PROstitutions-Def., Leitbilder Sexwork & StigmaForschung

Berichte, Dokus, Artikel und ja: auch Talkshows zum Thema Sexarbeit werden hier diskutiert
Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

sprachliche Feinheiten

#21

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Und schon wieder so ein Fall, wo Hurenstigmatisierung gegenüber Rassismus unentdeckt bleibt:


Mehr Beschwerden für die Ombudsfrau


Die Ombudsstelle der Stadt Zürich hat 2007 insgesamt 562 Beschwerden behandelt und überdurchschnittlich viele gutgeheissen - zwei Beispiele.

...

Eine englischsprachige, dunkelhäutige Frau aus den USA, die bei einer Grossbank in Zürich arbeitet, beglich ihre Taxirechnung mit einem Kreditschein der Bank. Zu ihrer Überraschung eilte ihr der Fahrer nach und beschimpfte sie als «schwarze Hure» und drehte ihr den Arm auf den Rücken.

Die Frau erstattete Anzeige und bestand darauf, dass der Lenker auch für die Beschimpfung bestraft wird. Beim erneuten Nachfragen versicherte ihr der Polizist, dass im Strafantrag auch die Beschimpfung aufgeführt sei. Als der Fahrer einen Monat später vom Stadtrichter gebüsst wird, ist von der Beschimpfung aber keine Rede.

Die Ombudsfrau stellt in ihrem Bericht fest, dass die Strafanzeige unvollständig entgegengenommen wurde. Der Ausdruck «schwarze Hure» hätte von der Polizei auch im Zusammenhang mit seinem rassistischen Gehalt von Anfang an für die Aufnahme als relevant angesehen werden müssen. Bei Rassendiskriminierung handelt es sich gar um ein Offizialdelikt, das von Amtes wegen zu untersuchen ist.

Es sei nicht Aufgabe der Polizei, eine Würdigung vorzunehmen und einen Sachverhalt nach eigenem Gutdünken nicht aufzunehmen. Der Polizist habe die Sorgfaltspflicht verletzt.

http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/zu ... 68570.html




Und wie steht es mit der semiotischen Sorgfaltspflicht der Ombudsfrau zur Unterscheidung zwischen Rassismus und Misogynismus? Ist hier nicht gerade das Wort "Hure" das Substantiv?





.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Wie auf Schimpfwörter unterschiedlich reagiert wird

#22

Beitrag von Marc of Frankfurt »

NPD-Abgeordneter soll seine Immunität verlieren

Er hat das berüchtigte Hurenschimpfwort benutzt



Ist das jetzt eine Antidiskriminierungsintervention zugunsten von SexarbeiterInnen?

Wohl eher noch nicht.
Es geht darum den Beschimpften zu schützen.
Der sächsische Landtagsabgeordnete der NPD Jürgen Gansel hatte im November 2007 verlautbart:

"Die Justiz der Bundesrepublik sei eine Hure der antideutschen Politik".

http://www.focus.de/politik/deutschland ... 99913.html





Was für harte Strafen wohl damals gegen Martin Luther ausgesprochen wurden? Exkommunikation? Inquisition? ...

viewtopic.php?p=28258#28258





.

CK
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 295
Registriert: 07.05.2008, 20:17
Ich bin: Keine Angabe

Re: Wie auf Schimpfwörter unterschiedlich reagiert wird

#23

Beitrag von CK »

Über die NPD müssen wir nicht groß reden, abscheuliches Faschopack. Jürgen Gansel ist zudem wohl der widerlichste von allen braunen Parlamentariern in Sachsen. Von dem gab es schon regelmässig Ausfälle. "Bombenholocaust von Dresden" bspw. oder "Politmafia".

Hier anklicken um seine diversen Auftritte zu "bewundern":
http://de.youtube.com/results?search_qu ... type=&aq=f

Den Rechtsstaat und die Justiz in Deutschland nun zu kritisieren, war wohl der letzte Tropfen aufs volle Fass.

Dennoch kann man wieder mal leider erkennen, dass die meisten Menschen "Hure" als Schimpfwort identifizieren. An erster Stelle natürlich Gansel selbst, klar, aber eben auch die anderen Politiker. Hätte Gansel "Jude" gesagt, hätte man ihm Antisemitismus nachgesagt, hätte er "Schwuchtel" gesagt eben Homophobie, hier müsste man ihm nun eigentlich konsequenterweise Putophobie vorwerfen, tut aber niemand, da auch die Beschimpften implizit Hure als Schimpfwort betrachten.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Re: Wie auf Schimpfwörter unterschiedlich reagiert wird

#24

Beitrag von Marc of Frankfurt »

CK hat geschrieben:Putophobie
Danke.


Gegenteil Putophobie = Pute Pride

(Z.B.: Internationaler Hurentag 2. Juni)

viewtopic.php?t=967 (Fachbuch)
viewtopic.php?p=34237#34237 (Parade Paris)





.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Zur Verkettung von Fußball mit Hure

#25

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Fußballverein mit dem Spitznamen "Fußball-Hure"?

Und kein Mensch regt sich auf?



