Menschenhandel vs. Migration

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Marc of Frankfurt
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#501

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Marc of Frankfurt
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Komplexe Zusammenhänge enttarnen

#502

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Unternehmen sind menschliche Wertschöpfungs-Beziehungen die für ihre Kund_innen tätig sind. Sie kann man eigentlich nicht verkaufen, so wie man auch keine Ehe/Partnerschaft/Freundschaft verkaufen kann.

Der Verkauf von Aktien also Firmen-Anteilen ist ein Sündenfall in der wirtschaftlichen Rechtsgeschichte. Er wurde ungefähr zeitgleich eingeführt mit der Abschaffung der Sklaverei."


-- Dr. rer. pol., Dipl. Kfm. André Presse (*1974)


Weitere Zitate von ihm: "Handel mit Sklaven ist Handel mit Menschen am Stück, der Handel mit Unternehmensanteilen ist Handel mit Menschen en gros".

"Aktiengesellschaft (societé anonym, incorporation, limited liablities, lat.: Universitas) ist eine Sonderform des Vereins (keine Gesellschaft! lat.: Societas) und es entsteht die Fiktion des anonymen Handels, obwohl die Angestelltenverhältnisse der Mitarbeiter höchstpersönlich sind und keine Stückware." Der Mensch wird zur Ware, weil seine Arbeitskraft vertraglich an eine Firma gebunden ist, die wie eine Ware gehandelt wird. Das erste mal, dass ein Wissenschaftler diese Dimension des Menschenhandels ausspricht!

"Unser heutiges Arbeitsrecht entstammt höchstwahrscheinlich der Rechtstradition des Römischen Mietrecht im Sklavenhandel: Arbeit ist aber KEINE Handelsware, sondern immer höchstpersönlich an Menschen gebunden."

"Eine Einführung eines Grundeinkommens kann das heilen. Das ist ordnungspolitisch jedoch nicht gewollt, die Menschen in Freiheit zu setzen. Geldzahlung wird bisher immer als Druckmittel eingesetzt (Lohn, Hartz IV), was beim BGE entfällt."

Quelle ist dieses beachtenswerte Interview: www.youtube.com/watch?v=jK9OSIRmKPw (ab ca. Min. 18)

Seine Dissertation 2009 über das Bedingungslose Grundeinkommen und wie es finanziert werden kann an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bei Prof. Götz Werner (Gründer und Milliardär der Drogeriekette DM, die jetzt eine unabhängibe Stiftung ist, die sich nicht kaufen läßt)
http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/vol ... ts/1258660 PDF

(Zum Vergleich: Älteste Aktiengesellschaften: 1407 Banco di San Giorgio, Genua, 1600 Britische... 1602 Niederländische Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie V.O.C.), 1809 Dillinger Hütte, Saarland. Abschaffung der Sklaverei: 1761 Portugal, 1807 British Empire, 1865 U.S.A., 1949 UN; Marktversagen Arbeitsmarkt, Ehernes Lohngesetz, BGE-Film. Möglicherweise konnte die Sklaverei genau deshalb abeschafft werden, weil sich die Aktiengesellschaften als produktivere/rentierlichere "zeitgemäße Verklavungsform" durchgesetzt hatten (US-Sezessionskrieg/Civil War 1861-5). Die Befreiung der afrikanischen Sklaven war die ideologische Propaganda fürs gemeine Volk.)

"Alle diese überlieferten Lügen können nur aufrechterhalten werden, weil die Systemwidersprüche auf Prostitution projiziert werden und dort stellvertretend abgestraft werden."

-- Cora Molloy (HWG)





Bild





Die Versorgungsehe oder sog. Altehen ist ein paarig-subordiniertes Einkommens- und Versorgungsmodell (Patriarchat).

Das Einkommen d.h. die Lohnhöhe des (meist männlichen) Alleinverdieners muß so hoch sein, dass 1 Person allein ausreicht um eine Partnerschaft/Familie mit 2 und mehr Personen finanzieren zu können (Patriarchat (bei Sexwork ist es genau andersherum und der nichtverdienende Partner wird Zuhälter geschimpft;) ). Die Versorgungsehe war der "Industrie-Gesellschafts-Standard" der Vorkriegszeit. Heute haben wir die Doppelverdiener-Ehe und Single-Gesellschaft und die Unternehmen müssen nur noch halb-so-hohe Gehälter zahlen, um anteilig eine Person allein ernähren zu können und haben doppelt so viele Arbeitskräfte (Produktivitätsfortschritt Wirtschaftswunder). Diese epochale Umstellung aufgrund der Kriegsökonomie (Männer an der Front, Frauen schmeißen in der Heimat die Produktion alleine) bedingt heute noch Probleme bei sog. Altehen, wenn bei Scheidung die Frau, die Haushalt und Kinder versorgt hatte in die Armut abrutscht, weil sie im reformierten Versorgungsrecht nicht berücksichtigt wurde:
www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/06 ... idung.php5





„Sumangali“ wörtl. die glückliche Braut ist ein Menschenhandel-Ausbeutungsmodell in Süd-Indien, damit für uns/unsere Handelskonzerne billige Kleidung hergestellt werden kann

Menschenhändlerinnen (Broker, Arbeitsvermittler) suchen bei armen Familien, die nicht lesen und schreiben können Kinder als Arbeiterinnen, die sie kaufen/pachten/verpflichten können, damit diese in Fabriken gefangen wie in Lagern für eine vereinbarte Zeit arbeiten. Unsere Mode-Handelshäuser und Firmen wie "Ernstings Family" aus Coesfeld und "C&A" mit ihren tausenden Filialen haben es versäumt für faire Arbeitsverhältnisse ihrer Lieferanten zu sorgen:
www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/0621/indien.php5

[alle Zitate nur sinngemäß, in diesem Posting sind es keine wörtl. exakten Zitate.]





