin arbeitet seit über 20 Jahren dort.


WDR.de: Frau Hitzke, was erwarten Sie von einem Runden Tisch der Landesregierung zum Thema Prostitution?

Andrea Hitzke: Wir haben uns diesen Runden Tisch auf Landesebene gewünscht, weil von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich mit dem Prostitutionsgesetz umgegangen wird, Sexarbeiter und -arbeiterinnen aber häufig in verschiedenen Städten arbeiten. In Dortmund können sie beispielsweise ein Gewerbe anmelden, sich eine Steuernummer holen und dann als selbstständige Prostituierte arbeiten. In anderen Städten ist das nicht möglich. Die folgen der Empfehlung des Bund-Länder-Ausschuss, der Prostitution nicht als Gewerbe sondern als höchstpersönliche Dienstleistung ansieht. Wir wünschen uns vom Runden Tisch der Landesregierung entsprechend, einheitliche Regelungen zu entwickeln.


WDR.de: Die Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, ein Handlungskonzept für eine bessere Umsetzung des Prostituiertengesetzes zu erarbeiten. Was müsste geändert werden?

Hitzke: Wichtig wäre es, dass die Erhebung der Steuern einheitlich geregelt wird. Wenn eine Frau derzeit in mehreren Städten arbeitet, kommt die ganz durcheinander, wie sie ihre Steuer angeben muss. In Dortmund wird bei den Frauen eine Pauschale erhoben. In anderen Städten müssen sie dagegen eine Steuererklärung machen. Auch eine Sexsteuer müssen Prostituierte nicht überall zahlen. In Dortmund gibt es eine pauschale Sexsteuer, die einkommensunabhängig erhoben wird. Das heißt, die Frauen müssen 16 Euro pro Tag zahlen und zwar bevor sie überhaupt etwas verdient haben [Auf dem Straßenstrich in Dortmund werden theoretisch 6 Euro/Tag bis 24 Uhr und ab 00 Uhr nochmal 6 Euro verlangt. Anm.]. Das können viele nicht.


WDR.de: In Dortmund gibt es seit 2002 einen Runden Tisch Prostitution. Im vergangenen Jahr hatte der sich gegen die Einführung der Sexsteuer ausgesprochen. Warum?

Hitzke: Das Problem ist, dass mit der Sexsteuer, die belastet werden, die transparent arbeiten und sich angemeldet haben. Letztlich sind das die Prostituierten, die mit dem Runden Tisch, sprich mit Beratungsstellen, Polizei, Staatsanwaltschaft, Ämtern und Ausländerbehörde, kooperieren. Die waren es nämlich, die als erstes von der Stadt angeschrieben wurden.


WDR.de: Sie fürchten also, dass die Sexsteuer illegale Prostitution fördert?

Hitzke: Ja, wir fürchten, dass durch die Sexsteuer Frauen abwandern oder wieder in Bereichen arbeiten, die weniger transparent sind. Und wenn viele Frauen weggehen, verdienen auch die Betreiber weniger. Wir fürchten, dass dann diejenigen unter ihnen, die ordentlich arbeiten und ihre Steuern zahlen, das heißt, dass die, die mit dem Runden Tisch kooperieren, sich dann nicht halten können und die Kriminalität im Rotlicht wieder zunimmt. Diese Bordellbetreiber sehen sich mittlerweile ja als Unternehmer in der Unterhaltungsindustrie und haben sich von Betrieben, in denen illegale Dinge passieren, distanziert. Das ist ein Bollwerk, das wir halten wollen.

[Aber zum Runden Tisch in NRW sind keine Betreibervertreter von diesem 'Bollwerk' oder z.B. vom www.uegd.de eingeladen. Auch Kundenvertreter z.B. aus den Foren mit denen www.sexsicher.de erfolgreich kooperiert sind nicht eingeladen. Das ist in gewisser Weise praktizierte Doppelmoral. Anm.]

Das Interview führte Stephanie Zeiler





Portrait Mitternachtsmission

Die Mitternachtsmission ist ein Verein des Diakonischen Werkes [der evangelischen Kirche], der seit 1918 in Dortmund eine Beratungsstelle für Prostituierte, ehemalige Prostituierte und Opfer von Menschenhandel unterhält.

Gegründet wurde die Einrichtung als ein Ausläufer der bürgerlich-christlichen Frauenbewegung der britischen Sozialreformerin Josephine Butler. Die Pfarrersfrau hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts gegen die staatliche Reglementierung von Prostitution eingesetzt und später Häuser gegründet, wo Frauen unabhängig von Männern in Hauswirtschaft, Kinder- und Krankenpflege ausgebildet wurden.

In Dortmund leiteten die Beratungsstelle anfangs evangelische Malche-Schwestern. Erst in den 1970er Jahren arbeitete dann auch die erste weltliche Frau in der Mitternachtsmission. Heute arbeiten dort 9 Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen. Sie machen aufsuchende Sozialarbeit, beraten Prostituierte und helfen Opfern von Menschenhandel.

Die jüngste Klientin war gerade einmal 11 Jahre alt. Die Älteste war 72 Jahre alt, als sie aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gewerbe ausstieg. Aber auch viele der erwachsenen Sexarbeiter und -arbeiterinnen haben sich schon als Kinder prostituiert. [Weniger diskriminierende Formulierung statt 'sich prostituieren' besser: 'Geld in der Sexarbeit verdienen'.]