TSG 1899 Hoffenheim, das Überraschungs-Team der Zweiten Bundes-Liga.

Quelle:
Interview von Welt-Online mit Harry Hack (41), Gründungsmitglied und Sprecher des neuen Fan-Klubs.

http://www.welt.de/sport/article1993482 ... frueh.html





vergleiche auch das innovative Marketing-Konzept:

Ambush Marketing

viewtopic.php?p=36882#36882





.

Hanna
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 908
Registriert: 08.10.2007, 19:06
Ich bin: Keine Angabe

#26

Beitrag von Hanna »

umso mehr bin ich froh, daß wir uns ja nun SexarbeiterInnen nennen. Da kann so was nicht mehr passieren.
mit "Hure" darf nur ich selbst mich mal ausnahmsweise bezeichnen
und Prostituierte das reserviere ich für Drogen- und Zwangs- p.

und Fußballsexarbeiterin klingt so besch**** das wird keiner sagen. wie ich überhaupt finde daß einer der wesentlichen vorteile unserer Neuschöpfung darin besteht, dass sie sich für Beschimpfungen so gar nicht eignet.

lg, Hanna
Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)

CK
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 295
Registriert: 07.05.2008, 20:17
Ich bin: Keine Angabe

#27

Beitrag von CK »

Ich mag Hoffenheim nicht. Bevorzuge nunmal Traditionsvereine. Aber nun gut ... :003

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

SW-Lexikon Thailand

#28

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Empowering words


Bild

New dictionary hopes to help redefine the world's oldest profession


ONSIRI PRAVATTIYAGUL

While most of us never challenge or even consider the role of linguistics in our daily lives, Empower, a charity offering support for sex industry workers, has braved the norm and created the Bad Girls Dictionary, in which typical meanings of words are reworked in a new light. For the creators of the new book, the real definition of a word involves "not just its meaning, but also the context in which it is used". Written in the first person, the text works to present old ideas in a new prejudice-free light.

To paint a clearer picture of the radical dictionary, let's take a look at a couple words.
  • Prostitute n Prefer sex worker.
    The name others call our profession. Politicians blaming each other for corruption and vote selling also use it, enhancing its negative association. In Thailand, the abbreviation "P" is commonly used to refer to women who have regular STD checks, and researchers use it in statistical analysis. When we hear prostitute or "P" it has the negative connotation of something underground and subversive.

    Journalist n
    Our regular customers; our good friends and supporters; people who like making money from Empower stories; however, sometimes after a story runs, the police crack down, and the women blame Empower.

    Fat adj Fat old men, etc.
    Many fat old men are very respectful, kind, entertaining, generous and polite customers. We're not prejudiced.

    Bush Policy exp
    During 2003, after Bush's policy failed to make any impact on the global problems of drugs, arms and terrorism George W. Bush had a new idea. He mistakenly deduced that migrant sex workers were moved by the same channels that drugs, guns and Osama were. Therefore he used us as a scapegoat in unrelated issues.
Along with its colourful entries, the book also includes a sassy 20-FAQ section which is highly recommended for anyone interested in the sex industry. It includes questions such as:
  • "If a customer offers to pay more money, will women agree not to use condom?" And the given answer,

    "If you ask this, we understand you believe we are stupid and greedy women who will do anything for money even risk our lives. Would a paratrooper not use a parachute if offered more money?"
So now you've got the idea. There's also an entry on Thaksin, but we won't spoil the surprise.

Co-written by former sex worker and Empower coordinator Pornpit Pukmai, former nurse Liz Cameron, Empower founder Chantawipa Apisuk and designed by artist and activist Chumpon Apisuk, the Bad Girls Dictionary encompasses words that possess political, social, cultural, historical and educational aspects that directly and indirectly relate to the sex-worker industry. The entries were gathered from sex workers around the country. The dictionary aims to create understanding between two different two culturally divided groups - sex workers and non-sex workers.

"Typical dictionaries only offer definitions of words. They don't provide any attitude or thought behind them. Our dictionary wants to convey the definitions in a wider context," said Chantawipa.

"Our dictionary might be viewed as a 'peasant' text because traditionally only high class people have produced such reference material. Instead, this one is made for and by people who are regarded to be at the bottom of society. We think of it as an anthropological study," said Chumpon.

The Bad Girls Dictionary is also an opportunity for sex industry workers to tell their story, in their own words. "The right to define, create and adapt words and languages is often seen as the right of academics alone. They invent a term and push its acceptance, even though the very people it refers to wouldn't acknowledge or identify with the term in any way. [As sex workers] we have our own understanding of the vibrant living language we use in our daily lives," reads the dictionary's introduction.

The idea of the book stemmed from the frustration Pornpit often feels at conferences she regularly attends on behalf of Empower.

"When I go to conferences as a representative, I sometimes run into hurtful, misleading and incorrect interpretations of words. So I want to correct those misconceptions in our community. It's also a good way to present the realities of the injustices we are forced to face in our industry," she said.

Pornpit also recognises the power of words. She notes that by employing certain vocabularies, the authorities can instil subtle yet controlling policies that propagate prejudiced attitudes. This in turn can effect every aspect of society, including the sex industry.