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 25.06.2012, 00:04, insgesamt 5-mal geändert.

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EU-Strategie gegen Menschenhandel

#503

Beitrag von fraences »

EU verschärft den Kampf gegen Menschenhandel
BRÜSSEL

Kinder kosten bis zu 20.000 Euro.
So viel zahlen Menschenhändler nach Erkenntnissen der Europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag für minderjährige Jungen oder Mädchen, die zum Diebstahl oder zum Betteln missbraucht werden.

„Sklaverei findet man leider nicht nur in den Geschichtsbüchern“, so EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, als sie gestern in Brüssel die neue EU-Strategie gegen Menschenhandel vorstellte. „Es ist erschütternd, dass in unserer heutigen Zeit noch immer Menschen verkauft oder als Zwangsarbeiter und Prostituierte gehandelt werden.“ Und das nicht zu knapp.

Weltweit wird die Zahl der Opfer von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) mit 20,9 Millionen angegeben, 5,5 Millionen davon sind Kinder.

Allein in den Industrieländern USA, Kanada, Australien, Japan, Norwegen und den EU-Mitgliedstaaten sollen es rund 1,5 Millionen Opfer sein.

Die Täter erwirtschaften mit dem Handel weltweit rund 25 Milliarden Euro pro Jahr. Ihr Risiko gilt als gering.

Während die Zahl der betroffenen Opfer in den vergangenen Jahren stetig anstieg, schicken die Gerichte immer weniger Täter ins Gefängnis. Zwischen 2008 und 2010 sank die Zahl der Verurteilten von 1.500 auf 1.250.

Europaweite Task Force
Nun will die EU gegensteuern und hat einen 5jährigen Handlungsplan, der bis 2016 läuft, vorgelegt. Alle nationalen Polizeibehörden (in Deutschland das Bundeskriminalamt BKA sowie die Landeskriminalämter LKAs) sollen eigene Strafverfolgungseinheiten einsetzen. Diese werden auf europäischer Ebene mit Europol und Eurojust (einem Zusammenschluss der Anklagebehörden) zu einer grenzüberschreitend tätigen Task Force verbunden. Außerdem wollen die Mitgliedstaaten mit den Unternehmerverbänden enger zusammenarbeiten, um die Betriebe vor Ort zu sensibilisieren.

Opferschutzorganisationen sowie andere gesellschaftlich engagierte Gruppen sollen eine eigene EU-Plattform bekommen.

Darüber hinaus will Brüssel leicht verständliche Informationen für potenzielle Opfer bereitstellen, damit diese sich ohne Furcht vor sofortiger Abschiebung an die Behörden wenden können. Aus dem Forschungsetat [in Höhe von???] sollen Projekte finanziert werden, die die präventiven Möglichkeiten des Internets und sozialer Netzwerke ausloten. Malmström: „Unser oberstes Ziel muss es sein, dem Menschenhandel definitiv ein Ende zu bereiten.“

Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung [in Wien] geht davon aus, dass 76% der verkauften Menschen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung entführt wurden (alle Zahlen gelten für 2010).

Weitere 14% werden als Zwangsarbeiter missbraucht, 3% müssen Betteln gehen und immerhin noch 1% landen in Haushalten, wo sie wie Sklaven gehalten werden.
Bei den Betroffenen handelt es sich zu 79% um Frauen, von denen 12% minderjährige Mädchen sind.

www.bt24.de/aktuelles/region/item/63447 ... chenhandel
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Re: EU-Strategie gegen Menschenhandel

#504

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier die zugehörigen Dokumente der EU:

MITTEILUNG DER KOMMISSION
AN
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Die Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels 2012-2016


Deutsch
http://ec.europa.eu/home-affairs/doc_ce ... f#zoom=100

English
http://ec.europa.eu/home-affairs/doc_ce ... f#zoom=100

http://ec.europa.eu/commission_2010-201 ... m#20120621

http://de.wikipedia.org/wiki/Cecilia_Malmstr%C3%B6m


Wenn wir auch einen Verein mit dem Vereinszweck Menschenhandelsbekämpfung ausweisen, bekommen wir evt. auch was von dem Geldsegen ab *LOL*

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Aufklärung statt moralische Kreuzzüge

#505

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Virtuelle Prostitution / Menschenhandelsbekämpfung
Warum die Schließung von Webseiten den Opfern nicht hilft:

The Other Problem with Sex Trafficking



Beachtenswerter Vortrag von Julie Ruvolo
Ex-Sexworker, Internet-Spezialistin, Leiterin des Museum für Sex & Culture New York

Personal Democracy Forum 2012 | June 11-12 | NYC
"The Internet's New Political Power"


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Vj2AHe-HFVE[/youtube]


Skript des Vortrages mit allen Links:
Sex, Lies and Suicide: What's Wrong with the War on Sex Trafficking
http://www.forbes.com/sites/julieruvolo ... afficking/





http://postwhoreamerica.com/the-problem ... afficking/

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Dissertation zur "Menschenhandel"-Argumentation

#506

Beitrag von Marc of Frankfurt »

The Construct of Trafficking:

US-Dissertation



"In this dissertation I conduct a genealogical discourse analysis of anti-trafficking advocacy, policy, and scholarship in the United States from the late 1970s to 2000, looking in particular at feminist and religious abolitionist advocacy networks, and the role they play in the creation of the U.S. Trafficking Victims Protection Act of 2000.

I argue that “human trafficking” is better understood as a *contested concept* rather than as an objectively given problem.