"Eine hat erzählt, dass sie von ihrem Opa immer mit in die Kleingartenanlage genommen wurde und der hat sie da dann gegen eine Kiste Bier weiter gereicht", sagt Andrea Hitzke, stellvertretende Leiterin der Beratungsstelle. [Das ist aber keine Sexarbeit sondern Vergewaltigung. Wieso wird das hier nicht klar und deutlich unterschieden???!!! Wieso wird hier der Begriff und Fall von Kindern diskutiert? Bei Kindern, d.h. juristisch bis 14 Jahre, handelt es sich nicht um Prostitution! Anm.] Andere hätten langjährige Jugendhilfe- und Psychatrieerfahrung. [Hier wird so vieles eng miteinander vermischt, dass die Darstellung vom Berufsbild Sexarbeit des Runden Tisches durch diese Info völlig hintertrieben wird. Schon die institutionelle Zusammenfassung von Beratung für Sexworker und Menschenhandelsopfer ist höchst problematisch, weil ein negatives gesellschaftliches Bild der ausgebeuteten Prostituierten als Opfer strukturell zementiert wird. Anm.]



Links im Originalartikel:
* Video: Runder Tisch zur Prostitution [WDR aktuell]
* WDR: Tagesticket für den Straßenstrich (08.12.10)
* WDR: Audios und Videos zum Thema
* WDR: Loverboys [frauTV, 13.01.11, WDR Fernsehen]
* WDR: Prostitution: Junge Zuhälter erpressen Schülerinnen [Bericht aus Brüssel, 01.12.10, ARD]
* WDR: Das älteste Gewerbe der Welt [WDR-dok, 01.11.10, WDR Fernsehen]
* WDR: Stichtag: Beruf Hure (27.10.10)

http://www.wdr.de/themen/politik/nrw05/ ... le=politik





Kritik am sog. "Dortmunder Modell"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=97766#97766

Sexwork und Gewerberecht - Ein ungeliebtes brisantes Verhältnis:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4403

Runde Tische und das Problem der fairen Deliberation und demokratischen Partizipation:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=84819#84819

Sammelthema: Lokales aus NRW:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2140

Konfessionelle Monopolstellung der ev. Diakonie bei Sozialberatung Prostitution:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=91434#91434

SW-only:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=93434#93434 (rT)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=94001#94001 (Standesvertretung)
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 25.04.2011, 21:12, insgesamt 6-mal geändert.

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Beitrag von Lycisca »

Durch welchen demokratischen Prozess sind unter den angeblich 36.000 Sexarbeiterinnen in NRW zwei legitimierte Repräsentantinnen ausgewählt worden? Oder haben einfach die Sozialarbeiter Frauen nominiert, die aus der Beratungstätigkeit bekannt und besonders "handzahm" sind?

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RE: Runder Tisch Prostitution NRW

Beitrag von Adultus-IT »

Ich hätte jetzt mal gedacht... so ein "runder Tisch" ist was gutes...denn reden ist der Anfang um den anderen zu verstehen... doch schon gibt es die ersten Zweifel...die sicher nicht ganz unberechtigt sind aber aller Anfang ist nun einmal schwer.

Gruss Adultus - IT Micha

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Beitrag von fraences »

Hier die erste Presseerklärung zum "runder Tisch" in Düsseldorf.

www.nrw.de/meldungen-der-landesregierun ... mal-10335/

Liebe Grüße
Fraences
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RE: Runder Tisch Prostitution NRW

Beitrag von Aoife »

Danke für das link, fraences!

Unter den gegebenen Umständen scheint mir die Erklärung sehr positiv zu sein. Natürlich steckt in Formulierungen wie "Bisher habe auf verschiedenen Ebenen ein expliziter Wille zur Umset­zung gefehlt." sehr viel Diplomatie - aber wohl auch deshalb hat Frau Prof. Kavemann eine Position, in der sie gehört wird.

Btw., der "demokratische Prozess" bei der Nominierung bestand wohl darin, dass sich nicht mehr bereit erklärt haben. Ich übrigens auch nicht, konnte das aus Termingründen nicht bewerkstelligen. Als "handzahm" würde ich die beiden allerdings nicht bezeichnen :002

Liebe Grüße, Aoife
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Marc of Frankfurt
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1. PE Runder Tisch Prostituion NRW

Beitrag von Marc of Frankfurt »

> Minis­terin Steffens: "Wir benötigen auch genauere Informationen über die verschiedenen Erscheinungsformen der Prostitution und suchen Krite­rien, wie freiwillige Prostitution vom Zwang zur Prostitution tatsächlich unterschieden werden kann."

Hier könnten die Self-Regulatory Boards ein mögliches Vorbild sein, falls das Bekenntnis der NRW-Emanzipations-Ministerin zur Selbsthilfeunterstützung wirklich ernst gemeint ist und weitergehende politische Rückendeckung bekommt.


@ fraences, ich habe die PE hier rüberkopiert, weil bei manchen Internetangeboten die Texte nicht so lange archiviert werden, wie hier in unserem Forum-Archiv. Es dient für unsere langfristige politische Arbeit quasi als Arbeits-Grundlage, da wir nicht über einen Archivraum wie Madonna e.V. verfügen und auch nicht gemeinsam an einem Ort leben... Evt. magst du das ja zukünftig auch so handhaben.





