sexworker.at/prostg (ProstitutionsGesetze) -

Alles rund um die Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland
1.) Aktualisierte Übersichten über die Gesetzeslage Sexarbeit:
1.0) 'Prostitutionsstättengesetz' noch in Arbeit 2013
§ 38 GewO [Überwachungsbedürftige Gewerbe]
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=133004#133004
1.1) Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten
Prostitutionsgesetz (ProstG) seit 1. 1. 2002
§ 1 [Prostitution begründet einen nur einseitig bindenden Vertrag]
Sind sexuelle Handlungen
gegen ein vorher vereinbartes Entgelt
vorgenommen worden,
so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung.
Das Gleiche gilt,
wenn sich eine Person,
insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses,
für die Erbringung derartiger Handlungen
gegen ein vorher vereinbartes Entgelt
für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.
§ 2 [Abtretungsverbot]
Die Forderung kann nicht abgetreten
und nur im eigenen Namen geltend gemacht werden.
Gegen eine Forderung gemäß § 1 Satz 1
kann nur die vollständige,
gegen eine Forderung nach § 1 Satz 2
auch die teilweise Nichterfüllung,
soweit sie die vereinbarte Zeitdauer betrifft,
eingewendet werden.
Mit Ausnahme des Erfüllungseinwandes gemäß des § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
und der Einrede der Verjährung
sind weitere Einwendungen und Einreden ausgeschlossen
§ 3 [Eingeschränktes Weisungsrecht für SW-Arbeitgeber]
Bei Prostituierten
steht das eingeschränkte Weisungsrecht
im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit
der Annahme einer Beschäftigung
im Sinne des Sozialversicherungsrechts
nicht entgegen.
[Überschriften nicht Teil des Gesetzestextes]
Daneben gab es noch diese Neufassungen im:
Strafgesetzbuch (StGB)
- StGB § 180 a [Ausbeutung von Prostituierten]
und
- StGB § 181 a [Zuhälterei].
Nachtrag: Urteil BGH, 01.08.2003 - 2 StR 186/03
1.2) Nicht im ProstG angespochen aber wichtige deutsche Rechtsnomen sind:
Grundrechte
- GG Art. 1 und 2 [Schutz des Intim- und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre]
- GG Art. 12 Abs. 1 [freie Berufswahl]
- StGB §§ 174-84f - 13. Abschnitt [Stafgesetzbestimmungen zur sexuellen Selbstbestimmung]
- StGB § 238 [Nachstellungen] Stalking
- GewSchG [Gewaltschutzgesetz] Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz gegen Gewalttaten und Nachstellungen (seit 2001) www.de.wikipedia.org/wiki/Gewaltschutzgesetz
- AGG - Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (seit 2006)
- StORMG - Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (seit 2013)
Verbotene Prostitution im Sperrbezirk
- StGB § 184e [Ausübung der verbotenen Prostitution]
und
- OWiG § 120 Abs.1 Nr.1 [Verbotene Ausübung der Prostitution]
D.h. Zuwiderhandlung gegen eine auf Grundlage von EGStGB Art. 297 erlassene Sperrbezirksverordnung.
Doch Prostitution fällt heute wie jede andere auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage unter die Garantie des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes" (BMFSFJ 2007:9 zitiert nach Howe).
Urteil Beihilfe verbotene Prostitution, Freispruch kupplerische Zuhälterei Landgericht Waldshut-Tiengen Sept.2013
- Sperrbezirksverordnungen von Städten, Regierungsbezirken und Landkreisen
www.bit.ly/sperrgebiet
www.bit.ly/sexworkatlas
www.sexworker.at/lokal
Weitere Formen der Verbote und Zonierung neben den Sperrbezirken
- Prostitutionskontrolle via Baurecht
Urteil Salon Prestige/Agentur Liberty Berlin 2009
- Dirnenklausel im Kaufvertrag zulässig (Leonhardsviertel Stuttgart), im Grundbuch nicht, wenn die Grunddienstbarkeit nicht eindeutig formuliert und klar erkennbar ist (Mannheim).
Menschenhandel & Zuhälterei
Zuhälterei im Zeitalter der Globalisierung. Menschenhandel ist die gewalttätige, kriminelle Entartung der informellen Migration und Sexarbeit. Kriminalität ist von Prostitution d.h. vertraglich ausgehandelter Sexdienstleistung scharf abzugrenzen so wie Sex von Vergewaltigung! Insbesondere wird mit Menschenhandel/Zuhälterei die Arbeitsteiligkeit in der Prostitution per Strafgesetzbuch kriminalisiert (Personalmanagement - human resources)! Sonderschutzaltersgrenze 21 Jahre seit 2005.
- StGB § 232 [Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung]
und