The meaning of trafficking is CONSTRUCTED rather than inherent, and inseparable from the political context through which it is produced."
  • "Victims, Villains, and the Virtuous Constructing the Problems of “Human Trafficking” - Opfer, Täter und die künstvolle Konstruktion des "Menschenhandel"-Problems:

    Ph.D. Thesis / Doktorarbeit (Dr. Phil.): Jennifer Kathleen Lobasz
    Uni Minnesota
    Juni 2012
    http://conservancy.umn.edu/bitstream/13 ... _12756.pdf
    (1,4 MB, 270 pages)




Bereits viel früher wurde diese Position herausgearbeitet:
- 2005: Presseerklärung "Zwangsprostitution gibt es nicht"!: Das Menschenhandelskomplott (German) www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=660 PDF
- 2006: Prof. Julia O’Connell Davidson, WILL THE REAL SEX SLAVE PLEASE STAND UP? Feminist Review, No. 83, pp 4-23 www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=126 PDF
- 2007 Book by Dr. Laura Agustin, Review German: http://farm3.static.flickr.com/2337/246 ... 53b634.jpg
- 2007 Menschenhandel ist ein soziales Konstrukt, Vortrag gehalten auf dem 31. Strafverteidigertag in Rostock (23. – 25. 03. 2007) Dona Carmen (German) www.donaCarmen.de/wp-content/uploads/Rostock.pdf





___
Da ich in Zukunft vorr. immer weniger Zeit haben werde hier unter www.sexworker.at/migration fortlaufend aktuell zu posten, empfehle ich folgende Links:

- FB Gruppe:
www.facebook.com/groups/199758454582/

- Blog vom Seminar an der Humboldt Uni Berlin:
http://menschenhandelHeute.wordpress.com/





2007 hat dieses Thema als Aufklärungsprojekt begonnen, nachdem zur Fußball WM06 so viel Falschpropaganda über Sexwork verbreitet wurde. Hier findet ihr alle wichtigen Links für zukünftige Debatten und für Eure Medienarbeit. In der "Druckansicht" (Icon oben rechts) könnt ihr alle Thread-Seiten als eine einzige Seite öffnen und durchsuchen.

Vernetzt Euch mit den neuen collaborativen Internetquellen in FB und Blogs! Nur gemeinsam können wir eine Gegenöffentlichkeit erzeugen und aufrechterhalten, so wie wir Sexworker sie dringend benötigen, um gegen die feindliche Propaganda in Zeiten der Wirtschaftskrise zu bestehen.

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RE: Menschenhandel vs. Migration

#507

Beitrag von Femina »

*Zersabbelungsmodus an*

Nee, ich gehe nicht zu Facebook.
Davon hört man sogar in den abendlichen Nachrichten so viel Negatives.

Du bist ja nur noch am Wochenende hier. Hast du beruflich zum Handelsvertreter gewechselt, der in der Woche unterwegs ist? :003

*Zersabbelungsmodus aus*

:002
Liebe Grüße, Femina
Träume, die wir leben, machen uns zu dem, was wir sind.

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RE: Menschenhandel vs. Migration

#508

Beitrag von fraences »

Bayerns Justizministerin Beate Merk fordert besseren Schutz vor Menschenhandel / "Dass Deutschland hier nur Mittelmaß ist, darf nicht so bleiben!"

Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk fordert aus Anlass des aktuellen Berichts des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) "Menschenhandel: Deutschland beim Opferschutz nur Mittelmaß" dringend Verbesserungen zum Schutz der Opfer von Menschenhandel. "Dass Deutschland beim Schutz der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution so mäßig abschneidet, ist ein Armutszeugnis und kann so nicht bleiben", so Merk. "Wir brauchen hier dringend Verbesserungen."



"Das beginnt im Bereich der Aufklärung und Prävention", so Merk. "Aber auch im Strafrecht muss sich etwas tun. Seit Jahren kämpfe ich dafür, dass auch die Freier von Zwangsprostituierten bestraft werden können, denn nur deren Nachfrage lässt das Geschäft boomen. Auch müssen wir die Strafmilderungen durch das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 wieder rückgängig machen. Den Strafverfolgungsbehörden fehlt seitdem häufig die Möglichkeit, Durchsuchungsbeschlüsse gegen das Rotlichtmilieu zu erwirken."



Vor allem brauchen wir auch bessere Möglichkeiten, um den Frauen Brücken zu bauen, damit sie Vertrauen zu den Strafverfolgungsbehörden schöpfen und keine Angst haben müssen, gegen ihre Peiniger auszusagen. So sieht die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel vor, dass die zuständigen nationalen Behörden die Befugnis haben müssen, Opfern von Menschenhandel ihrerseits Straffreiheit zu gewähren oder von einer Strafe abzusehen. Sie sollte zügig in deutsches Recht umgesetzt werden."



Ein aktueller Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt laut Medienberichten zu dem Ergebnis, dass Opfer von Menschenhandel in Deutschland nicht ausreichend geschützt würden.

http://www.bayern.de/Pressemitteilungen ... /index.htm
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RE: Menschenhandel vs. Migration

#509

Beitrag von fraences »

Bundeskriminalamt veröffentlicht aktuelle Zahlen für Deutschland


1.) Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 482 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um knapp +3 % (2010: 470).

Die Zahl der wegen Verdachts des Menschenhandels registrierten Tatverdächtigen betrug 753 und damit auch etwa +3 % mehr als im Vorjahr (2010: 730). Bei den Tatverdächtigen dominierten mit einem Anteil von 28 % erneut deutsche Staatsangehörige. Den größten Anteil bei den ausländischen Tatverdächtigen stellten rumänische, bulgarische und türkische Staatsangehörige.

Die Anzahl der Opfer [strenggenommen müßte man vor einem Gerichtsurteil wie bei mutmaßlichen Tätern auch von mutmaßlichen Opfern sprechen was den angeschuldigten Tatbestand Menschenhandel betrifft (es wirt vermischt mit dem tatsächlichen individuellen Leid! Anm. MoF] ist mit 640 um knapp +5 % gegenüber dem Vorjahr (2010: 610) gestiegen. Entsprechend der Entwicklung in den vergangenen Jahren stammte auch 2011 der Großteil der Opfer (88 %) aus dem europäischen Raum. Dabei dominierten erneut rumänische (165 Opfer) und bulgarische (98 Opfer) Staatsangehörige. Deutsche Opfer machten erstmals seit mehreren Jahren nicht den größten Anteil aus, obwohl ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr von 121 auf 139 gestiegen ist. Rund 14 % aller Opfer waren minderjährig.