"Words are sometimes constructed to rid us of our rights. For example the term "commercial sex worker, or CSW" has been translated in Thai as ying archeep piset (irregular career female), which speaks volumes about prejudicial linguistics. Unaids recognised the unfairness and committed to stop using the term in all of its communications and documents in 1997, but its usage prevails because no punishments for disobeying the directive have been defined," she said.

The book project started two years ago, and involved much communication between the writers and the sex worker communities around the country. It sparked many dialogues and called for lengthy debates over which words should be included.

"The dictionary has really been a communal effort. Many definitions were decided upon though consensus, which requires the involvement of a lot of people. It's been such a joyful process that we almost wished it didn't have to end! Words kept pouring in even after the manuscript hit the printing machine," said Cameron.

The Bad Girls Dictionary offers both Thai and English translations, but they are not literal versions of one another. Both language entries were derived independently, thus avoiding the trappings of direct translation, the writers said.

Even though the dictionary is earnest and refreshing, Chantawipa accepts that a minority audience might misinterpret it. She is, however, undaunted by the challenge.

"We're exercising our basic right of expression. It might be a subject that has traditionally been taboo, but we're confident that people will find it interesting. And we're introducing a new way of researching and reporting," she said.

Wider exposure and a general release are far from their minds since they know that regular channels of distribution will not be satisfactory for the eccentric publication.

"We're selling it by ourselves. I don't think any publisher will be sympathetic to our cause. It caters to a niche market, and we're happy to keep it within that community. If it reaches a wider audience, there is the danger that people who don't really understand the industry [but don't really oppose either] might become shocked and turn against it," said Chantawipa.

The four creators agree that if the response is strong enough, a second edition could easily eventuate, as there are many more words waiting to be explained, developed, debunked and deconstructed. There might also be a market for other occupations such as taxi driving. Another project in the pipeline is "Dear PM", a compilation of letters and petitions that Empower has submitted to the prime ministers over its 23-year history.

The creators have confessed to enjoying nothing more than adjusting people's attitudes towards sex workers, and they hope to establish a platform to develop a greater diversity of opinion through the education of society about the industry.

"I think people could be a lot more understanding and open minded if they read more books like this one. Hopefully, they'll realise that every single word uttered can profoundly affect other human beings," said Pornpit.

The 'Bad Girls Dictionary'is available for 200 baht at
http://www.empowerfoundation.org/. Call 02-526-8311 for more information.

bangkokpost.com/Outlook/14May2008_out001.php
[already taken off the web, 18May2008]





SEXWORKER.AT-Dictionary (German only ;-)
www.sexworker.at/phpBB2/lexicon.php

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2665 (Lexikon-Diskussion)

Lexikon der Prostitutionsfeindlichkeit - A Short Glossary of Prohibitionism by Maggie McNeill 2011:
http://maggiemcneill.wordpress.com/2011 ... bitionism/





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 29.03.2012, 11:37, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Konkurrenz unter Frauen

#29

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wie das Schimpfwort "Hure" tötet

und wie per Testament Gerechtigkeit eingefordert werden kann



Aus dem Leben des des Komponisten Puccini:

...

Irgendwann begann seine Ehefrau Elvira , ihre ganze Wut auf das Dienstmädchen Dora zu projizieren. Als Hure, die es heimlich mit ihrem Ehemann treibe, verleumdete sie das schüchterne Kind im Dorf.

Das Mädchen wusste sich nicht mehr anders zu helfen, vergiftete sich und verfügte, dass man nach dem Tod ihre Jungfräulichkeit feststellen solle – was geschah und in einen peinigenden Gerichtsprozess gegen die Hausherrin mündete.

Elvira wurde wegen Verleumdung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die Giacomo erst vor der Revisionsverhandlung mit Geldzahlungen an die Familie des Opfers abwenden konnte.

Der gerade erschienene Dokumentarroman Die kleinen Gärten des Maestro Puccini des Schriftstellers Helmut Krausser handelt von diesem Fall und anderen Amouren des Komponisten.

Als »kleine Gärten«, die man einem Künstler nicht verwehren dürfe, hatte Puccini seine erotischen Eskapaden verteidigt.

...

http://www.zeit.de/2008/23/Viareggio-Puccini





Wie Rufmord und Ehrenmord zusammenpassen?
Der Fall einer Kaiserin:
viewtopic.php?p=32362#32362 (Sex - Macht - Geld)





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 02.03.2009, 14:32, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Namensfindung mit weitreichenden Konsequenzen

#30

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Stigma-Management für Fortgeschrittene

oder "Ich bin Viele" - multifraktale Identitäten in der Sexarbeit



(Fraktal hier im mathematischen Sinne (Selbstähnliche Fraktale Geometrie) und nicht psychologisierend als "gebrochene Seele"!!!)