- StGB § 233 a [Förderung des Menschenhandels].
Beide Menschenhandelspargraphen wurden verschärft im Sinne der EU, bevor die verzögerte Evaluation des ProstG, die keine erhöhte Kriminalität feststellen konnte, öffentlich freigegeben wurde. Sie haben heute die Funktion der früheren Zuhälterparagraphen.
- StGB §§ 180, 181 Zuhälterei und Ausbeutung von Prostituierten siehe oben.
- StGB § 184e Verbotene Prostitution (s.o., ehemals jugendgefährdende Prostitution, verschärft 2008).
Diese unsere Branche kriminalisierenden Sondergesetze gehören abgeschafft, weil die allgemeinen Strafgesetze ausreichen:
- StGB § 240 Nötigung
- StGB § 177, 178 sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
...
Kontrollrechte der Polizei und Behörden
- StPO §104 Satz 2 (Strafprozessordnung) erlaubt bundesweit die jederzeitige, anlaßunabhängige Durchsuchung von Prostitutionsstätten ohne richterlichen Beschluß.
Polizeigesetze der Länder z.B.
- PolG NRW § 41 [Betreten und Durchsuchung von Wohnungen] Absatz (3) Satz 2:
"Wohnungen können jedoch zur Abwehr dringender Gefahren jederzeit betreten werden, wenn sie der Prostitution dienen."
Landespolizeigesetze und Studien: Piratenpad.
Ausländerrecht & Migrationskontrolle
Infoblatt für Sexworker-Migrant_innen (2008)
- FreuzügG/EU Personenfreizügigkeitsregelung von 2004 und 2007
- AufenthG § 55 [ErmessensAusweisung]
- EG Art. 43, 49 [EU Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit]
Dienstleistungsfreiheit für Unionsbürger nach EU-Osterweiterung 2004/2007
Urteil BVerwG - 1.Senat Az. 1 C 17/00 vom 18.09.2001 i.V.m. BVerwG Az. 1 C 31.02: "Frauen aus Osteuropa (Bulgarien, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Polen, Estland, Lettland, Litauen und Tschechische Republik) dürfen in Deutschland als Prostituierte arbeiten".
Werbeverbot
- OWiG § 120 Abs.1 Nr.2 [Werbeverbot]
Urteil OrdnunsWidrigkeitenGesetz 2008
BGH Urteil 2006: "Sexworker dürfen Annoncen schalten".
Geschlechtskrankheitenkontrollen
- IfSG - Infektionsschutzgesetz seit 2001
als Ersatz fürs Bundesseuchengesetz
- Bayerische Kondomverordnung seit 2001, weil ihnen das IfSG zu lasch war.
- Sonderstrafrecht HIV/AIDS (Urteilsammlung)
Steuern und Abgaben
- Steuerpflicht inkl. steuerrechtlichen Diskriminierungen
(Düsseldorfer Verfahren, Sexsteuer...)
Broschüre Düsseldorfer Verfahren (Dona Carmen 2009)
Urteil BFH 2013: Eigenprostitution ist Gewerbebetrieb
Steuerberechnung und EÜR für Sexworker
Abgaben an "Zuhälter" können abgesestzt werden.
Arbeitsrecht der Prostitution
Fun Garden Urteil 2013 "Scheinselbständigkeit = abhängige Beschäftigung"
Pussy-Club Urteile 2010, 2012
Scheinselbständigkeit (Hinterziehung von Sozialabgaben und Umsatzsteuern auf Sexworkerlohn durch Betreiber)
Urteil Bundessozialgericht 2009: "Arbeitsagentur darf nicht in die Prostitution vermitteln".
Betrieb von Prostitutionsstätten
Gewerberecht (öffentliches Recht)
Urteil Café Pssst Berlin 2000
- GastG § 4 Abs. 1 Nr. 1 [Gaststättengesetz: Versagensgrund "der Unsittlichkeit vorschub leisten" durch Prostitution]
Prostitutionsstättengesetz (Konzessionierung)
Gescheiterter Gesetzentwurf i.V.m. Menschenhandelsbekämpfung 2013
Übersicht 2013
Sonstiges
- StVO - Straßenverkehrsordnung
- Erbrecht
Ab 1. 1. 2010 kein Pflichteilentzug mehr möglich, nur wegen Prostitutionstätigkeit.
- BGH Urteil 2012 zu widerrufener Schenkung
- Eheanfechtung
- Hate Crime - „vorurteilsmotivierte Übergriffe“ (seit 2001 bei der Polizei erfasst)
Schandurteile d.h. Sexworker Entmündigungen
Urteil Köln: Absprachen mit Zuhälter sind nichtig
Palermo Protokoll von 2000
"The consent of the victim [...] shall be irrelevant"
Internationale Rechtsvergleiche
www.sexworker.at/international
Urteil Sexworker können nicht vergewaltigt werden (Amtsgericht Offenburg 2013)
- ...
(was fehlt?)
1.3) Einschätzung der Rechtslage
Die Prostitution wird nach wie vor wesentlich durch strafgesetzliche Rechtsnormen definiert.
Kontrollbehörde des ältesten Gewerbes ist statt der Gewerbeämter nach wie vor die Polizei.
Eine zivilrechtliche Regelung der Sexarbeit steht noch aus und muß noch in mutigen Rechtsstreiten erkämpft werden.
2.) Urspünglicher Teil dieses Postings:
Die öffentlich verfügbaren Informationen seit Evaluation des ProstG
(Evaluation sollte 3 Jahre nach Einführung ProstG, also 2005 erscheinen):