Ministerin Steffens: „Prostituierte nicht länger stigmatisieren“ - Runder Tisch Prostitution tagte zum ersten Mal

Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter teilt mit:

Ministerin Barbara Steffens hat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur ersten Sitzung des Runden Tisches Prostitution Nordrhein-Westfalen begrüßt. "Obwohl Prostitution in Deutschland nicht verboten ist, werden Prostituierte stigmatisiert. Die Folge: Sie werden an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt und laufen Gefahr, Opfer von Ausbeutung und Gewalt zu werden", sagte die Ministerin.

"Mit dem Runden Tisch will die Landesregierung die Prostitution aus ihrer Grauzone herausholen. Prostitution ist sicher kein Beruf wie jeder andere. Prostituierte haben aber einen Anspruch darauf, gerecht be­handelt und respektiert zu werden, wie jeder andere Mensch auch ", so die Ministerin weiter.

Der Runde Tisch setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern verschie­dener Landesministerien, kommunaler Spitzenverbände, Beratungs­stellen und Prostituierten selbst zusammen. Bei Bedarf werden externe Sachverständige hinzugezogen. Er versteht sich als Forum, in dem die Probleme im Zusammenhang mit der Prostitution benannt und vorbe­haltlos erörtert werden können und will Wege finden, das Selbstbestim­mungsrecht und die Sicherheit von Sexarbeiterinnen nachhaltig zu verbessern.

Schwerpunkt der Auftaktveranstaltung war ein Vortrag von Frau Profes­sor Dr. Barbara Kavemann vom Sozialwissenschaftlichen FrauenFor­schungsinstitut Freiburg, die über Defizite bei der Umsetzung des Pros­titutionsgesetzes sprach. Mit diesem Bundesgesetz, das bereits 2002 in Kraft getretenen ist, sollte eine deutliche Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten erreicht werden. Unter ande­rem war die Sittenwidrigkeit von Verträgen über sexuelle Dienstleistun­gen abgeschafft worden. Dr. Kavemann verdeutlichte, dass die Ziele des Prostitutionsgesetzes, die rechtliche und soziale Akzeptanz von Sexarbeiterinnen zu erhöhen, bei weitem nicht erreicht worden seien. Bisher habe auf verschiedenen Ebenen ein expliziter Wille zur Umset­zung gefehlt. Genau hier setzt die Arbeit des "Runden Tisches" an.

Die nächste Sitzung ist für März vorgesehen. Bei diesem Treffen soll eine Bestandsaufnahme im Vordergrund stehen, unter welchen Bedin­gungen Prostituierte tatsächlich in Nordrhein-Westfalen arbeiten. Minis­terin Steffens: "Wir benötigen auch genauere Informationen über die verschiedenen Erscheinungsformen der Prostitution und suchen Krite­rien, wie freiwillige Prostitution vom Zwang zur Prostitution tatsächlich unterschieden werden kann."

Wie wichtig Selbsthilfe als ein Baustein zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnissen von Prostituierten ist, unterstrich die Ministerin heute bei einem Besuch der Prostituierten-Beratungsstelle Madonna in Bochum. Dort nahm Barbara Steffens an der Einweihung der neuen Räume des Vereins, die mitten im Milieu liegen, teil. Das Land unter­stützt diese Organisation der Prostituiertenselbsthilfe in diesem Jahr mit 168.000 Euro.

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Telefon 0211 8618-4246.

[Link zur Quelle siehe oben]


"Selbsthilfe" ist heute natürlich nur noch eingeschränkt richtig, weil Madonna e.V. inzwischen eine professionelle Beratungsstelle geworden ist, wo haushaltsrechtlich nur akademisch-zertifizierte Sozialarbeiter und -pädagogen etc. gegen Gehalt auf den nicht immer üppig geförderten Planstellen arbeiten dürfen. D.h. Fachkenntnisse erarbeitet in der aktiven Sexarbeit werden strukturell als weniger wert bewertet für die Beratungsarbeit von Sexworker als angelerntes Uniwissen.
Früher als automes Projekt der Hurenbewegung, da war Madonna e.V. Selbsthilfe i.e.S. so wir es heute noch im Sexworker Forum verstehen. (Vergleiche dazu auch das partizipatorische Selbsthilfeprinzip wie es vom Australischen Sexworker-Dachverband erfolgreich angewendet wird: Sexworker Selbstermächtigungs Strategie (S³) / affirmative action policy).





> Bestandsaufnahme [soll] im Vordergrund stehen, unter welchen Bedin­gungen Prostituierte tatsächlich in Nordrhein-Westfalen arbeiten.

Auch wenn nur wenige von uns in NRW Arbeitserfahrung haben und meine ist auch schon länger her (und um männliche oder transsexuelle Sexworker geht es in dem Runden Tisch NRW ja scheinbar gar nicht), so können wir doch zu den teilweise unzureichenden bis prekarisierenden Arbeitsbedingungen für Sexworker sehr viel beitragen, bzw. unser Archiv hält dazu sehr viel Detailinformationen und Erfahrungsberichte vor. Der Datenbestand muß nur geschickt abgefragt werden. (Das könnte evt. mit Software systematisiert werden, was evt. ein förderwürdiges wissenschaftliches Projekt wäre...)