Du kannst Dich auf mindestens 4 Arten hier im Internetforum SEXWORKER.AT anmelden:
  1. Bürgerlicher Namen

    Mit dem Namen der amtlichen Ausweise begegnet man sich in der bürgerlichen Welt. Hier machen das nur sozial abgesicherte Personen: Wissenschaftler, politische Unterstützer oder Supporter, die an uns verdienen wollen wie Rechtsanwälte oder Ärzte...
  2. Dating-Name

    Nick für privates Sexvergnügen via Internet... Weil promisker Sex immer noch ein Tabu ist, nutzen nicht nur Sexworker, die auch privat in öffentlichen Foren daten wollen, sondern insbesondere Paysex-Kunden diese Form des Persönlichkeitsschutzes
    (Sexworker.at ist allerdings kein Dating-Forum).

    Diesem Namen entspricht im Sex-Biz, auf der gewerblichen Anbieterseite der
  3. Künstlername

    Den nutzen die meisten SexarbeiterInnen. Dabei ist der Arbeitsname, nom de plume, Pseudonym, stage name, der Name unter dem Dich die Kundschaft, kurzfristige Vermittler und Betreiber, die Sex- oder Pornobranche kennen. In diesem Namen konzentriert sich Dein ganzes Markenimage. Er soll nicht nur Einzigartigkeit sondern auch Werbebotschaft sein.

    Manche Sexworker haben allein schon hier mehrere Namen für verschiedenen Dienstleistungsangebote und Genre. Oder sie sehen sich zum Namenswechsel gezwungen, wenn sie an einem Wirkungsort ihr Image/Ruf verloren/verdorben haben durch Verhaltensfehler oder Unvorsichtigkeiten...

    Wenn Du mit Deinem Arbeits-Namen politische Forderungen erkämpfen willst und gegen Gesetze, Übergriffe oder schlechtes Kundenbenehmen wetterst, ist das schlecht fürs Geschäft. Deshalb sollte man/frau sich noch diesen 3. Namen zulegen:
  4. Community-Name

    Dieser Name kennzeichnet Deine sozialen, politischen Aktivitäten gemeinsam mit anderen SexarbeiterInnen und UnterstützerInnen. Es ist ferner der Name für Öffentlichkeits- und Medienarbeit.

    Ein spezielles Beispiel ist Ava Caradonna. Dieses Pseudonym wird gleich von einer ganzen Gruppe von Sexarbeitern genutzt für politische Statements quasi als Markenname selbstbewuster Sexwork-InteressenvertreterInnen.



Die Kraft des Prostitutionsstigmas besteht nun darin, daß für politische Partizipation ein bürgerlischer Klarname notwendig ist, den kaum eine SexarbeiterIn bereit ist zu outen. Also wird so eine Sexarbeiter-Emanzipation wirkungsvoll behindert allein durch das sublim wirkende Stigma, was in keinem demokratisch legitimierten Gesetz niedergeschrieben steht.

Also muß die Entstigmatisierung durch Sonder-Schutz-Gesetze erfolgen.
Stigmatisierung befördernde Gesetze müssen identifiziert und modifiziert werden.
Alles andere wäre scheinheilig.





Politisches Prostitutionsregime:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=37753#37753

Fachbroschüre "Sex work, violence and HIV
A guide for programmes with sex workers"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=37006#37006

Wie Stigmatisierung produziert wird:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=38455#38455 (Forschung zufriedene Huren)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=37588#37588 (Gewerkschaftliche Organisation)

SW-KernKompetenz: Erschaffung einer Persona:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=45335#45335

Sicherheitshandbuch vom Kollektiv Anonymous:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98927#98927

3-Sphären-Modell Sexwork PR und outing:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=113211#113211





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 29.03.2012, 11:36, insgesamt 6-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

MARCante Anal-yse:

#31

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Warum ist das Prostitutionsstigma um so vieles wirkmächtiger und dauerhafter


als z.B. die Stigmata gegen Schwule, Transsexuelle, Frauen, Ausländer ...?




Weil darin das Tabu Sex und das Tabu Geld verkettet sind.



Beim Geld hört die Freundschaft auf. Im ökonomischen Neoliberalismus ist Geld allerdings das ultimative Statussymbol und Steuerungsmittel geworden. Dass damit die nichtsexuelle Prostitution sich ausgebreitet hat wird gerne und oft unterschlagen.


Aber auch Sex hat Qualitäten der evolutionären Steuerung: Sexuelle Selektion. Die Leistung der Kultur besteht nun darin, die triebhafte archaische Sexualiät kultiviert und befriedet zu haben. Dass dies teilweise durch Unterdrückung und Verbot statt Ausleben und Kultivierung geschieht ist dem Macht- oder Gewaltparadigma geschuldet. Was seinerseits ebenfalls als eher archaischere Methode für geringeren Entwicklungsstatus zeugt. Auch die sog. sexuelle Revolution hat keine prinzipielle Befriedigung gebracht.


In der Prostitution scheint der Konflikt Kultur vs. Natur oder Geld vs. Trieb beständig aufgebrochen zu werden. Prostitution verquickt diese gegeneinanderspielenden Urkräfte geradezu tabubrecherisch. Jedoch ist die Kulturfeindlichkeit der Prostituton m.E. ein Trugschluß sexuell unbefriedeter Unreife, denn die Prostitution kann hoch kultiviert abgehen, wie ein Opernerlebnis oder Gourmetevent. Es sind die politisch-polizeilichen Rahmenbedingungen, die entscheiden welches Niveau gelebt werden kann.