27 % aller 2011 ermittelten Menschenhandelsopfer gaben an, mit der Aufnahme der Prostitutionsausübung einverstanden gewesen zu sein. Dies entspricht einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr 2010 (36 %). Weitere 39 % wurden unter Täuschung zur Prostitutionsausübung verleitet, 8 % der Opfer unter professioneller Legende, zum Beispiel durch angebliche Model- und Künstleragenturen oder über Inserate in Zeitungen, angeworben. Der Anteil der Opfer, die unter Gewaltanwendung zur Prostitutionsausübung gezwungen wurden, ist mit 18 % [das sind 115 Fälle/Jahr in D, die sog. "Zwangsprostituierten" im engeren Sinne. Anm. MoF] gegenüber dem Vorjahr (11 %) angestiegen.

Hier liegt ein logischer Fehler!!! Wenn zwei Verhältnis-Prozentwerte unterschiedlich sind und in der zeitlichen Reihenfolge größer werden und ansteigen (11 % auf 18%), heißt das NICHT, dass die den Prozentwerten zugrundeliegenden Personenzahlen auch angestiegen sind bzw. im selben Maße angestiegen sind, solange man nicht die beiden Grundgesamtheiten kennt und damit den Gesamtanstieg oder -abstieg in Beziehung setzen kann!!!

Nachdem die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung von 2009 auf 2010 um -12 % zurückging, ist in 2011 wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Es ist jedoch nach wie vor von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen, da sich der Menschenhandel vor allem durch komplexe und nur schwer zu ermittelnde Tatstrukturen auszeichnet.

Die Aussagen von Opfern sind vielfach unentbehrlich, um erfolgreich Strafverfolgungsmaßnahmen durchführen zu können. Da Prostituierte auf Nachfrage gegenüber der Polizei häufig bestätigen, ihrer Tätigkeit freiwillig nachzugehen, bleibt die Drohkulisse, die im Hintergrund von den Tätern aufgebaut wird, oft unentdeckt. Es besteht wenig Bereitschaft, mit der Polizei und den Beratungsstellen zu kooperieren. Dies führt sogar so weit, dass anfänglich gewonnene Zeugenaussagen oftmals wieder zurückgezogen werden.





2.) Im Bereich Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft wurden im vergangenen Jahr insgesamt 13 Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Dies entspricht einem deutlichen Rückgang von -46 % gegenüber dem Vorjahr.

Insgesamt wurden 25 Tatverdächtige – und damit knapp -32 % weniger als im Vorjahr – registriert. Wie im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung konnten pro Ermittlungsverfahren durchschnittlich 2 Tatverdächtige ermittelt werden. Der Großteil davon – 11 Tatverdächtige – waren deutsche Staatsangehörige.

Im Jahr 2011 wurden 32 Opfer des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft ermittelt, rund -22 % weniger als im Vorjahr. Der überwiegende Teil der Opfer stammte aus Polen und Rumänien.

Die Anwerbung der Opfer verlief in der Regel mit deren Einverständnis, nur bei 6 Opfern führten Täuschung oder die Anwendung von Gewalt zur Ausübung von Tätigkeiten.

Die rückläufige Entwicklung der Zahlen im Jahr 2011 ist vor allem auf ein Großverfahren des Landeskriminalamtes Niedersachsen zurückzuführen, was einen deutlichen Anstieg der Anzahl der Ermittlungen im Jahr 2010 zur Folge hatte. 2011 befanden sich die Zahlen wieder auf dem Niveau vom Jahr 2009.

Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft ist in Deutschland noch immer eines der Kriminalitätsphänomene, welches unter anderem durch eine hohe Dunkelziffer gekennzeichnet ist. Dies erklärt sich insbesondere durch die bestehende Abhängigkeit der Opfer von den Tätern, die die Opfer in ihrer Kooperationsbereitschaft mit den Strafverfolgungsbehörden einschränkt. Zwang und Ausbeutung sind wesentliche Elemente dieser Straftat und zunächst meist nicht sichtbar. Für die Betroffenen – die Opfer des Menschenhandels – ist die ausbeuterische Arbeit in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, ihre Familien in den Herkunftsstaaten zu ernähren. Deshalb sind sie häufig bereit, auch widrigste Arbeitsbedingungen hinzunehmen, die nicht selten mit hohen Schulden, Angst vor Repressalien und Gewalt gegen sich selbst und die Angehörigen verbunden sind.





BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Der Menschenhandel insgesamt stellt weiterhin ein massives Problem dar und bedarf auch künftig einer konsequenten Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden. Es geht hierbei um Opferschutz und die Zerschlagung internationaler Täterstrukturen. Auch wenn im vergangenen Jahr zahlreiche Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von Strafanzeigen initiiert wurden, sind polizeiliche Kontrollmaßnahmen sowohl für die Identifizierung von Opfern als auch für die notwendige Aufhellung des immer noch erheblichen Dunkelfeldes von grundlegender Bedeutung. Nur wenn es gelingt, das Vertrauen der Opfer zu gewinnen, sie zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden zu bewegen und professionell zu betreuen, können Menschenhändlerringe ermittelt und die Täter zur Verantwortung gezogen werden.“


https://www.bka.de/nn_196810/SharedDocs ... __nnn=true
edit by ehemaliger_User: verschobene Pressemitteilung neu verlinkt

bisherige pStatistiken
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=81150#81150