Themen die die Arbeitsbedingungen letztlich stark beeinflussen sind:
Strafgesetze und fortbestehende Kriminalisierung, Razzienpolitik, Gewalt- und Haßtaten, Werbeverbote, Medienberichterstattung, Stigma, Marginalisierung, Doppelmoral, Niederlassungsverbote und Freizügigkeitsbeschränkungen, Baurecht, Migration, Korruption, Rockerbanden, Freierforen...
Fehlende landesweite Hotline und fehlende Clearingstelle, fehlende Akzeptanzkampagnen, fehlender Gebiets- und Branchenschutz, fehlende einheitliche Behörden-Regeln, fehlende flächendeckende berufbegleitende Sexworker Akademy, fehlende institutionalisierte Interessen-Selbst-Vertretung, fehlender Berufsfachverband, fehlende IHK-Zuständigkeit, zurückgewiesene Arbeitsagentur-Zuständigkeit, fehlende Zeitschrift für Sexworker/Fachorgan Sexwork, fehlendes brancheneigenes Forschungsinstitut, fehlende Sexworker-Künstlersozialkasse, fehlendes Sexworkeraltenheim, unzureichende Angebote der Gesundheitsämter und STD-Stellen, fehlende öffentlich geförderte Musterbetriebe...

Und da wundert sich dann die veranstaltende NRW-Emanzipations-Ministerin gemeinsam mit den beteiligten Ministerialen, Verbandsvertretern und Beratungsstellen, dass sich nicht mehr als 2 Sexworker freiwillig bereiterklären, ehrenamtlich und unter Verdienstausfall, bei vielfach eingeschränkter sozialer Absicherung solch gravierende Probleme für die Exekutive zu bearbeiten? (Soviel zu dem Problem demokratischer Legitimation von Sexworker-Partizipation.)

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Marc of Frankfurt
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Kondomgebrau ja sicher - Polizeikontrolle NEIN!

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier tönt die Ministerin Steffens: „Prostituierte nicht länger stigmatisieren“

aber

hier tritt dieselbe NRW-Emanzipationsministerin Steffens für "Kondomzwang Prostitution" ein:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=93433#93433 :018


So ein Sondergesetz mit Polizeieingriffsmöglichkeit in die sexuelle Intimsphäre einer marginalisierten Gruppe von Menschen, stellt eine unheilvolle Stigmatisierung dar.





Alternative zur "Kondomzwang Prostitution" heißt 'Strukturelle Safer-Sex Prävention':

Exekutiert durch Polizeibefugnisse mit dem Zweck der Kontrolle der Intimsphäre und Beziehung von Sexworker, Kunde und Betreiber bezüglich Kondomanwendung, kommt in Süddeutschland das unwirksamen Modell der Bayerischerischen Kondomverordnung zur Anwendung. Es scheiterte allerdings vor Gericht, wie der Pascha-Prozess bewiesen hat. Damit wurde es als Mittel zur Prostitutionskontrolle und -eindämmung entlarvt.

Als Präventionspolitik könnte stattdessen der produktive Zwang eingeführt werden, gratis Kondomspendeautomaten in Bordellfluren und Stundenhotelfluren aufzuhängen, in Betrieben, die durch unsafe Sex gefährdet und aufgefallen sind. Das könnte fallweise das Gesundheitsamt oder besser noch das Sexwork Self-regulatory Board (SRB) anordnen dürfen. Die Kosten der Installation und für den Automaten würden dann dem jeweiligen Betieb aufgebrummt, der auch für ausreichenden Nachschub an Kondomen zu sorgen hätte ...

Kondomat am Sextreff
Bild
Modell Berlin
[Quelle fraences]

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Nicht am Runden Tisch Prostitution teilnehmende Sr. Dr. Lea Ackermann/SOLWODI agitiert dagegen:


"Das Bemühen der Düsseldorfer Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne), durch einen „Runden Tisch“ und behördliche Registrierung von Bordellen gegen Kriminelle vorgehen zu wollen, wertete Ackermann als naiv. „Der kriminellen Energie von Menschenhändlern sind die wenigen behördlichen Kontrolleure meist nicht gewachsen.“ Der Frauenhandel sei ein zu lukratives Geschäft, als dass die Strippenzieher im Hintergrund auf ihn verzichten würden."

...

www.domradio.de/aktuell/71262/ausstieg-erschwert.html


Artikel aus der Welt:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=93925#93925

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Pressebericht

Beitrag von Marc of Frankfurt »

NRW-Sender WDR schaut auf die Lage der Prostitution in NRW:

http://www.wdr.de/wissen/wdr_wissen/pro ... 505_5.php5


Solche Berichterstattung wird sich zum Thema runder Tisch NRW sicher noch ausweiten. Das gibt uns Sexworkern dann die Gelegenheit mit gut formulierten Presseerklärungen in die Medien zu kommen und dann auch von Sexworkern im Lande, die wir derzeit nicht erreichen, wahrgenommen zu werden ...

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Unternehmerverband

Beitrag von Marc of Frankfurt »

UEGD berichtet auch vom rT

Dort auch der Fachvortrag von Frau Profes­sor Dr. Barbara Kavemann vom Sozialwissen-schaftlichen FrauenFor­schungsinstitut Freiburg, über Defizite bei der Umsetzung des Pros­titutionsgesetzes als PDF:
www.uegd.de/index.php?option=com_conten ... cle&id=948

www.uegd.de/images/stories/pdf-dateien/ ... _lit-1.pdf



(ps wurde der neue interne Thread zum rT verschoben? kann ihn nicht mehr finden)

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Re: Unternehmerverband

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:(ps wurde der neue interne Thread zum rT verschoben? kann ihn nicht mehr finden)
Der tread war kurzzeitig für Moderatoren sichtbar. Dieser Fehler wurde inzwischen behoben.

Liebe Grüße, Aoife
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Evaluation Regulierung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Erfahrungen der Sexworker-Interessenvertreter mit Regulierung und Lizensierung


Eine Evaluation aus Sexworker-Sicht:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=95125#95125


Vergleichen sollte man die Regulierungssituation vom Dortmunder Modell einmal mit der Situtation in Queensland Australien.