Prostitution ist stark gegendert, d.h. durch die patriachal-kapitalistisch-sexuelle Matrix strukturiert. Es geht jedoch nicht nur um das Thema Geschlechterverhältnisse im Sinne von Frauenunterdrückung wie alt Feministinnen behaupten. Callboys und Transsexuelle sind der -oft in den vielen geneigten Prostitutionsstudien unterschlagene- lebende Gegenbeweis.


Warum ist aber der Gordische Knoten der Tabus um Sex und Geld so fundamental und scheinbar schier unüberwindbar?


Weil er eine Einheit von Mittel und Zweck realisiert.


Zweck von sozialer Strukturbildung durch Teilhabeselektion und Exklusion (Grenzenbildung) ist es beschränkte Ressourcenverteilung und Verdienstmöglichkeiten z.B. hierarchisch zu gliedern.

Mittel ist heute primär Leistungswettbewerb und ökonomischer Erfolg, was früher Abstammung, Herkunft, Bildung und Glaube waren. Daneben sind es aber nach wie vor biologistische Merkmale wie Sexualität und Geschlecht (Frauen, Schwule, Transsexuelle...).


Aber nur bei den GeschlechtsarbeiterInnen, den Sexworkern und den anderen Akteuren in der Geschlechtsökonomie lassen sich Mittel und Zweck (Geldverdienkontrolle und Sozialstrukturierung) symbiotisch zum schwer angreifbaren Exklusionsmechanismus verschmelzen.


Die Mittel-Zweck-Symbiose macht das Prostitutionsstigma
als Teil der kulturosexuellen Selektion
gegen die Vereinigung der Urkräfte Sex und Geld in Sexarbeit & Paysexkonsum
so übermächtig.






.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 07.07.2008, 15:01, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Zum kulturellen Wortgebrauch: HURE

#32

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein Sendeformat mit dem Namen: "Halt die Klappe du Hure"

http://vids.myspace.com/index.cfm?fusea ... D=36019879





Ein Rapp: "Du Hure"

http://youtube.com/watch?v=AB2WSA0VlKU




.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Sprach Codes

#33

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Insider-sprache einer sexuellen Subkultur:

Polari



Sprache kann stigmatisierend gegen eine (sexuelle) Minderheit verwendet werden wie in mehreren Postings oben beschrieben. Dagegen klärt z.B. das Thailändische Wörterbuch auf (s.o.).

Sprache kann aber auch innerhalb einer Subkultur als Schutz, zur Abgrenzung und identitätsbildend benutzt werden (s.o. Milieusprache).

Polari ist eine schwule Subkultursprache, ein Slang aus London, die mit der geglückten gesellschaftlichen Akzeptanz der Gays in der Metropole inzwischen jedoch wieder fast verschwunden ist.

http://de.wikipedia.org/wiki/Polari
http://en.wikipedia.org/wiki/Polari





Polari Szene in film "Velvet Godmine" 1998:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=jI4gxNPKOwE[/youtube]

Noch eine Polari Hörprobe:
http://www.youtube.com/watch?v=37RT1aUN4X8





Hier sogar als Sprache der Callboys und Stricher beschrieben:

Polari, a vibrant language born out of prejudice



by Paul Baker

. . . particularly well known in London and associated with chorus boys who danced and sang in West End productions, and male prostitutes who drank endless cups of tea in seedy cafes hanging out around Piccadilly (”the dilly”) looking for “steamers” (clients).
...
In a world where homosexuality was stigmatised through the institutions of law, medicine and religion, these men needed a way to express themselves without getting caught. Dropping the odd Polari word into a conversation with a new, handsome acquaintance was one way of working out if they might be interested.
...
Anti-language, a term created by Michael Halliday in 1978 to describe how stigmatised subcultures develop languages that help them to reconstruct reality according to their own values.
...
range of feminising words that were used to refer to the police – the natural enemies of the Polari speaker (casual sexism).
...
these (camp) terms all mocked and questioned the gender identity of this particularly persecuting organisation. ["Sexual Politics" der Unterdrückten. Sic!]
...
gay liberation in the 70ies made an end to its usage.
...


http://www.lauraagustin.com/sex-on-sunday-6-june
http://www.guardian.co.uk/commentisfree ... ge-origins





Brauchen wir heutzutage im Sexbiz noch eine Milieusprache?





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 07.06.2010, 03:09, insgesamt 4-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Sexismus und Putophobie oder nur Humor?