[allen Zahlen aus Text in Ziffern umgewandel. Prozentwerte ebenso und mit einem +/-Vorzeichen versehen, wenn es sich um Veränderungswerte zum Vorjahr handelt. Marc]
Dateianhänge
menschenhandelBundeslagebild2011.pdf
Bundeslagebild Menschenhandel 2011
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RE: Menschenhandel vs. Migration

#510

Beitrag von annainga »

die ausdrucksweise "wurde abgeschlossen" gefällt mir nicht, weil sie nichts aussagt, sondern eher etwas falsches einredet. die ergebnisse der abschlüsse sind wichtig.

von den "wurde abgeschlossen" - fällen sind einige mit freispruch abgeschlossen worden.

dann wird das bild anders bezüglich der massenhaften kontrollen und versuchen der behörden und polizei.

als begründung gibt die polizei an, das dunkelfeld im menschenhandel sei um ein vielfaches größer als die zahlen vermuten lassen.

da gibts zwei möglichkeiten.
entweder es stimmt nicht und die übermäßigen kontrollen sind unnötig.
es stimmt und die übermäßigen kontrollen sind das falsche instrument.

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RE: Menschenhandel vs. Migration

#511

Beitrag von Jupiter »

Interessant, dass auch Hr. Zierke feststellt, dass "Opferschutz" erforderlich ist.
Solange eine sofortige Abschiebung droht, ist dies nur "warme Luft".

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Re: BKA-Zahlen 2011

#512

Beitrag von Marc of Frankfurt »

BKA Menschenhandel-Statistik Deutschland 2011


482 Ermittlungsverfahren Prostitutionsausbeutung abgeschlossen
??? Prozesse abgeschlossen ???
??? Verurteilungen (gerichtsbestätigte Täter und Opfer) ???

753 Tatverdächtige
211 28% deutsch

640 Opferverdächtige
165 rumänisch
_98 bulgarisch
_90 14% minderjährig (unter 18 Jahren(?))
173 27% freiwillig, zunächst einverstanden (unter 21 Jahren(?))
250 39% verleitet
_51 _8% verleitet durch professionelle Legende
115 18% Zwang (sog. Zwangsprostituierte im engeren Sinne)

13 Ermittlungsverfahren Arbeitsausbeutung abgeschlossen
25 Tatverdächtige
11 44% deutsch

32 Opferverdächtige
_6 19% getäuscht oder gezwungen

2 Tatverdächtige/Verfahren, das spricht gegen O.K.-Verdacht sondern für informelles "Familienunternehmen/Bekanntschaftsnetzwerk".

Dass es 37-mal mehr Ermittlungsverfahren im Bereich Sexarbeit gibt als bei Gaststätten, Landwirtschaft, Bau, Fleischereibetrieben, Altenpflege und Diplomatenhaushalten zusammen, das zeigt die Menschenhandelsbekämpfung ist auch heute noch primär gegen Prostitution organisiert!





Da kann ich dir nur Recht geben @annainga. Wenn man aber bedenkt, dass diese Informationstexte und Pressekonferenzen professionell seit Jahren von den höchsten Polizeispezialisten und beamteten, staatlichen Repräsentanten in dieser verzerrenden Form geben werden, erkennt man, dass es kein Lapsus sein kann, sondern Methode hat (hegemoniale Sprache zur Prostitutions- und Migrationseindämmung und Systemstabilisierung/Bevölkerungskontrolle).

Das ist etwas was uns und manche NGOs schier zum Verzweifeln bringen kann, und sie dann scharfe als persönlichen Angriff mißzuverstehende öffentliche Briefe schreiben läßt, um die Menschen aufzurütteln, bzw. um überhaupt politisch-öffentlich Gehör finden zu können. Wenn Frauen oder Sexwoker jedoch "laut" werden, wird so ein Verhälten traditionellerweise als Hysterie interpretiert auch wenn wir heute wissen es ist Bitchism, eine Form von Selbst-Empowerment und Selbst-Inklusion.)





Im Zuge des Kachelman-Prozesses und seiner neuen Buchveröffentlichung zusammen mit seiner jetzigen Frau hier ein Vergleich zur


Vergewaltigungen-Statistik Deutschland:

_86.800 bzw. bis zu
160.000 100% Vergewaltigungen/Jahr Deutschland geschätzt d.h. inkl. Dunkelfeld
_ 8.000 _ 5% 100% zur Anzeige gebracht
_ 1.000 _ 1% _13% davon Verurteilungen
___ 240 ____ _ 3% Falschbeschuldigungen (internat.: 1-9%)


www.frauenrechte.de/online/index.php/th ... -sich.html
www.emma.de/news-artikel-seiten/pressem ... achelmann/

Es gibt 8 bis 16-mal mehr Gewalttaten im privaten Bereich der Sexualität, als im professionellen Bereich von Prostitution/Sexarbeit.

(1.000 verurteilte Vergewaltiger bezogen auf 115 mutmaßliche Opfer von tatsächlichem Zwang = 8-fach und
8.000 Vergewaltigungsanzeigen bezogen auf 482 abgeschlossene Ermittlungsverfahren Prostitutionsausbeutung = 16-fach).

Einem Mann zu begegnen oder sich zu verlieben kann also bereits gefährlicher sein als in der Sexarbeit zu arbeiten bzw. dazu auch noch das Risiko und unternehmerische Wagnis einer (informellen) Migration einzugehen!


Bei diesem Vergewaltigungs-Diskurs entwickelt sich eine ähnliche Kontroverse bzgl. Falschanschuldigungen und "Helferindustrie" (Konzept von Dr. Laura Agustín siehe posting #2, Seite 1) vergleichbar wie bei Sexwork/Menschenhandel.

Ich habe mir erlaubt im BKA-Text alle Zahlen durch Ziffern und %-Zeichen zu ersetzen (mit Vorzeichen wenn es Zeitvergleiche sind), weil ich glaube dass ist prägnanter, wenn es um Zahlen und Fakten geht. Eigentlich wäre eine zusammenfassende-vergleichende Tabelle/Infographik angesagt... was aber aufwendiger ist und erst noch jemand machen müsste...