Ein kritisches, unabhängiges, evidenzbasiertes, wissenschaftliches Gutachten über das sog. Dortmunder Modell steht m.E. noch aus (Es gibt nur viel Promotion von Polizei und Mitternachtsmission;-).

Das Dokument aus Australien zeigt sehr schön auf, wo genauer hingeschaut werden muß und macht konstruktive Vorschläge wie Sexworker besser eingebunden werden können...





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 25.04.2011, 20:32, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von ehemaliger_User »

Ich denke mal, dass die deutsche Regulierungswut sich auch für die Errichtung und den Betrieb von "Prostitutionsstätten" nicht mehr bremsen lässt.

In vielen Diskussionen, auch mit Betreibern, stelle ich immer wieder fest, dass eine genaue Begriffsbestimmung unerlässlich ist. Einmal sind Bordelle Vergnügungsbetriebe (von denen Vergnügungssteuer gefordert werden kann), dann sind sie wieder ausdrücklich keine Vergnügungsstätten (Baurecht). Dann gibt es noch bordellähnliche Betriebe (was ist denn das?), gewerbliche Zimmervermietungen, "Dirnenwohnheime", "Verrichtungsstätten"...

Grundsätzlich habe ich nichts gegen eine "Bordellrechtliche Erlaubnis" - sie könnte ähnlich einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis erteilt werden und diese beinhalten. Wird nichts bringen, denn Strohfrauen und -männer sind ja auch in Gaststätten keine Seltenheit.

Prostitution in den eigenen 4 Wänden geht niemand was an, egal, ob die Wohnung extra zum Arbeiten angenmietet wurde oder nicht. Es könnten die selben Regeln gelten wie z.B. für eine Fusspflegerin oder einen Masseur. Für grössere Wohnungen kann das Recht wie für Büro- oder Praxisräume gelten.

Von polizeilicher Überwachung halte ich gar nichts. Oder werden dadurch in Gaststätten Schutzgelderpressungen verhindert? Der Drogenhandel unterbunden?

Das selbe gilt für Vorschriften, wie gearbeitet werden soll: der Staat hat sich grundsätzlich rauszuhalten, was zwischen zwei Menschen in freier Entscheidung passiert.
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Entkriminalisierung statt Lizensierung !!!

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Neueste kriminologische Forschung:


Falsche zu strenge Reglementierung der Prostitution bei lokalen Behörden/Polizei führt nur zu mehr Schwarzmarkt und/oder Korruption.


Da wo man das Bordellverbot aufgehoben hatte, um die Polizeikorruption einzudämmern, hatte das neue Lizensierungssysstem dennoch der Polizei zuviele Kontrollrechte eingeräumt, so daß die Korruption in neuem Gewand letztlich konserviert wurde. Lediglich die Form hat sich geändert: das alte System "bezahlen dafür von der Polizei in Ruhe gelassen zu werden" wurde ersetzt durch "die Polizei für die Ausstellung von Lizenzen zu bezahlen".


Urban Australian states (New South Wales, Victoria, and Queensland) have decriminalized many forms of prostitution. There, research suggests that when municipalities use their zoning and other powers to unreasonably restrict brothels and self-employed prostitutes in order to placate fearful residents, the result is a return of the black market. Also, in Brisbane –where brothels were legalized mainly as an attempt to eliminate a notorious source of police corruption – the licensing scheme that was put in place gave far too much power to the police. This had the effect of bringing back the same old corruption, though now in the guise of licensing approvals for legal businesses rather than accepting pay-offs to ignore illegal businesses. But some Sydney municipalities are developing more effective and less punitive strategies.


www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=95280#95280

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Neue Ideen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Möglicherweise ist erst eine eigene Partei die optimale Interessenvertretung...

Kurz-Präsentation der Australischen Sexpartei



Erstellt mit Prezi, dem modernen Ersatz für MS-PowerPoint:

Bild
Präsentation starten



(Prezi: Wie ein Wandbild/Landkarte räumlich strukturierte Präsentation,
in die man auch frei rein-zoomen kann,
Vektor-Graphik und Videos einbinden,
online erstellen...)





.

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Regulierungswirren

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bild
Thorsten Friedmann, Pressesprecher der Stadtverwaltung Frechen: „Wir sind von der Entwicklung überrascht worden...

...Mitarbeiter vom Ordnungsamt und der Polizei haben sich am Montag ein Bild vor Ort verschafft. Dabei wurden Personalien von den Prosituierten überprüft und festgehalten.“
Also das ist ja wohl scheinheilig bis naiv?!

Zeigt aber m.E. eine bewußt chaotische Reglementierung von Prostitution... auf dem Rücken der mobilen Sexworker, die schlechterdings stets die unterschiedlichen lokalen Besonderheiten kennen können, bevor sie polizeilich kontrolliert, erfaßt, verwarnt oder gar bestraft wurden.

Das sollte Thema vom runden Tisch Prostituton NRW werden.





> "Grundsätzlich ist Prostitution seit 2002 nicht mehr sittenwidrig - es sei denn, Kinder und Jugendliche sind gefährdet."

Und das ist bekanntlich eine stark moraline Auslegungssache. (Was für eine Belastung entsteht, wenn ein Kind oder Jugendlicher Sexarbeit mitbekommt oder aber die Inhalte von TV, Internet und der Welt erfährt...)