#34

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Huren-schimpf" unter Tennis-Profis

Sexy Anna als "Hure" beschimpft
Washington/London - Riesenaufregung unter den Damen in Wimbledon: Der ehemalige Tennis-Profi Justin Gimelstob hat in einem Radio-Interview Anna Kurnikowa und zwei weitere Tennisspielerinnen übel beleidigt.
...
Anna Kurnikowa als "Hure" bezeichnet
...
beleidigte er auch noch die Französin Alize Cornet und die Tschechien Nicole Vaidisova persönlich mit sexistischen Parolen.
...
Die ATP und die amerikanische "Tennis-League" reagierten geschockt
...
er aber unter keinen Umständen mit Kurnikowa schlafen wolle. Es würde ihm aber egal sein, "wenn mein Bruder, der ein echter Sexprotz ist, sie f… würde und dann den Lohn einheimst".
...
Übeltäter von der amerikanischen "Tennis-League" umgehend suspendiert und zu einer offiziellen Entschuldigung aufgefordert.
...
"Es gibt keine Entschuldigungen für meine Äußerungen und ich bin von mir selbst extrem enttäuscht."
...
"Ich trage die volle Verantwortung für die Worte, die ich gesagt habe und obwohl ich keine dieser Worte zurücknehmen kann, hoffe ich, dass meine inständige Entschuldigung die Wunden heilen kann, die ich hervorgerufen habe."
...
Von offizieller Ebene scheinen Gimelstob keine schwerwiegenden Konsequenzen auf seinen peinlichen Auftritt zu drohen.
...
die beleidigte Vaidisova ragierte gelassen: "Ich kenne Justin, er ist ein sehr netter Junge." Die sexistischen Äußerungen ihr gegenüber scheinen sie nicht weiter zu berühren. Sie kenne den Humor von Gimelstob ein bisschen und könne ihm verzeihen, meinte die 19-Jährige.

http://www.sport1.de/de/sport/artikel_2285848.html





Mehr:
http://www.rp-online.de/public/article/ ... lampe.html

http://www.bild.de/BILD/sport/mehr-spor ... 86028.html





.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Preis des Hurenstigmas: Selbstbezichtigung als Hure ...

#35

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wie tradierte moralische Ideale

in einer entgrenzten Moderne quasi unendlicher Realisierungsmöglichkeiten

das Gegenteil von orientierungstiftenden Halt bewirken:




Menschen in Lebenskrisen, die die überkommenen moralischen Feindbilder Hure, Hexe etc. internalisiert haben, werden geradezu in die Selbstzerstörung getrieben, wenn sich das romantische Ideal der Liebespartnerschaft und Selbstrealisation nicht einstellt.


Modell bezichtigt sich selbst als "Hure und Hexe" und begeht Selbstmord:
http://www.bild.de/BILD/news/vermischte ... 98308.html


Das Selbstbild der freien Frau, Liebesgefährtin und Kurtisane, die in erster Linie ihrem Herzen und nachhaltigen Existenzsicherung verpflichtet ist, wird in einer verschulten-indoktrinierenden Erziehung nicht entfaltet. Krisenbewältigung und gewaltfreie Kommunikation als Konfliktlösungsstrategien sind zu wenig bekannt. Stattdessen wird über alle Medienkanäle die Droge Modelkarriere in der kapitalistischen Warenwelt verstreut.

Das ist gesellschaftlich akzeptierter Betrug an einer ganzen Generation junger Mädchen mit Parallele zum sog. Menschenhandel wo über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen im Sexbiz getäuscht wird. Doch gegen letzteres wird ein Stellvertreter- oder Scheingefecht ausagiert.

Was für ein schweres Opfer muß eine Gesellschaft erbringen, die es sich leistet moralisches Verhalten über ein Stigma zu steuern. Eigendlich soll seine Existenz Frauen auf den Rechten Weg geleiten und von Fehltritten abhalten. Doch die Fehler machen werden geopfert, man läßt sie sich selbst richten.

Welches archaische Menschen- und Weltbild blitzt da auf. Noch ein langer Weg zu einer Versöhnungsethik und Integrationsgesellschaft...





.

Hanna
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 908
Registriert: 08.10.2007, 19:06
Ich bin: Keine Angabe

#36

Beitrag von Hanna »

also mich würde schon mal interessieren was das Mädchen wirklich für Probleme hatte und warum sie sich als Hure bezeichnet obwohl sie vermutlich gar keine war!

aus der Begründung von BILD:


Ruslana war unzufrieden mit sich, mit dem Leben. Sie war auf der Suche nach Liebe: "Liebe - das ist die Essenz des Lebens. Vertausche nicht Liebe mit Verlangen. Liebe ist die Sonne, Verlangen - nur ein Blitz. Verlangen blendet, und Sonne spendet Leben."
Am 11. März lässt Ruslana ihren Gefühlen dann freien Lauf: Ich bin eine Hure, ich bin eine Hexe. Ich kümmere mich nicht darum, was du sagst. Ich weiß, was es ist. Ich weiß, warum meine anderen Beziehungen nicht funktioniert haben, weil ich unberechenbar bin."


...werde ich nicht schlau.
nach anderen Quellen hätte sie unter ihrer für ein Model geringen Körpergröße von 1,74 cm gelitten!

das ist glaub ich ein Einzelfall für den Psychologen/Psychater
man müßte hier einfach mehr wissen.

in das Hurenstigma-Schema würde ich sie nach den vorliegenden Infos nicht stecken.