Zeitreihe:
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 19.10.2012, 14:50, insgesamt 1-mal geändert.

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Menschenhandel allgemein

#513

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Menschenhandel-Zahlen Österreich habe ich keine finden können.


Jahresbericht Schlepperkriminalität Österreich

Smuggling / illegal migration

9.418 Illegal eingereiste Österreich 2010
6.664 Geschleppte (meist Afghanen und Russen)
_ 301 Schlepper (meist Österreicher)


Prostitutionsausbeutung werden nicht untersucht oder ausgewiesen.

Bericht der Bundespolizei hier auf der Seite der Wiener Hilfsorganisation footprint gegen Menschenhandel und gegen Prostitution:
www.footprint.or.at/images/inhalt/jahre ... r_2010.pdf





Vergleich für Deutschland 2010
(Frankfurter Rundschau/Bundespolizei)

848 Schleusungen
_28 Schleuser

(30 Schleusungen oder 150.000 Euro Umsatz pro Schleuser.)

848 illegale, informelle Einwanderungen im Jahr oder 10 ppm (parts pro million) bezogen auf alle Bundesbürger in Deutschland.

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=104333#104333 (s.o.)

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Marc of Frankfurt
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Methodologie-Kritik

#514

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Was mir gerade noch nachträglich auffällt an der Methode, wie das BKA Zahlen möglicherweise manipulativ unter das Volk bringt. (Habe es bereits oben im Posting #505 hinzugefügt):

BKA hat geschrieben: Der Anteil der Opfer, die unter Gewaltanwendung zur Prostitutionsausübung gezwungen wurden, ist mit 18 % gegenüber dem Vorjahr (11 %) angestiegen.

Bei dieser wichtigen Aussage geht es um die Teilgruppe der sog. "Zwangsprostituierten" im engeren Sinne. Es sind in absoluten Zahlen 115 Fälle im Jahr 2011 in Deutschland. Man kann aber auch sagen es sind gar KEINE Prostituierten, sondern Opfer sexueller/sexualisierter Gewalt, sexueller Ausbeutung oder gar Versklavung aber nicht von Sexarbeit!
Das hängt ab vom Wortgebrauch Prostitution (entweder abgrenzendes Schimpfwort oder neutrale Sachbeschreibung je nach pers. Standpunkt zu Prostitution/Sexwork). Insbesondere dann, wenn man Prostitution definiert als Tausch oder Verkauf von Sex gegen Geld. Kaufvertrag oder Tausch ist etwas freiwilliges! (Solange es nicht als sittenwirdrig gilt.) Die Verwendung von Worten wie Opfer wenn mutmaßliche Opfer gemeint sind, von Zwangsprostituierte, von 'Körper verkaufen'... sind letztlich alles sprachökonomische Vereinfachung, wo jeder schnell wissen soll was gemeint ist, die aber einen uns Sexworker und die Prostitutionsbranche diskriminierenden Anteil haben, weil sie von der herrschenden Mehrheit über die Minderheit bestimmt werden, ohne unsere Lebensweisen und Berufspraxis zu würdigen (Definitionsmacht, Exklusion, Marginalisierung, Stigmatisierung...).

Aber hier kommt das eigentliche Problem an dem Satz vom BKA:


Das BKA beschreibt einen Anstieg von 11% 2010 auf 18% 2011.

Jeder darf vermuten +7 Prozentpunkte Zunahme.

Aber, das ist ein logischer Fehler!!! Wenn zwei Anteile als Prozentwerte unterschiedlich sind und in der zeitlichen Reihenfolge ansteigen (11 % auf 18%), heißt das NICHT, dass die den Prozentwerten zugrundeliegenden Mengen (das sind hier die mutmaßlichen Gewalt-Opfer) auch zahlenmäßig angestiegen sind bzw. in dem selben Maße angestiegen sind.

Solange man nicht die beiden Grundgesamtheiten kennt bzw. nebeneinander stellt und hinschreibt, so daß der Gesamtanstieg oder -abstieg in Beziehung gesetzt werden kann darf man aus Prozentwerten von Anteilen in unterschiedlichen Gruppen keinen (zeitlichen) Anstieg herauslesen!!!
  • Beispiel:
    50% von 200 sind 100 Fälle
    75% von 100 sind 75 Fälle
    Ergebnis:
    +25% scheinbarer Anstieg als Prozentwert aber tatsächlich -25 Fälle Verminderung!!!
Die Zahl dieser Teilgruppe vom vorhergehenden Jahr muß also angegeben werden!

Die Gesamtzahl der Opfer habe sich um 3% auf 640 erhöht schreibt das BKA.
610 (2010) +30 auf 640 (2011) ergibt bei mir allerdings +4,7 bis 4,9% je nachtem auf welches Jahr man sich bezieht, ob man also von 2010 in die Zukunft schaut oder zurück blickt!?

18% von 640 (2011) = 115
11% von 610 (2010) = 67
Zunahme +48 Opfer oder 48/610=+7,8% oder 48/640=+7,5% statt falsch: 18% minus 11% = 7%.
Erst wenn man die Zahlen vorliegen hat, merkt man der logische Fehler ist hier nicht grob verfälschend.

Dennoch kommt noch die Satzstellung bei dem obigen Satz hinzu. Denn wenn man ihn schnell liest, dann kann man denken der Anstieg wäre +18% (zweistellige Zahl), obwohl er mit +7,8 weniger als halb so groß ist (einstelliger Prozentwert)! (Dahinter steht das Verwechselungsproblem von Prozentwerten als Anteil zu einem Zeit-Punkt und als Veränderungswert zwischen den Jahren einer Zeit-Periode.)