Daher hat sich die juristische Formulierung einschliffen: "Prostitution ist nicht mehr schlechthin sittenwidrig" oder substantiviert "Die schlechthinige Sittenwidrigkeit entfällt" ;-)

Sehr aufschlußreich ist die konservativ-moralische Begründung des Bundesverfassungsgericht zur Abweisung der Verfassungsklage gegen Sperrbezirksverordnungen.

Sie beruft sich auf:
- "unbestimmte Rechtsbegriff des öffentlichen Anstandes"
- "typischerweise mit Prostitution verbundenen Belästigungen und Gefährungen"
- "ungeschriebene Regeln"
- "die Eigenart des betroffenen Gebiets durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist"

Und rechtfertigt damit:
- "der Staat berechtigt, von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fernzuhalten, welche sich, zum Beispiel wegen der Kommerzialisierung sexueller Handlungen auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken können"
- "obligt es dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob, wo und wann Jugendliche mit dem Gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen":
www.bundesverfassungsgericht.de/entsche ... 22407.html

Sperrgebietsverordnungen
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Marc of Frankfurt
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Ziel muß lauten: Entkriminalisierung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Zwei gute Aufsätze von Sexworkern, die die Rechsphilosophie der Entkriminalisierung erklären
(im Ggs. zu Lizensierung/Regulierung/Legalisierung):


Australien
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=101623#101623

Kanada
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=101624#101624

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Marc of Frankfurt
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Protokolle der bisherigen Sitzungen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Via www.UEGD.de 25.01.2011 und updates:

Wie im Koalitionsvertrag von SPD/Grüne vereinbart hat Nordrhein-Westfalen einen "Runden Tisch Prostitution" eingerichtet. Koordiniert wird er vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter.

Gem. Kabinettsbeschluss setzt sich der Runde Tisch Prostitution zusammen aus den:
- zuständigen Landesressorts
Wirtschaftsministerium,
Innenministerium,
Finanzministerium,
Arbeitsministerium,
Justizministerium,
Gesundheitsministerium und
Familienministerium,
- Kommunalen Spitzenverbände,
- Beratungsstellen und
- zwei uns bekannte selbständig arbeitende Prostituierte.

["Selbständig arbeitende" soll wohl heißen ohne Zuhälter, da ja allen bekannt ist, dass es keine abhängigen Beschäftigungsverhältnisse gibt (Zuhältereiverdikt, Menschenhandelparagraphen etc.).]

Im wesentlichen geht es um die Frage, welchen Beitrag die Landesregierung leisten kann, um die Arbeitsbedingungen von Frauen und Männern, die legal der Prostitution nachgehen zu verbessern.

Bild
Mit Durchführung wurde Ministerialdirigentin Claudia Zimmermann-Schwartz,
Leiterin der Abteilung Frauen im Gesundheitsministerium beauftragt.





1. Sitzung Auftaktveranstaltung

25.01.2011 in Düsseldorf

Schwerpunkt war ein Vortrag von Frau Profes­sor Dr. Barbara Kavemann vom Sozialwissen-schaftlichen FrauenFor­schungsinstitut Freiburg über Defizite bei der Umsetzung des Pros­titutionsgesetzes.

Beim nächsten Treffen soll eine Bestandsaufnahme im Vordergrund stehen, unter welchen Bedin­gungen Prostituierte tatsächlich in Nordrhein-Westfalen arbeiten. Dazu Minis­terin Steffens: "Wir benötigen auch genauere Informationen über die verschiedenen Erscheinungsformen der Prostitution und suchen Krite­rien, wie freiwillige Prostitution vom Zwang zur Prostitution tatsächlich unterschieden werden kann."

Der UEGD wird aus Sicht der Betreiberinnen und Betreiber darstellen, mit welchen wirtschaftlichen und rechtlichen Problemen die Branche zu kämpfen hat. Doch mit Jammern wird sich die Situation nicht verbessern, darum werden wir auch Vorschläge präsentieren, die die Rechtssicherheit für den legalen Betrieb von Prostitutionsstätten verbessert und langfristig die Umsätze erhöht.

Der UEGD wünscht dem Runden Tisch viel Erfolg bei seiner Arbeit. Wir werden ihn mit besten Kräften zum Wohle der Branche unterstützen.





2. Sitzung "Daten und Fakten"

www.UEGD.de Update 15.03.2011:

Dabei ging es den Teilnehmern darum, sich ein realitätsnahes Bild über Ausmaß und Probleme mit der Prostitution zu verschaffen..

Der UEGD befürwortet die Vorgehensweise der Organisatoren des Runden Tisches ganz besonders, denn es zeigt, dass die Landesregierung gewillt ist ihre nächsten Schritte auf Basis valider Informationen zu planen.

Zu Wort kamen die, die im direkten Kontakt mit der Prostitution stehen:
- Beratungsorganisationen (die Prostitution als legetime Tätigkeit zur Lebenssicherung anerkennen)
- Hilfsorganisationen (die für ein Verbot der Prostitution plädieren)
- Landeskriminalamt (Menschenhandel)
- 2 Prostituierte [vom Sexworker Forum] selbst
- Arbeitsgemeinschaft "Männliche Prostitution" [AKSD]
- UEGD als Vertreter der BetreiberInnen

Alle bestätigten, dass keine "belastbaren" Zahlen über Prostituierte und Prostitutionsstätten existieren. Deutlich wurde, dass die öffentliche Wahrnehmung der Prostitution größtenteils durch eine vouyeristische Darstellung in Boulevardzeitungen und TV-Medien geprägt ist, die ständig auf der Suche nach neuen Superlativen sind.