Hanna
Zuletzt geändert von Hanna am 01.07.2008, 22:45, insgesamt 1-mal geändert.
Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)

Benutzeravatar
Angel_friend
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 623
Registriert: 12.07.2007, 11:56
Wohnort: Oberösterreich
Ich bin: Keine Angabe

#37

Beitrag von Angel_friend »

Ich fürchte auch, dass diese junge Frau eigentlich von einer Art Selbsthass getrieben war und sich deswegen als Hexe und Hure bezeichnet hat.

Schönes Thema für die Medien.

Und um noch eines Draufzugeben wird dann auch noch ihr Freund beschuldigt ihr nicht geholfen zu haben ...

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Geschichtsforschung Misogynie

#38

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bezeichnend nur, wenn die moralischen Etikette dienstbar sind einen Leidensdruck am kranken Selbst bis zu Selbsttötung zu erhöhen.



Das älteste Vorurteil:

Misogynie



Der Frauenhaß, sei von Männern erfunden.
Frauenhaß steckt auch hinter dem Hurenhaß (Putophobie).

Ein Mann hat ein Buch darüber geschrieben, welches seine Frau und Tochter wg. seines frühen Todes vermarkten.

Die Mutter Gottes wird in den Himmel gehoben. Doch dafür zahlt sie einen hohen Preis: kein Sex. Gott wurde Mensch - dank Jungfrauengeburt. Mit der Mutter Gottes wird eine Demütigung verehrt. "Eines der Probleme monotheistischer Religionen ist ihre Ablehnung weiblicher Sexualität", so die Witwe Mary Hudson. "Denken sie mal an die Jungfrau Maria. Sie wurde überhöht, über alle anderen Frauen - einfach nur, weil sie vermutlich nie Sex hatte. Das ist eine ziemlich klare Ablehnung der Frau und ihrer sexuellen Natur - und ich glaube, Jack sah darin eine Grundlage für den Frauenhass."

Jack Holland
"Misogynie: Die Geschichte des Frauenhasses"
Zweitausendeins 2007
http://www.amazon.com/dp/0786718234
http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/122933/index.html

David D. Gilmore
"Misogyny: The Male Malady" 2001
http://www.amazon.com/dp/0812236084





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 07.07.2008, 15:26, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Theorie der Stigmatisierung

#39

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier die ultimative Theorie zum Thema Stigma:


Stephan Quensels Etikettierungsansatz




Grundmechanismus:
1.) Auf der Seite der Normalen:

Vorurteile statt konkrete Verdachtsmomente verleiten bisweilen Vertreter von Institutionen wie Polizei und Justiz einen an sich ungerechtfertigten Verdacht zu erheben.

Aus offensichlichen Merkmalen wird basierend auf unreflektiertem Alltagswissen ein Verdacht über abweichendes Tatverhalten konstruiert (rote Haare=Hexe, lange Haare=Krawallmacher, femininer Mann=schwul, Partner der Sexarbeiterin=ausbeuterischer Zuhälter/Menschenhändler...).


2.) Auf der Seite der nicht Normalen:

Auf der Seite des Normabweichlers, liegt evt. lediglich ein momentaner Affekt, Ausrutscher oder vorübergehende Auswegslosigkeit einer unerlaubten Tat zugrunde. Wird er aber als abnorm, pervers oder kriminell benannt, ausgegrenzt oder verfolgt, kann sich bei ihm ein ebensolches Selbstbild festigen und ihn zu weiteren und schwereren Normübertretungen führen.





Der Etikettierungsansatz besagt:
  • Kriminelles Verhalten ist ein Resultat gesellschaftlicher Normvorstellungen.
  • Ablaufschema:

    Gesellschaftliche Reaktionen auf Normabweichungen bekräftigen die Normabweichung (Verstärkung).
    Der Handelnde wird als Normabweichler abgestempelt und gebranntmarkt (Stigmatisierung).
    Das Stigma führt zu Ausgrenzung (Diskriminierung).
    Dem Handelnden werden alternative Lösungen und Handlungsmöglichkeiten versperrt (Exklusion).
    Dem Handelnden verbleibt kein sozial akzeptiertes Selbstbild (Entfremdung).
    Es verbleibt ihm als Bearbeitungsstrategie nur der Rückzug (Desintegration).
    Ihm verbleibt nur die Abweichler-Rolle (Desozialisierung).

    Eine entsprechende Karriere ist die Folge.
  • Oder mit anderen Worten:

    Ein Abweichler wird zuerst oder einerseits kriminalisiert.
    Und wird dann von sich aus erstrecht kriminell.
  • Ursache von Kriminalität ist die von der Gesellschaft definierte Möglichkeit,
    eine kriminelle Karriere einzuschlagen, ein Krimineller sein zu könnne.
  • Gegenüberstellung der Modelle:

    Klassische Kriminologie:
    Eine abweichende bis kriminelle Karriere ist festgelegt z.B. in Genen oder Erziehung.
    (Karrieremodell)

    Alternatives Karrieremodell von Quensels Etikettierungstheorie:
    Eine abweichende bis kriminelle Karriere ist weder begründet in Genen noch Erziehung,
    sondern Folge von Exklusion und Rollenzuweisungen.
    (Rollenmodell)



Andere Konzepte für abweichendes Verhalten wären:

- Diversity
- Alternative Ökonomie

vgl. das Buch "Freakonomics - A Rogue Economist Explores the
Hidden Side of Everything." von Prof. Steven Levittt 2005.