Auch das kann man nur als eine sprachliche Nachlässigkeit bei der Formulierung sehen, oder aber es ist bereits eine versuchte Manipulation?

Jedenfalls sind die gleichzeitig angewendeten Methoden beide nicht sauber!
(Verständlich warum viele Leute die %-Rechnung nicht mögen;-)





Mit solchen Taschenspieler-Trix mit Zahen und Worten "informiert" das Bundeskriminalamt www.bka.de aus Wiesbaden

Das Amt, welches die Prostitutionskontrolle bundesweit koordiniert als Think Tank (vgl. aufgeflogener BKA-Insider beim Runden Tisch im entfernten Marburg), wird geleitet von Präsident Herrn Jörg Ziercke (SPD, *1947) seit 2004, der auch schon bei Onlinedurchsuchung (Bundestrojaner), Internetsperren (Zensursula) und Drohnenangriffen problematische Positionen vertritt. Seine obere Bundesbehörde untersteht direkt dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU *1957, Wahlkreis Hof in Oberfranken), der ein konservativer Prostitutionsgegner ist und vmtl. gemeinsam mit der Innenministerkonferenz (IMK) für die angestrebte Revion des ProstG mit verantwortlich zeichnet.





Was ist von solchen Trix zu halten?

Übrigens ich war selbst erschrocken über die zwei Folgerungen, die ich aus der Auswertung herausgelesen habe und oben gelb gemarkert sind: "23x mehr Ermittungen bei Sexwork im Vergleich zu allen anderen Branchen" und "6-18x mehr Gewalttaten im Privaten im Vergleich zu Sexwork".

Liste von Trix und Fehlern bei Studien:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=105997#105997
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 20.12.2012, 15:55, insgesamt 2-mal geändert.

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RE: Menschenhandel vs. Migration

#515

Beitrag von fraences »

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 18/621
Landtag
18. Wahlperiode 30.10.2012
Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU
Menschenhandel und Zwangsprostitution im Land Bremen
Zu einem erfolgreichen Kampf gegen den Menschhandel und Zwangsprostitution
gehört auch, dass die Opfer wirksam geschützt werden. Die Chance der Aufdeckung
von Menschenhandel und Zwangsprostitution und einer anschließenden Verurteilung
der Täter steigt mit der Aussagebereitschaft der Opfer. Ein Anreiz für die Frauen, sich
einem oftmals riskanten und anstrengenden Prozess zu offenbaren, kann einen Beitrag zur Verfolgung der Täter leisten.
Im Gegensatz zu Zeugen aus EU-Mitgliedstaaten, die sich durch die Freizügigkeit in Deutschland aufhalten können, ist die aufenthaltsrechtliche Situation der Zeuginnen aus Drittstaaten schwieriger. Durch undurchsichtige Bleiberechtsregelungen, mangelhafte Informationen über die eigenen Rechte und fehlende finanzielle Perspektiven sind die Aussagebereitschaft und der Wille zur Zusammenarbeit mit der Polizei gering.

Wir fragen den Senat:
1. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit und Koordination mit den jeweils zuständigen Behörden der Herkunfts- und Zwischenländer von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution und welche Erfolge werden dabei erzielt?
Welche Schwierigkeiten treten bei dieser Zusammenarbeit auf?
2. Wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschhandel und Zwangsprostitution wurden im Land Bremen jeweils von 2008 bis heute, aufgeteilt nach
Delikten, eingeleitet?
3. Wie sind diese Verfahren jeweils ausgegangen?
4. Wie viele Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution gibt es im Land Bremen und wie hat sich diese Zahl von 2008 bis heute entwickelt? Aus welchen Ländern kommen die Opfer und wie alt sind sie?
5. Wie viele Opfer sind seit 2008 bis heute als Zeugen im Land Bremen in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden und wie lang war durchschnittlich die Verfahrensdauer?
6. Wie viele Opfer haben jeweils von 2008 bis heute, Leistungen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes bzw. nach SGB II und SGBXII bezogen?
7. Wie viele Opfer sind von 2008 bis heute aus Bremen in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt? Welche Regelungen gibt es hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltstiteln für die Opfer, in wie vielen Fällen wurde ein Aufenthaltstitel erteilt
und in wie vielen Fällen wurde diesen Opfern eine Arbeitserlaubnis erteilt?
8. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe fand im Rahmen des Strafverfahrens jeweils von 2008 bis heute eine Vermögensabschöpfung statt? Inwiefern besteht die Möglichkeit, diese Summe für die Beratungen und Unterstützung von
Opfern einzusetzen?
9. In wie vielen Fällen wurde im Land Bremen von der Verfolgung einer ausländerrechtlichen Straftat seitens der Opfer gemäß § 154c StPO abgesehen? In wie vielen Fällen wurde von der Verfolgung abgesehen, damit sich die aussagebereiten Opfer den Ermittlungsbehörden als Zeugen zur Verfügung stellen können?“
Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt:


http://www.bremische-buergerschaft.de/d ... 21_e37.pdf
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Forschungsbericht Californien

#516

Beitrag von Marc of Frankfurt »

US Trafficking/Smuggling research San Diego:

Die Rechtlosigkeit und hohe Zahl an illegalen MigrantInnen ist die Ursache für Ausbeutung bei der Lohnarbeit



30% (estimated) of unauthorized Spanish-speaking migrant workers in San Diego County California USA (Mexican border) were victims of labor trafficking.
55% are victims of abusive labor practices or gross exploitations.

6% of those who traveled with smugglers experienced trafficking violations.
28% at workplace

23% during transport
52% at workplace in the US

close-knit network of migrant may serve as a protective factor

11.2 million unauthorized immigrants in the U.S., of which about
8 million (or about 71%) are in the workforce
2,876,000 unauthorized immigrants in California (or 7.8% of state’s total population of 36,756,000)

2,472,000 guestimated (labour) trafficking victims just among unauthorized Mexican immigrants in the U.S.