Die Prostituierten erklärten, dass sie mit ihrer selbst gewählten Tätigkeit sich keinesfalls als "Opfer" von Zwang und Ausbeutung empfinden.

Der UEGD wies darauf hin, dass es wie in anderen Branchen auch eine geringe Anzahl "schwarzer Schafe" gäbe, dies aber nicht rechtfertige BetreiberInnen per se als Zuhälter und Menschenhändler zu stigmatisieren.

Wie schnell eine ganze Branche in Verruf gerät zeigt die jüngste Bundesratsinitiative. Rechtsverstöße innerhalb eines kleinen Bereiches (Flatratebordelle) werden zum Anlass genommen werden, um eine ganze Branche mit Kontrollgesetzen zu überziehen. Der UEGD hofft, dass der Runde Tisch herausarbeitet inwieweit solche Gesetze der Entkriminalisierung, bzw.dem Gegenteil beitragen.

Hervorzuheben ist, dass trotz der aktuell problematischen Situation des Strassenstrichs in Dortmund und anderen Städten in NWR der Runde Tisch nicht dazu umfunktioniert wurde, um in kurzfristigen Aktionismus zu verfallen. Die Landesregierung hält weiterhin an ihrem Ziel fest, die Arbeitsbedingungen für alle Prostituierten zu verbessern.

Der UEGD unterstützt den Runden Tisch. Mehr als 2/3 der Prostituierten sind in Betreibergeführten Etablissements tätig. BetreiberInnen sind sich ihrer Verantwortung bewußt und wollen einen Beitrag zur Verbesserung der Branche leisten.





3. Sitzung "Erscheinungsbild der Prostitution vor Ort"

www.UEGD.de Update 18.05.2011:

Verwaltungsbehörden von Städten und Gemeinden schilderten ihren Umgang mit der Prostitution.

Folgende Vertretungen referierten über ihre Erfahrungen:
• Stadt Dortmund, Ordnungsamt
• Stadt Köln, Ordnungsamt
• Stadt Köln, Gesundheitsamt
• Kreisverwaltung Paderborn, Sozial- und Ordnungsdezernat
• Kreispolizeibehörde Paderborn
• LAG kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen NRW

Mit Sorge wurde die Entscheidung eines flächendeckenden Sperrbezirks für Dortmund aufgenommen, der von Regierungspräsidenten der Bezirksregierung Arnsberg erlassen wurde.





4. Sitzung "Prostitution in den Niederlanden und Schweden"

www.uegd.de Update 20.07.2011

Das Regulierungsmodell der Niederlande steht dem des Verbotsmodelles Schwedens diametral gegenüber.

Das niederländische Modell wurde vorgestellt von Dr. Sietske Altink, von der Universität Leiden, die auch mit der dortigen Beratungsorganisation "De Rode Draad" zusammenarbeitet.
www.rodeRraad.nl

Das schwedische Verbotsmodell wurde präsentiert von Dr. Susanne Dodillet, von der Universität Göteborg.

Zum Thema siehe auch:
Situation in Holland (regulierte Prostitution) und Schweden (Prostitutionsverbot).





5. Sitzung "Straßenstrich und Straßenprostitution"

www.uegd.de Update 28.09.2011:

Berichtet wurde von:

Christine Nöll, Caritas Essen, Beratungsstelle Nachtfalter
http://nachtfalter.caritas-e.de

Aidshilfe NRW, Landesarbeitsgemeinschaft Männliche Prostitution
www.aids-nrw.de/front_content.php?idcat=1704

Dipl. Soz. Elfriede Steffan, SPI Forschung gGmbH, Berlin, über die Verlagerung des Straßenstrichs der Stadt Köln, Abschlussbericht
http://caritas.erzbistum-koeln.de/expor ... rsion1.pdf
Zusatsinfo vom März 2011: 10 Jahre Straßenstrich in Köln
www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf53/2.pdf

Österreich, Wien, Projekt SOPHIE-mobil
http://de.sophie.or.at/news/sophie-mobil

Dipl.-Soz. Christiane Howe, TU Berlin, Projekt Nachbarschaften und Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraße (PDF)
www.tu-berlin.de/fileadmin/f27/PDFs/For ... ericht.pdf





6. Sitzung "Bordelle und bordellähnliche Betriebe - Teil 1"

www.uegd.de Update 30.11.2011

Betreiberinnen und Betreiber berichteten über die verschiedenen Betriebsformen und die Situation im Sexgewerbe".

Zusätzlich informierten das Gesundheitsamt und das Kriminalkommissariat 12 der Stadt Duisburg, sowie die Mitternachtsmission Dortmund über die Zusammenarbeit mit den BetreiberInnen.

Der Runde Tisch veröffentlichte anschließend sein...





Grundlagenpapier Runder Tisch Prostitution NRW

Auftrag und Ziel ist für Regierung (Exekutive) ein Handlungskonzept (Empfehlungs-Liste) zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes des Bundes www.sexworker.at/prostg in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten.

Dazu bedarf es einer gemeinsamen Aufarbeitung des komplex-heterogenen, schwer abgrenzbaren, stigmatisierten Themas Prostitution.
Prozesshaft wollen sich die unterschiedlichen Beteiligten mit ihren teilw. gegensätzlichen Posititonen und Interessen annähern (teilweise ist das die eindeutige Ablehnung von Prostitution).