Endlich liegt die Studie halböffentlich vor, die so lange geheim- bzw. zurückgehalten wurde.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, hatte jedoch insbesondere die FDP-Fraktion auf eine wissenschaftliche Begleitstudie gedrungen. Die war auch schon ende letzten Jahres fertig, wurde aber bisher nicht veröffentlicht.
Doch jetzt ist sie zur TAZ in Berlin durchgesickert:


Artikel vom 21. Oktober 2006 von Heide Oestreich:
www.taz.de/pt/2006/10/21/a0072.1/textdruck
Doch die damaligen politischen Machtverhältnisse haben nur ein halbherziges Gesetz ermöglicht. So wurde die Abschaffung des Verdikts der Sittenwidrigkeit erst gar nicht ins Gesetz hineingeschrieben, sondern nur in dessen Begründung. Doch die Medien haben damals der Öffentlichkeit und den Huren das als Paradigmenwechsel, Fall der Sittenwidrigkeit und Legalisierung der Prostitution verkauft. Doch das Gesetz wird heute von der Exekutive regional unterschiedlich interpretiert.
Es ist noch viel politische Arbeit erforderlich. Die CDU will das dennoch epochale Gesetz am liebsten kassieren:
www.cdu.de/archiv/2370_18085.htm
Kommentar:
www.nd-online.de/artikel.asp?AID=98534&IDC=42&DB=O2P
Forumsinterne Querverweise:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=7886#7886


ProstG
Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnsse der Prostitution (Prost.G.) Jan. 2002:
www.bmfsfj.de/doku/prostitutionsgesetz/pdf/09.pdf (Gesetz und Begründung)
http://dip.bundestag.de/btd/14/059/1405958.pdf (Entwurf)
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
Ina Hunecke: "Das Prostitutionsgesetz und seine Umsetzung: Was hindert unterstützende Netzwerke an konstruktiven Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ... Bleiberecht und Hilfen zum Ausstieg?"
Dissertation Hamburg (2011)
www.amazon.de/dp/3830057660
Prostituiertenfeindliche Dissertation von
Prof. Dr. Rahel Gugel M.A.
Juristin, Master in Humanitarian Assistance
hat bei den kath. Nonnen von Solwodi gearbeitet/Erfahrungen gesammelt
Promotion mit dem Prädikat summa cum laude zum Thema „Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II GG (Gleichberechtigung) – eine rechtspolitische Untersuchung“ an der Universität Bremen
Diss PDF: http://d-nb.info/100743158X/34 (2011)
www.dhbw-vs.de/hochschule/mitarbeitende ... gugel.html
Kritik: www.donacarmen.de/?p=401
Philipp Thiée (Hg.): Menschen Handel - Wie der Sexmarkt strafrechtlich reguliert wird (2008)
Mag. a. Marie-Theres Prantner: Rechtsvergleich in Österreich, Deutschland, Schweden und der Slovakei (2006)
Magisterarbeit, Wien
RA Dr. Magarete Gräfin von Galen, Dissertation (Humboldt Uni) und Gesetzeskommentar Prost.G. (2004)
www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406510051
Homepage als Rechtsanwältin:
www.galen.de
Martin Theben, Dissertation Humboldt Uni (2004)
Rechtliche Aspekte der (freiwillig) ausgeübten Prostitution unter besonderer Berücksichtigung gewerberechtlicher Vorschriften und des zivilen Vertragsrechts
Udo Zimmerman, Die öffentlich-rechtliche Behandlung der Prostitution (2002)
www.amazon.de/dp/3935625162
Silke Ruth Laskowski (Jg.65, jetzt Prof. Uni Kassel): "Die Ausübung der Prostitution - Ein verfassungsrechtlich geschützter Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG",
Dissertation (1997)
Rezension und Kurzinfo
Sonstiges
Geschichte der Prostitution (Tabelle)
Geschichtstafel Prostitutionsgesetze ab 1800
Evaluation des ProstG von der Bundesregierung 2007
IMK und Bundesratbeschluß 2011
Merkblatt der Mitternachtsmission zur Beschäftigung von Sexworkern unter 21 Jahren
Juristische Einschätzung Prostitution unter 21 Jahren
(§ 232 StGB [Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung])
Augsburger Weg der Prostitutionskontrolle
Dortmunder Modell der Prostitutionskontrolle
Übersicht Recht und Rechtsprechung Sexwork A - CH - D und international

Quelle | mehr: www.bit.ly/bkazahlen
Gute Broschüre für Sexworker (hier am 17. Mai 2012 hinzugefügt, weil es die BSD Site nicht mehr gibt):