(because the population base of undocumented immigrants in the U.S. is so large. Any small percentage, once applied to such a large population, will produce many victims.)

The victims’ legal status appears to be the most important factor in determining their likelihood of victimization

illegal status also confounds counter-trafficking efforts



Looking for a Hidden Population:
Trafficking of Migrant Laborers in San Diego County
Final Report
Submitted to United States Department of Justice
Prepared by Sheldon X. Zhang, Ph.D., Principal Investigator
San Diego State University - Department of Sociology
November 2012
www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/grants/240223.pdf

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RE: Menschenhandel vs. Migration

#517

Beitrag von fraences »

Stellungnahme des Innenministeriums
Landtag von Baden-Württemberg vom 15.11.2012
Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und der
Zwangsprostitution sowie Schutz seiner Opfer


Zitiert aus der Stellungnahme:

Opfer in Baden-Württemberg 2011:
14 Opfer „Ausbeutung von Prostituierten & Zuhälterei“ davon 6 (50%) Deutsche
66 Opfer „Menschenhandel“ davon 8 (12%) Deutsche


Polizei-NGO-Kooperation bei Razzien:
"Die Vorabunterrichtung der Fachberatungsstellen [bei Razzien] ist in Ziffer 3.2 und 3.4 des Leitfadens für die Kooperation zwischen Behörden und Fachberatungsstellen in Baden-Württemberg zur Verbesserung des Schutzes von Opfern und der Strafverfolgung in Fällen von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geregelt."


Hier weiter lesen:
www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW ... 2671_D.pdf


___
Bundesweite BKA-Zahlen:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1476&start=405
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#518

Beitrag von Marc of Frankfurt »


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#519

Beitrag von ehemaliger_User »

Danke Fraences, einen Satz möchte ich noch ergänzend zitieren:

"Die Zahlenb spiegeln im Wesentlichen den bundesweiten Trend wieder"

Und Baden-Württemberg ist ein Bundesland, das SexarbeiterInnen registriert, Frauen unter 21 zum persönlichen Gespräch vorlädt. (Zitat einer 19jährigen: "Ich habe von der Polizei die Erlaubnis zu arbeiten")

Habe gerade bei zdf-neo gesehen:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnav ... ück-allein

Alleine in Wiesbaden eröffnet die Polizei 1.000! Verfahren wegen häuslicher Gewalt. Nach gängiger Argumentation müsste deshalb die Ehe eine behördliche Konzession erhalten oder sogar verboten werden.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

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#520

Beitrag von Marc of Frankfurt »

UN Menschenhandelsbericht / Trafficking in Persons (TIP) 2012


www.unodc.org/unodc/en/data-and-analysis/glotip.html



Österreich

2009
2010

32 Täter (6 Frauen + 26 Männer) verurteilt 2009 - convicted trafficking
14 Täter (5 Frauen + 9 Männer) 2010

34 Täter (13 Frauen + 21 Männer) strafrechtlich ermittelt 2009 - prosecuted trafficking
16 Täter (5 Frauen + 11 Männer) 2010

22 Opfer (11 Frauen + 11 Männer) 2009 - victims (6 minors + 16 adults)
14 Opfer (2 Frauen + 12 Männer) 2010 (1 + 13)

35% labour exploitation + servitude (Arbeitsausbeutung und Haushaltsdienste)
62% sexual exploitation (Prostititution etc.)

220 Opfer wurden von LEFÖ betreut 2010
"NGO LEFÖ-IBF (Intervention Centre for Migrant Women Affected by Human Trafficking) acts on the basis of a government mandate and is thus officially responsible for the implementation of certain action steps of the National Action Plan."

Taskforce Menschenhandel seit 2004 (Außenministerium)
Nationaler Koordinator seit 2009
2. National Action Plan 2009-2011

Seite 8 ff. www.unodc.org/documents/data-and-analys ... l_Asia.pdf





Deutschland

147 (2009), 130 (2010) conviction prosecution trafficking (Bild 1)
148 (2009), 131 (2010) conviction prosecution trafficking (Bild 2)
710 (2009), 640 (2010) victims (davon 23, 11 unkonwn/unrecorded d.h. Dunkelziffer(?) beträgt nur 3,2%, 1,7%)

7% labour exploitation
93% sexual exploitation

"Conviction data based on prosecution statistics" ??? Ist wohl ein Übersetzungs-/Interpretations-Fehler. Es handelt sich m.E. um die bekannten BKA-Zahlen d.h. um abgeschlossene Polizeiermittlungen vor Prozesseröffnung oder Verurteilung !!!

Seite 48 ff. des Berichts





Schweiz

9 convicted 2009
56 prosecuted 2010
48 victims 2010

Seite 117





Schweden

8 convicted 2010
18 prosecuted 2011
109 victims 2011

60% Arbeitsausbeutung
39% sexuelle Ausbeutung

Seite 115





USA

2010

110 convictions trafficking
181 prosecutions trafficking
541 foreign certified victims (92 minors + 449 adults)

62%/55% labour exploitation (minors/adults)
29%/12% sexual exploitation
9%/10% mixed exploitation

page 48 www.unodc.org/documents/data-and-analys ... ericas.pdf

Hier weitere aktuelle US-Zahlen zu Razzien, Menschenhandel & Kinderpornographie
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=127936#127936

Ältere TIP Berichte von den USA (statt der UN)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=8142

Dem stehen gegenüber 80.000 Festnahmen von Sexworkern pro Jahr
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1363&start=234





Übersichtsposting mit Querverweisen
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1476&start=405
Dateianhänge
UN TIP 2012<br />Vergleich verschiedener Länderkennzahlen<br /><br />(eigene Darstellung)
UN TIP 2012
Vergleich verschiedener Länderkennzahlen

(eigene Darstellung)
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 10.01.2013, 11:11, insgesamt 4-mal geändert.

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