Wegen den kaum aufzuhellenden Dunkelfeldes und der begrenzten Einblicke bei allen Beteiligten des Runden Tisches kann es keine Repräsentativität geben.

Konsens ist, dass ökonomischer Zwang zur Arbeit (Einkommenserzielung) nicht per se als Zwangsprostitution gewertet wird (schwierige Abgrenzungsfrage mit Graubereich).

Im ProstG stünde selbständige Wohnungsprostitution und Straßenstrich nicht im Focus, der Runde Tisch meint die Themen dürfen nicht außer Betracht bleiben (was immer das auch heißt? Regelung zur Straßenstrichverbot und Sperrgebiet wie in Dortmund etc.?).

Sorgfältig unterschiedene Geschlechterperspektiven (weibliche-heterosexuelle Prostitution, mann-männliche und Transsexuelle) sollen zielgruppengenaue Empfehlungen ermöglichen.

Wertedebatte

Intime Sexualität geschützt durch Persönlichkeitsrechte ist einer staatlichen Regelung nur eingeschränkt zugängig.

Das ProstG und die Abschaffung der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit hat die gesellschaftlichen Verhältnisse und Einstellungen der Menschen und Institutionen nicht verändert.

Ablehnung von Prostituiton wird vom Runden Tisch als politische Vision und nicht als rechtliche Forderung gesehen.

Die Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes der Prostituierten steht im Vordergrung.

Regulierung von Prostitution ist geeignet
- Arbeitsbedingungen zu verbessern
- Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung zu erschweren

Reformbearf

- Ziele des ProstG wurden nicht erreicht (Evaluation 2007)
- Arbeitsverträge gibt es nur marginal
- Sozialversicherungsmöglichkeit wird kaum genutzt
- Ausstiegsmöglichkeiten wurden nicht verbessert
- Kriminalitätsminderung ist nicht nachweisbar
- rechtliche Ausstrahlwirkung nicht vorhanden
- Lokal, regional unterschiedlich eigenwillige, moralische Auslegung
- Rechtsunsicherheit bei Betroffenen
- gesellschaftliche Bewertung hat sich nicht verbessert
- Migrationsproblem seit Osterweiterung
- Straßenstrichprobleme durch Zuwanderung

Forderung auch von Innenministerkonferenz und Bundesratsempfehlung...

Möglichkeiten und Grenzen

Möglichkeiten
- offene Debatte mit Signalwirkung
- Neue Impulse für Akzeptanz setzen
- Stärkung der Selbstbestimmung von Prostituierten
- Absicht des ProstG weiter verfolgen

Grenzen
- Doppelmoral
- Ängste
- fehlendes Wissen
- fehlender ethischer Diskurs zur Entstigmatisierung
- Keine Regel ohne Nebenwirkungen
- unterschiedlich zusammengesetzter runder Tisch
- hohe Konkurrenz im Wirtschaftsbereich Prostitution
- Anonymität und Anonymitätsbedarf
- zu viel Regeln oder Bürokratie führt zum Abtauchen ins Informelle oder Kriminelle
- Kontrolle und Grenzen von Regulierung:
  • "Die mit Regulation verbundene Kontrolle schließt darüber hinaus die Prostituierten aus, denen Anonymität wichtiger ist als Sicherheit."

Quelle: www.mgepa.nrw.de/mediapool/pdf/emanzipa ... papier.pdf

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Dateianhänge
NRW Runder Tisch Prostitution Grundlagenpapier.pdf
Wertedebatte - Reformbedarf - Möglichkeiten und Grenzen

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interner Querverweis

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Da bin ich doch jetzt echt überrascht, dass es hier im offenen Bereich für alle Sexworker und Forum-User abrufbar noch keine Information und Diskussion über das Grundlagenpapier vom Runden Tisch gab/gibt (s.o. Attachment, heute hochgeladen). Wie soll es weitergehen nach der Neuwahl der neuen NRW-Landesregierung?

(Die Regierung wurde übrigens grob fahrlässige durch haushaltspolitische Machtspielchen der Opposition unbeabsichtigt schon zur Halbzeit der Legislaturperiode zu Fall gebracht und der Bürger muß nun Neuwahlen bezahlen, weil die Politiker ihre eigenen Regeln nicht kennen bzw. nicht bedacht haben.)
___



Weil in Deutschland die Lizensierung von Bordellen das große Thema und fast ausschließliche Denkfigur ist, hier eine wichtige Quelle über das "Beste Land der Welt für Sexworker":


Folgende Studie spricht klar gegen "Legalisierung" (Lizensierung/Zwangsregistrierung/Reglementierung wie in Bayern oder Wien) und für "Entkriminalisierung" (Dekriminalisierung/Normalisierung wie in Neuseeland)



Licensing of sex work (‘legalisation’) should not be regarded as a viable legislative response.

For over a century systems that require licensing of sex workers or brothels have consistently failed – most jurisdictions that once had licensing systems have abandoned them.

As most sex workers remain unlicensed criminal codes remain in force, leaving the potential for police corruption.

Licensing systems are expensive and difficult to administer, and they always generate an unlicensed underclass. That underclass is wary of and avoids surveillance systems and public health services. Licensing is a threat to public health.



www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=112779#112779





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Orte mit Prostitutionserlaubnis und -verbot

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wo dürfen sich Sexworker in Deutschland niederlassen und arbeiten:


Bild
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| Berechnung

Neue Kurzadresse:
www.bit.ly/sperrgebiet
und
www.bit.ly/sexworkatlas





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