Prof. Levitt über Sexarbeit:
viewtopic.php?p=29759#29759


Mit dieser neuen Perspektive, werden folgende gesellschaftskritischen Fragen sichtbar:
  • Statt: Warum bin ich anders und ist mein Handeln nicht normal? wird gefragt:
  • Warum muß ich erst Geld verdienen, bevor mir gestattet ist meine Bedürfnisse zu befriedigen?
  • Warum muß ich um Geld zu verdienen, zunächst das Interesse eines Anderen bedienen?
  • Warum muß ich erst meine Nützlichkeit beweisen, bevor ich an meine eignen Bedürfnisse denken kann?
  • Warum kann Sexarbeit nicht Spaß bereiten und eine selbstbestimmte Berufstätigkeit sein?
  • Warum soll für Sex bezahlen, Gewalt oder Ausbeutung sein?
  • Warum soll die Mehrheit der Migrantinnen in der Sexarbeit Opfer von kriminellen Menschenhändlern sein?



Ob jemand gegen herrschende Stigmatisierungstendenzen bestehen kann,
hängt ab von Selbstbewustsein und Autonomie
und Wissen um die hier dargelegten Zusammenhänge.

Wir sind soziale Wesen, klar, aber wie stark aber ist jemand in seinem Selbstbild vom Urteil der Mitwelt abhängig?

Das wiederum ist abhängig von eigenen menschlichen, familiären, sozialen Ressourcen (Chancengerechtigkeit) und von Realisierungschancen (Teilhabegerechtigkeit).

Politik für Inklusion und Empowerment wären das zugehörige Gegenmodell,
um einem Teufelskreis von Stigmatisierung und Abstieg vorzubeugen.





Erstaunlicherweise macht der Etikettierungsansatz aus dem normalerweise als Täter klassifizierten Kriminellen ein Opfer. Ein Opfer gesellschaftlicher Rollenzuweisungen und sozialer Normen. Denn anstatt seine Probleme zu lösen wird er von der Gesellschaft als kriminell definiert und abgesondert.
Die hohen Rückfallquoten von Ex-Strafgefangenen belegen diesen Mechanismus der Opferproduzierenden Exklusion.
Die klassische Kriminalitätstheorie macht aus den nach Lösungen suchenden Menschen subjektlose Täter und Reaktionsdeppen, die quasi getrieben seien zum Bösen (vgl. nymphomane SexarbeiterIn, ausbeuterischer Menschenhändler).

Dieser grundsätzliche Gegensatz der Theorien macht deutlich, dass die klassische Theorie von Abweichung und Kriminalität zwar plausibel und funktional erscheint, aber letztlich nur mehr eine in einen wissenschaftlichen Mantel gekleidete alltagsabgeleitete Weltauffassung ist. Es ist nicht mehr als eine Sammlung von verfestigten, irrationalen Vorurteilen über eine vermutete Existenz einer "kriminellen Persönlichkeit".





Wer das verstanden hat, muß die folgenreiche Konsequenz ziehen und Kriminalität neu definieren.

Etikettierungstheorie von Stephan Quensel:
„Kriminalität“ ist in erster Linie zu begreifen als ein machtvolles Instrument herrschaftsstabilisierender „Legitimation“
gegenüber Beherrschten wie gegenüber möglichen Machtkonkurrenten
und
als ein „pervertierter Diskurs“ zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen,
die dem gleichen hegemonialen Glaubenssystem aufsitzen.





Quelle und Vertiefung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Etikettierungstheorie
Siehe auch Stadtsoziologie der Chicagoer Schule und Symbolischer Interaktionismus...

Strafrecht als sogenanntes Feindstrafrecht:
viewtopic.php?p=35622#35622

Forschung zu Sexarbeiterkarrieren und Ausstiegshindernissen:
viewtopic.php?p=35990#35990

Drama-Dreieck von Karpman (Transaktionsanalyse):
viewtopic.php?p=44789#44789





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 21.08.2009, 17:10, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe
Kontaktdaten:

Wortgebrauch und Stigmatisierung gehen zusammen

#40

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Diejenigen die am vehementesten gegen Prostitution sind,
nehmen das Schimpfwort Prostitution jedoch gerne in den Mund:


Ramsauer wirft SPD "Prostitution" mit Linken vor


http://www.tz-online.de/de/aktuelles/ba ... 42988.html


Der Landesgruppenchef warnt vor der Prostituierten SPD

http://www.netzeitung.de/politik/deutsc ... 95657.html





Das Schimpfwort Prostitution als unterste gesellschaftliche Kategorie ist systemerhaltensnotwendig.

Deshalb darf auch Prostitution nicht eine legalisierte Berufstätigkeit werden. Oder?


Was für ein Ersatzschimpfwort können wir Ramsauer vorschlagen?

Was sagen uns die Anführungszeichen, die eine Zeitung setzt aber die andere nicht?





.

Antworten